Stephan Thome: "Schmales Gewässer, gefährliche Strömung"
Taiwan fühlt sich seit Jahrzehnten bedroht durch die politischen Ansprüche und Provokationen Chinas. Wie wahrscheinlich ist ein militärischer Angriff der Volksrepublik? Der Sinologe und Kenner Taiwans sensibilisiert erklärt Ursprünge, Hintergründe und Folgen des pulsierenden Konflikts.
Erst kürzlich, Mitte September 2024, haben zwei Schiffe der deutschen Marine die Taiwanstraße passiert. Angesichts der Wetterlage, so der Verteidigungsminister Boris Pistorius, wollte man den sichersten Weg wählen, außerdem seien es internationale Gewässer, die die deutschen Schiffe durchquerten. Peking fühlt sich provoziert und bestreitet, dass es sich um internationale Gewässer handele. Eine kleine Episode, die für den Konfliktpunkt beispielhaft ist.
Seit Jahrzehnten pulsiert der Streit zwischen der kommunistischen Volksrepublik China und Taiwan, dem demokratischen Inselstaat, 180 Kilometer vor der chinesischen Küste entfernt im westlichen Pazifik. Gerade auch die geographische Lage rückt Taiwan immer wieder in den Fokus machtpolitischer Interessen. Für China steht Taiwan an erster Stelle auf dem Wunschzettel, aber auch der Westen, die USA haben ihre Machtinteressen. Als führender Chip-Hersteller hat Taiwan eine hervorgehobene wirtschaftliche Relevanz. Und die Aktion der deutschen Militärschiffe, wie gerade geschehen, sendet zumindest deutliche Solidaritätssignale.
Stephan Thome nimmt den seit langem schwelenden, komplexen Konflikt in den Fokus, erklärt kenntnisreich die Geschichte des Landes, Begehrlichkeiten, Hintergründe, geopolitische Kausalitäten und kulturgeschichtliche Zusammenhänge.
Thome lebt in Taiwan
Stephan Thome schafft es, mit klarer, aber unaufdringlicher Diktion für die brisante Lage des geopolitischen Konflikts zwischen China, Taiwan und westlichen Akteuren zu sensibilisieren. Das kann er überzeugend tun, weil er seit seinem Sinologie-Studium Taiwan verbunden ist, bereits viele Jahre dort lebt und das Land mit seinen Innenansichten betrachtet.
Mit Blick auf die akuten Kriegskonflikte in der Ukraine oder in Nahost mag Taiwan nur ein weit entfernter Nebenschauplatz sein. Thome zieht das Land, den Konflikt um Taiwan aber in die Nahaufnahme, veranschaulicht Mosaiksteine der vielschichtigen Interessenlagen und zeigt, dass Taiwan nicht nur rund 10.000 Kilometer entfernt ist, sondern uns im Hier und Jetzt, in Europa, in Deutschland etwas angeht. Die mögliche Zuspitzung des Konflikts, sollte es zu einem chinesischen Angriff auf Taiwan kommen, ist real und wächst merklich. Die Aufmerksamkeit für diese Gemengelage fördert Stephan Thome mit seinem Buch.
Sofort anziehende und eindrückliche Lektüre
Stephan Thome ist nicht nur ein profilierter Sachbuchautor, er ist in erster Linie auch Romanschriftsteller. Mehrfach wurde er für sein Prosawerk mit Literaturpreisen ausgezeichnet, mehrfach gelang es ihm, auf die Shortlist für den renommierten Deutschen Buchpreis zu kommen. Zuletzt erschien sein Roman "Pflaumenregen", ein taiwanesisches Familienporträt.
Seine literarische Doppelbegabung, gründliche Sach-Recherche und schriftstellerische Eleganz, macht das Buch "Schmales Gewässer, gefährliche Strömung" zu einer nicht nur informativen, sondern sofort anziehenden und eindrücklichen Lektüre.
Stephan Thome taucht ein in die Geschichte Taiwans, analysiert den aktuellen Konflikt und kontextualisiert die reale Zuspitzung, die er mit ihren Umbrüchen und Reformprozessen in ihrer Brisanz erfassen kann. Im Moment sind die Aktionen Chinas noch köchelnde Provokationen oder, wie Thome schreibt, "Grauzonen-Aktivitäten". Präsident Xi Jinping könnte sich aber auch mit der Realisierung des "Chinesischen Traums" in Szene setzen wollen, und der heißt: "Wiedervereinigung mit Taiwan".
Schmales Gewässer, gefährliche Strömung
- Seitenzahl:
- 366 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Suhrkamp
- Veröffentlichungsdatum:
- 09.09.2024
- Bestellnummer:
- 978-3-518-43204-4
- Preis:
- 25 €