"Am Flussufer ein Feuer": Die Wunden einer Schwarzen Familie
Für ihren Debütroman "Zwölf Leben" wurde Ayana Mathis gefeiert. Er erzählt von der Schwarzen Hattie und ihren zwölf Kindern, ihrer Hoffnung auf Freiheit und Wohlstand. Auch in ihrem neuen Roman beschreibt Mathis eine Frau, die nach beidem sucht.
Ava will es besser machen als ihre Mutter, nicht so abweisend sein, sondern immer für ihren Sohn Toussaint da sein. Es gelingt nicht. Nach einem heftigen Streit mit ihrem Mann, der nicht der Vater von Toussaint ist, landen beide mit ihren Koffern und einem Plastikmüllsack voller Kleidung auf der Straße und schließlich in einem Frauenhaus in Philadelphia. Ava weigert sich tagelang auszupacken:
Die Wände in Zimmer 813 waren von einem trüben Minzgrün. Hohe, schmale Fenster gingen auf eine Anlage mit flach getrampeltem Gras, dahinter sah man jenseits einer belebten Straße einen Parkplatz. Avas Sandalen klebten auf dem Linoleum. Im Zimmer roch es nach schmutzigen Wischmopps und den Körpern all der Menschen, die hier gelebt hatten: Kinder mit schuppigen Hautausschlägen und Frauen, die sich an dem Waschbecken in der Ecke flüchtig die Achselhöhlen gewaschen hatten. Leseprobe
Ava ist der Situation nicht gewachsen, sie fällt in eine tiefe Depression. Toussaint, ein magerer, kleiner Elfjähriger, schlägt sich in der neuen Umgebung weitgehend alleine durch. Und so wiederholt sich ein Schicksal. Avas Mutter, Dutchess, verließ nach dem Tod ihres Lebensgefährten über Wochen nicht das Bett. Später schickte sie die Tochter fort, sie sollte es einmal besser haben. Viele Jahre haben sich die beiden nicht gesehen und haben kaum noch Kontakt. Dutchess lebt in Bonaparte in Alabama, nur wenige "Nigger", wie es in dem Roman durchgängig heißt, sind hier noch geblieben und verteidigen Grund und Boden gegen die Ansprüche der "Weißen", die immer mehr Siedlungen am Fluss bauen. Aasgeier nennt Dutchess die "weißen Jungs" und zielt mit einer Schrotflinte auf sie. Doch eigentlich ist der Kampf verloren.
Der schwierige Kampf für gleiche Rechte
Ayana Mathis erzählt von Versuchen schwarzer Selbstbehauptung und zeigt, wie schwer es für Schwarze auch Mitte der 1980er-Jahre noch war, ihre Rechte durchzusetzen. Dabei entlässt sie ihre Protagonistinnen nicht aus der Verantwortung. Cass, der Vater von Toussaint, taucht plötzlich wieder auf, ein charismatischer früherer Black Panther Aktivist. Er gründet eine schwarze Gemeinschaft, in der auch Ava und Toussaint ein Zuhause finden. Schnell wird allerdings deutlich, dass das nicht auf Dauer gut gehen kann: Sektenähnlich ist der Zusammenschluss, und Cass scheut auch vor Betrug, Diebstahl und Gewalt nicht zurück. Ava verschließt lange die Augen und bleibt an seiner Seite. Erst ganz am Ende entscheidet sie sich gegen ihn, für ihren Sohn. Da hat die Polizei das Haus schon umstellt:
Sie würde mit ihm gehen. Ihr blieb keine Wahl. Alle Wege waren abgeschnitten. Ava würde mit Cass aufs Dach gehen und endlich Rache üben, (...) für Bonaparte, für alles, was sie verloren hatte. (...) Ava ging auf Cass zu. Ihr Sohn zog an ihrer Hand. Ein einziges Mal. Ganz leicht. Leseprobe
Und Ava bleibt - bei Toussaint.
Keine leichte, aber eine lohnende Lektüre
"Am Flussufer ein Feuer" ist ein zutiefst bewegender Roman. Ayana Mathis erzählt vom Schicksal dreier Menschen, von drei Generationen einer Familie, die entzweigerissen wird. Die traumatisierten Figuren scheitern zwar vordergründig durchaus auch am eigenem Unvermögen, doch vor allem an gesellschaftlich tief verankertem Rassismus und daraus entstehender Gewalt. Ihnen bleibt kaum eine Chance, die Verletzungen werden von Generation zu Generation weitergegeben. Keine leichte Lektüre und doch bleibt Hoffnung. Mathis schafft eine große Nähe zu Ava, Dutchess und Toussaint. Sie schildert präzise und eindringlich die verschiedenen Milieus. Susanne Höbel hat das sehr treffend ins Deutsche übertragen. Und so ist der Roman bei aller Schwere eine überaus lohnende Lektüre.
Am Flussufer ein Feuer
- Seitenzahl:
- 432 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-28416-5
- Preis:
- 25 €