Buch-Cover: Paula Irmschler, "Alles immer wegen damals” © dtv
Buch-Cover: Paula Irmschler, "Alles immer wegen damals” © dtv
Buch-Cover: Paula Irmschler, "Alles immer wegen damals” © dtv
AUDIO: Neue Bücher: "Alles immer wegen damals" von Paula Irmschler (5 Min)

"Alles immer wegen damals": Komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung

Stand: 30.05.2024 06:00 Uhr

In Paula Irmschlers neuem Roman "Alles immer wegen damals" geht es um eine junge Frau, die sich mit ihrem Leben nicht gerade leichttut. Die Autorin schreibt melancholisch, leichtfüßig, fast schon weise.

von Katja Eßbach

Karla ist - ja was eigentlich? Überfordert, aus der Bahn geworfen oder einfach gerade dabei erwachsen zu werden? Sie ist von Leipzig nach Köln gezogen, hat eine Ausbildung angefangen, zu der sie mittlerweile nur noch sporadisch geht, wohnt in einer winzigen Wohnung und fühlt sich - falsch:

Karla ist aus vielen Gründen falsch. Zum Beispiel, weil sie es heute nicht geschafft hat, pünktlich aufzustehen, um ihren Wohngeldantrag, der spätestens heute abgeschickt werden muss, im Copyshop auszudrucken. (...) Sie kann die einfachsten Sachen nicht, sie ist falsch, falsch, falsch. Leseprobe

Ein festgefahrener Konflikt

Und so wurschtelt sich Karla über die Zeit, unsicher, wie es weitergehen soll. In Leipzig ist auch ihre Mutter Gerda gerade unglücklich. Sie ist frisch von ihrem Partner getrennt, hat Liebeskummer. Aber davon weiß Karla nichts, denn beide haben seit zwei Jahren keinen Kontakt zueinander. Karla hat ihn abgebrochen. Die Familien-Chat-Gruppe auf WhatsApp ist stummgeschaltet:

Sie sehen, dass sie mal wieder nicht antwortet, nicht mal eine Emoji-Reaktion unter die Nachricht der Mutter setzt, sich nicht meldet, dass sie nicht da ist, dass sie das schlechteste Kind von allen ist. Leseprobe

Um endlich Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zu bringen, haben Karlas Geschwister eine Idee: ein Musical-Besuch in Hamburg mit Übernachtung, nur Karla und Gerda.

Paula Irmschler über die Mutterfigur in der DDR

"Alles immer wegen damals" erzählt die Geschichte einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung und die einer ungewöhnlichen Familie, mit verschiedenen Vätern, die nicht lange bleiben. Fixpunkt ist Mutter Gerda, alle kreisen ums sie. Häufig fühlt sie sich von der Verantwortung erdrückt. Warum es allerdings zur Entfremdung von ihrer jüngsten Tochter Karla kam, bleibt etwas nebulös. Man wird aus dem Konflikt nicht ganz schlau. Es zeigt sich aber deutlich, dass das Mutter-Tochter-Verhältnis sehr distanziert ist, was Paula Irmschler auch auf die DDR-Vergangenheit ihrer Mutterfigur zurückführt: "In diesem Fall würde ich schon sagen und ich behaupte das auch im Buch, dass es eine besondere Form der Mütterlichkeit im Osten gibt, nämlich eine pragmatische. Die meisten Frauen haben gearbeitet, die Betreuungssituation lag nicht allein bei der Mutter und hat die Gesellschaft als Ganzes mehr betroffen."

Auf Streit folgt Versöhnung

Auf jeden Fall kommt es tatsächlich zur Hamburg-Reise von Gerda und Karla und dort zu einem epischen Streit in einer Kneipe:

Jetzt wurde es ausgesprochen. Die Bombe ist gezündet. Die Männer lassen von ihren Bieren ab, all eyes on Mutter und Tochter, ein Raunen geht durch den Laden, die Musik setzt aus, irgendwo knarzt eine Schwingtür, eine Katze miaut, ein Luftstoß löscht das Licht einer Kerze, ein kurzes Geigengeräusch ertönt. So fühlt es sich zumindest an. Leseprobe

So doll wie es hier knallt, so schnell folgt die Versöhnung und eine Verlängerung der gemeinsamen Reise. Hier hätte der Konflikt gern noch etwas Zuspitzung vertragen.

Paula Irmschler erzählt aus den Perspektiven von Gerda und Karla, sie schreibt melancholisch, leichtfüßig, fast schon weise. Und man erkennt, dass die Probleme im Leben eigentlich immer dieselben sind, nur in unterschiedlicher Kostümierung.

Alles immer wegen damals

von Paula Irmschler
Seitenzahl:
320 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
dtv
Bestellnummer:
978-3-423-28334-2
Preis:
24 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 30.05.2024 | 12:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Bücher 2024: Das waren die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gab es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Charlie Hübner sitzt an einem Tisch. © Thomas Aurin

Charly Hübner als wandelbarer Antiheld in "Late Night Hamlet"

Munteres Late Night Geplauder trifft auf Shakespeare-Drama - so das Setting für den Solo-Abend im Schauspielhaus Hamburg. mehr