Albrecht Dümling schreibt Biografie über "die beste Berliner Jazzband"
In seinem Buch "Mein Gorilla hat 'ne Villa im Zoo" zeichnet der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling auf über 200 Seiten die Geschichte der Weintraub Syncopators, einer Berliner Jazzband der 1920er-Jahre, nach.
Sie waren Berlins heißeste Band in den 20er-Jahren und weit über Deutschland bekannt und beliebt: die Weintraub Syncopators. Sie spielten Jazz - jedenfalls das, was man damals unter Jazz verstand - und feierten damit große Erfolge. Heute kennen sie nur noch wenige Experten. Wie so viele von den Nazis ins Exil vertriebene Künstler sind auch sie in Vergessenheit geraten - zu Unrecht. Daran lässt die jetzt erschienene Biografie des Musikwissenschaftlers Albrecht Dümling keinen Zweifel.
"Die beste Berliner Jazzband" der 1920er-Jahre
"Die Weintraub Syncopators sind eine Jazzband, gegründet 1924 von Stefan Weintraub und Horst Graff, zwei musikalischen Laien, die nach Schallplatten Jazzaufnahmen imitiert, transkribiert und gespielt haben und damit so großen Erfolg hatten, dass sie gesagt haben: Wir werden eine professionelle Jazzband", erzählt Albrecht Dümling . "Die sind dann entdeckt worden von Friedrich Hollaender, der sie in seinen Revuen im Theater am Kurfürstendamm eingesetzt hat. Das war ein so großer Erfolg - nicht nur weil sie so toll gespielt haben, sondern weil sie auf der Bühne agiert haben wie Schauspieler. Die Berliner Presse hat damals gesagt: Das ist die beste Berliner Jazzband."
Amerikanischer Jazz als Vorbild
Als Vorbilder galten den sieben Musikern die amerikanischen Jazzmusiker. Sie waren von Gershwins "Rhapsody in Blue" so begeistert, dass sie diese komplett nachspielten. Blues, Slowfox und Ragtime sowie Tänze wie Shimmy und Charleston regten sie zu eigenen Kompositionen an. Schon der Name "Syncopators" deutete auf Amerikas Jazz hin, denn Synkopen brachten ein völlig neues Rhythmusgefühl in die Musikwelt.
Doch gleichzeitig schrieben Friedrich Hollaender sowie der Schlagzeuger der Band, der Namensgeber Stefan Weintraub, auch das, was wir heute als Schlager aus der Weimarer Republik kennen: witzige, freche, anspielungsreiche Texte mit flotter, schmissiger Musik für Revuen und Varietés. Auf den Bühnen zeigten sich die sieben Musiker auch als talentierte Musikkomiker.
Weintraub Syncopators: "Ein demokratisches Kollektiv"
So wenig wie ich über die Band wusste, nämlich gar nichts, so erstaunt habe ich erfahren, an wie vielen UFA-Filmen, die ich wiederum kenne, die Band beteiligt war. So begleiteten sie unter anderem Marlene Dietrich bei ihren Liedern wie die "Fesche Lola" im "Blauen Engel".
Das Besondere der Band war zudem die komplette Gleichberechtigung aller im Laufe der Jahre wechselnden Musiker. Sie waren, sagt Dümling, "ein demokratisches Kollektiv" - eine absolute Besonderheit in dieser Branche. Jeder bekam das gleiche Honorar, alles wurde gemeinsam beschlossen.
Machtergreifung der Nazis beendet Karriere in Deutschland
Die Syncopators waren zu ihrer Zeit echte, sehr gut bezahlte Stars, die auch in Europa sehr erfolgreich tourten. Ihre Berliner Erfolgsgeschichte endete mit der Machtergreifung der Nazis. Ihre Musik galt jetzt als entartet und wurde verboten. "Die Nazis bezeichneten diese Musik als 'Negermusik'. Das heißt: Was in Deutschland produziert wurde, sollte rein deutsche Kunst sein", erklärt Albrecht Dümling. "'Negermusik', gespielt von Deutschen - das war absolut tabu. Außerdem hatten sie damals großen Hass auf das Instrument Saxofon, weil es den Verdacht gab, das sei ein jüdisches Instrument. Als Jazzinstrument ist es sowieso unmoralisch, eben der Nachtclubszene zugehörig."
Erschwerend kam hinzu, dass die Musiker allesamt einen jüdischen Hintergrund hatten. Die Rassenpolitik der Nazis bedrohte ihre weitere Arbeit, ihre Auftritte. Die Syncopators legten zwar ihren englischen Namen ab, gaben amerikanischen Songs deutsche Namen, aber das half nur kurzfristig. Sie begriffen rasch, dass sie Deutschland den Rücken kehren mussten. Hier waren sie nicht mehr erwünscht.
Ende der Band in Australien
Was folgte, war eine Odyssee, die die Musiker über Österreich, Dänemark, Italien, Ungarn, Russland, Japan bis schließlich nach Australien führte. Da sie das Publikum überall mit ihrer musikalischen Bühnenshow begeisterten und vor ausverkauften Häusern auftraten, mussten sie sich um ihren Unterhalt keine Sorgen machen. Sie wurden im Unterschied zu vielen anderen Exilanten stets gut bezahlt. Australien erwies sich allerdings als Katastrophe für die Band.
"Dann landeten sie auch mit einem sehr guten Engagement in Australien", sagt Dümling. "Sobald sie aber bekannt gegeben hatten, dass sie dort ins Exil gehen wollen, gab es dort ganz große Probleme von den australischen Behörden. Diese sagten, sie werden keine Arbeit bekommen, weil die Musiker-Gewerkschaft sich gegen sie gewehrt hat. Dann gab es zusätzlich den Verdacht, sie seien Spione. Drei Mitglieder der Band wurden interniert als feindliche Ausländer. Als die aus der Internierung zurückkamen, durften sie nicht wieder anfangen und das war das Ende der Band."
"Mein Gorilla hat 'ne Villa im Zoo" von Albrecht Dümling zeichnet lebendiges Bild
Albrecht Dümling erzählt in "Mein Gorilla hat 'ne Villa im Zoo" die hier nur sehr verkürzt wiedergegebene Bandgeschichte mit zahllosen Zitaten aus Zeitungen, Zeitschriften, Erinnerungen, Tagebüchern und offiziellen Dokumenten. Es gelingt ihm, ein lebendiges Bild jener Berliner Zeit und ihrer geradezu überbordenden Kulturszene zu zeichnen.
Man kann die Musik der Syncopators sogar auch hören. Es gibt im Buch einen Link zu 23 Musikstücken sowie zu Videomitschnitten einiger ihrer Auftritte. Diese geben einen kleinen Eindruck von dem Witz und dem komödiantischen Talent der Band. Albrecht Dümling hat mit seiner Biografie ein Stück deutscher Jazzgeschichte dem Vergessen entrissen.
Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo
- Seitenzahl:
- 232 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- ConBrio
- Veröffentlichungsdatum:
- 15. Dezember 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-949425-03-5
- Preis:
- 24,90 €