"Adikou": Verwirrender Roman über die Phantome der Vergangenheit
"Adikou" ist ein körperlicher, ein verzweifelter Roman im Kampf um die Identität einer entwurzelten Migrantin, die sich von den Schatten ihrer versklavten Ahnen doch nicht lösen kann.
Eine Frau sucht ihren Vater. Eigentlich sucht sie sich selbst, die Tochter einer Französin und eines afrikanischen Freiheitskämpfers, der früh verschwand. Nach wie vor hat sie an der Passkontrolle Angst:
Sie unterschreibt nämlich mit dem Namen ihrer Mutter - mit dem Namen jener Menschen, die sie aufgezogen haben, sagt sie. Ein Name aus dem Norden (dem Norden Frankreichs, um genau zu sein, man vergisst immer, das zu erwähnen), der nach braunem Zucker auf den Crêpes und nach Gewerbegebiet riecht, ein alteingesessener Name. Der Name des Vaters, der im Pass und auf den Visa steht, ist eine Gefahr. Leseprobe
Die Suche nach der eigenen Herkunft
Adikou heißt sie, so wie das Samenkorn des afrikanischen Muldenspiels. Sie fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie ist nicht schwarz, nicht weiß, und alle Europäer scheinen ihre Farbe als exotische Trophäe anzusehen. Auch ihr Freund, den sie nur "Whiteboy" nennt, nimmt ihren Körper ganz selbstverständlich in Besitz.
Erst Marc, einen obdachlosen Schwarzen in New York, dessen Geborgenheit ohne Schuldzuweisung ihr ein wenig Wärme bietet, nennt sie beim Namen, bevor sie - ausgerechnet nach Atlanta - flieht.
Adikou fühlt sich als Nachkomme der Sklaven schuldig am Schicksal derer, die verkauft worden sind. Die Welt dient ihr als Spiegel ihrer Ängste als Spiegelbild der Sklaverei und auch als Mahnmal. Sie reist nach Togo und sucht an der Grenze zu Benin nach dem Dorf ihrer Herkunft - und fühlt sich doch als Touristin. Ihr Vater kam daher, verschwand, als sie sehr jung gewesen ist. Sie fährt zur Grenze und sucht das Dorf, aus dem ihr Vater stammt. Sie begegnet ihm, aber vielleicht halluziniert sie nur. Erlösung findet sie im Kreis des Ältesten und einer Heilerin:
Der Älteste fährt fort: Dein Herz findet Frieden, weil du den Fuß auf diese Erde gesetzt hast, die deine ist. Das ist unser Dorf. Ich sehe die weißen Spuren, die die Gaben von vorhin auf der roten Erde hinterlassen haben. Leseprobe
Sie sucht den Weg der Sklaven, die, von ihren Stammesangehörigen verraten, in Ketten auf dem Weg zum Sklavenhalterschiff nach Übersee über den Strand getrieben worden sind. Und später spielt ein Skorpion noch eine Schlüsselrolle...
"Adikou": Körpernahe, schmerzhafte Lektüre
"Adikou" ist ein körperlicher, ein verzweifelter Roman im Kampf um die Identität einer entwurzelten Migrantin, die sich von den Schatten ihrer versklavten Ahnen doch nicht lösen kann. Raphaëlle Red mutet den Lesenden eine ebenso körpernahe wie verwirrend schmerzhafte Lektüre zu, mit ihrer Heldin Adikou, dieser desorientierten Tochter einer Europäerin und eines Afrikaners, der früh verschwand und dem sie folgt auf ihrer Reise in die schwarze Haut.
Adikou
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00382-1
- Preis:
- 24 €