"Alles immer wegen damals": Komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung
In Paula Irmschlers neuem Roman "Alles immer wegen damals" geht es um eine junge Frau, die sich mit ihrem Leben nicht gerade leichttut. Die Autorin schreibt melancholisch, leichtfüßig, fast schon weise.
Karla ist - ja was eigentlich? Überfordert, aus der Bahn geworfen oder einfach gerade dabei erwachsen zu werden? Sie ist von Leipzig nach Köln gezogen, hat eine Ausbildung angefangen, zu der sie mittlerweile nur noch sporadisch geht, wohnt in einer winzigen Wohnung und fühlt sich - falsch:
Karla ist aus vielen Gründen falsch. Zum Beispiel, weil sie es heute nicht geschafft hat, pünktlich aufzustehen, um ihren Wohngeldantrag, der spätestens heute abgeschickt werden muss, im Copyshop auszudrucken. (...) Sie kann die einfachsten Sachen nicht, sie ist falsch, falsch, falsch. Leseprobe
Ein festgefahrener Konflikt
Und so wurschtelt sich Karla über die Zeit, unsicher, wie es weitergehen soll. In Leipzig ist auch ihre Mutter Gerda gerade unglücklich. Sie ist frisch von ihrem Partner getrennt, hat Liebeskummer. Aber davon weiß Karla nichts, denn beide haben seit zwei Jahren keinen Kontakt zueinander. Karla hat ihn abgebrochen. Die Familien-Chat-Gruppe auf WhatsApp ist stummgeschaltet:
Sie sehen, dass sie mal wieder nicht antwortet, nicht mal eine Emoji-Reaktion unter die Nachricht der Mutter setzt, sich nicht meldet, dass sie nicht da ist, dass sie das schlechteste Kind von allen ist. Leseprobe
Um endlich Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zu bringen, haben Karlas Geschwister eine Idee: ein Musical-Besuch in Hamburg mit Übernachtung, nur Karla und Gerda.
Paula Irmschler über die Mutterfigur in der DDR
"Alles immer wegen damals" erzählt die Geschichte einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung und die einer ungewöhnlichen Familie, mit verschiedenen Vätern, die nicht lange bleiben. Fixpunkt ist Mutter Gerda, alle kreisen ums sie. Häufig fühlt sie sich von der Verantwortung erdrückt. Warum es allerdings zur Entfremdung von ihrer jüngsten Tochter Karla kam, bleibt etwas nebulös. Man wird aus dem Konflikt nicht ganz schlau. Es zeigt sich aber deutlich, dass das Mutter-Tochter-Verhältnis sehr distanziert ist, was Paula Irmschler auch auf die DDR-Vergangenheit ihrer Mutterfigur zurückführt: "In diesem Fall würde ich schon sagen und ich behaupte das auch im Buch, dass es eine besondere Form der Mütterlichkeit im Osten gibt, nämlich eine pragmatische. Die meisten Frauen haben gearbeitet, die Betreuungssituation lag nicht allein bei der Mutter und hat die Gesellschaft als Ganzes mehr betroffen."
Auf Streit folgt Versöhnung
Auf jeden Fall kommt es tatsächlich zur Hamburg-Reise von Gerda und Karla und dort zu einem epischen Streit in einer Kneipe:
Jetzt wurde es ausgesprochen. Die Bombe ist gezündet. Die Männer lassen von ihren Bieren ab, all eyes on Mutter und Tochter, ein Raunen geht durch den Laden, die Musik setzt aus, irgendwo knarzt eine Schwingtür, eine Katze miaut, ein Luftstoß löscht das Licht einer Kerze, ein kurzes Geigengeräusch ertönt. So fühlt es sich zumindest an. Leseprobe
So doll wie es hier knallt, so schnell folgt die Versöhnung und eine Verlängerung der gemeinsamen Reise. Hier hätte der Konflikt gern noch etwas Zuspitzung vertragen.
Paula Irmschler erzählt aus den Perspektiven von Gerda und Karla, sie schreibt melancholisch, leichtfüßig, fast schon weise. Und man erkennt, dass die Probleme im Leben eigentlich immer dieselben sind, nur in unterschiedlicher Kostümierung.
Alles immer wegen damals
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-28334-2
- Preis:
- 24 €