"Als wir an Wunder glaubten": Ein Roman voller wundersamer Ereignisse
Helga Bürster lebt im niedersächsischen Dötlingen. Nun ist ihr drittes Buch erschienen: "Als wir an Wunder glaubten". Darin geht es um Moor-Mythen und Aberglaube, um Leichtgläubigkeit und Liebe, um Menschenfängerei, Macht und Mut.
Irgendwo nahe Oldenburg, am Rand des kleinen Moordorfes Unnenmoor, lebt Guste.
"Im Dorf war sie de oole Hex, die Kindern fürchterliche Geschichten erzählte." Leseprobe
Nur Betty geht gerne zu ihr. Auch, um den Gruselgeschichten der zahnlosen Alten zu lauschen.
"Die Mutter schickte Betty hin und wieder mit einem Topf Kartoffeln oder Suppe. Zwar hatten sie selbst kaum genug zum Beißen, aber Guste hatte noch weniger und jemand musste sich kümmern." Leseprobe
Die Nachkriegszeit in der niedersächsischen Provinz
Anfang der 50er-Jahre ist auch in Unnenmoor Aufbruchsstimmung. Das Moor wird mit großen Maschinen trockengelegt, damit Baugrund entsteht. Außerdem will man endlich die Schrecken der NS-Zeit vergessen - und damit die Zwangsarbeiter, die hierher in ein Lager gebracht wurden. Nur Guste spricht noch von den "Barackentoten im Teufelsloch", den "Glöhnigen", wie sie sie nennt:
"Bei Vollmond kamen die zum Vorschein, dann stiegen sie aus den Tümpeln mit ihren Spaten und Forken und verfluchten diejenigen die sie da reingebracht hatten." Leseprobe
Der Lageraufseher war Fritz Renken. Nun zieht er in Unnenmoor als "Spökenfritz" den Dorfbewohnern als selbsternannter Wunderheiler das Geld aus der Tasche. Und er facht gefährliche Gerüchtefeuer an: Die alte Guste, aber auch Bettys Mutter Edith, hätten Hexenkräfte, verbreitet er. Die "krumme Katie", eine Hausiererin, steht sowieso unter Verdacht - immerhin bietet sie ziemlich verruchte Waren an.
Die "Hexenbanner" und die Landbevölkerung
"Das Vorbild ist ein bisschen die Biografie von Beate Uhse, die ja auch von der Hausiererin zur Unternehmerin aufgestiegen ist": Helga Bürster hat sich für ihren Roman intensiv mit Verschwörungstheorien beschäftigt. In der Nachkriegszeit war besonders die Landbevölkerung empfänglich für krude Ideen - der Hexenglaube war noch verbreitet. In Lüneburg und Dithmarschen standen "Hexenbanner" wie der Tischlermeister Waldemar Ebeling vor Gericht. Er hatte mit fragwürdigen Methoden angebliche Hexenkräfte gebannt.
Die "Neue Deutsche Wochenschau" berichtete 1956: "Durch den Aberglauben und die Hexenbanner-Tätigkeit werden auch heute noch viele völlig unschuldige Frauen verleumdet und aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen." Auch der Norddeutsche Rundfunk berichtete ausführlich über den Prozess. Im NDR Archiv sind sogar noch Tondokumente des Prozessmitschnitts vorhanden.
Mit Hilfe eines ehemaligen NDR Mitarbeiters konnte sich Helga Bürster die Aufnahmen anhören: "Dieser Prozess fand in einem Gasthaus statt. An diese Aufnahmen bin ich durch den Herrn Trinkhus gekommen. ich bin ihm wahnsinnig dankbar!" Waldemar Eberling wurde 1956 übrigens nur wegen 'Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz' verurteilt.
"Als wir an Wunder glaubten": Ein wundervolles Lektüre-Ereignis
In ihrer ruhigen Erzählweise lässt Helga Bürster eine aufregende und vielschichtige Handlung entstehen. Vor dem Hintergrund von Moor-Mythen und Aberglaube geht es um Leichtgläubigkeit und Liebe, um Menschenfängerei, Macht und Mut. Den beweist auch Edith, die nun als Kriegswitwe mit zweifelhaftem Ruf das Leben alleine bewältigen muss. Ihr Mann Otto, Bettys Vater, ist im Krieg gestorben. Ins Dorf zurück geschafft hat es nur sein Freund Josef. Wie und welche Spuren der Zweite Weltkrieg auch bei ihm hinterlassen hat - auch das ist Teil der Geschichte. Helga Bürsters Roman "Als wir an Wunder glaubten" steckt nicht nur voller wundersamer Ereignisse, er ist auch ein wundervolles Lektüre-Ereignis!
Als wir an Wunder glaubten
- Seitenzahl:
- 285 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Insel
- Veröffentlichungsdatum:
- 11. September 2023
- Bestellnummer:
- 978-3-458-64388-3
- Preis:
- 23 €