"Tumult": Hans Magnus Enzensberger ganz privat
Am 11. November 2014 feiert der Schriftsteller und Lyriker Hans Magnus Enzensberger seinen 85. Geburtstag. Seinen kritischen Geist, seinen wachen Kopf konnte er sich bewahren, und so zählt Enzensberger zu der immer kleiner werdenden Gruppe deutscher Intellektueller (Grass, Negt, Habermas, Walser), die auch im hohen Alter noch eine Stimme, eine Meinung haben und die, vielleicht, aus der bewegten Vergangenheit gelernt haben. Um diese Vergangenheit - genauer um den Tumult der 60er- und 70er-Jahre - geht es in Hans Magnus Enzensbergers neuem Buch mit dem Titel "Tumult", das jetzt auch als Hörbuch erschienen ist.
Es wird Privates preisgegeben
Hans Magnus Enzensberger ist ein Autor, der immer bekannt dafür war, wenig Privates preiszugeben. In seinen Erinnerungen jedoch bekennt er sich.
Er bekennt sich zu Peinlichkeiten, zu einer Amour Fou, die in seine Ehe mit Maria Aleksandrowna Marakowa, genannt "Mascha", mündete (, die er übrigens - ganz der Schriftsteller - seinen "russischen Roman" nennt), er bekennt sich zu den eigenen, manchmal wirren, Vorstellungen und Gedanken, die man Ende der 60er Jahre als "Berufslinker" hatte und die in seinem Fall zu einem längeren Aufenthalt auf Kuba führten.
Es war ein zufälliger Kellerfund alter Tagebücher und gekritzelter Notizen, der ihn zu einer Auseinandersetzung mit dem rastlosen Dichter, dem Sucher und Vermeider von einst bewegte:
Und so entspinnt sich ein ungewöhnlicher Dialog. Enzensberger spricht mit Enzensberger. Wunderbar umgesetzt von dem Schauspieler Stefan Hunstein, der mit seiner zurückgenommenen Art den Worten zu ganzer Geltung verhilft.
Ein Kosmopolit
So erfahren wir: Das Warten hält Hans Magnus Enzensberger nicht aus. Eine Eigenschaft die ihn zum Kosmopoliten werden lässt, denn "nichts verkürzt die Zeit leichter als ein Ortswechsel" sagt Enzensberger. Und so steht er eines Tages am Flughafen von New Delhi.
Von dort reist er nach Moskau, dann nach Amerika, zwischendurch immer wieder nach Schweden, Norwegen, London, Paris, dann nach Kuba. Und nebenher und nebenbei ist Hans Magnus Enzensberger in Berlin und damit im Epizentrum der linksintellektuellen Bewegung.
"Berühmt waren wir damals alle"
Enzensberger trifft alle, kennt alle oder vielmehr kannte sie, die damals Rang, Namen, eine Stimme, meist kein Geld, aber Bedeutung hatten. Nicht ohne Koketterie bekennt er: "Ach, berühmt waren wir damals alle". Er wohnt einem Basketballspiel mit Fidel Castro bei und badet mit Chruschtschow.
Der Weg und die Worte zählen
Immer wieder unterbrochen wird das Buch durch Postskripta, auch von solchen, die in die Zukunft gerichtet sind, und doch von der Vergangenheit handeln:
Und vielleicht zählt am Ende, als der Autor über jene spricht, die schon begraben sind, die ihn in den bewegten Jahren begleiteten, vielleicht zählen am Ende auch nur der Weg und die Worte eines Autors, der noch viel zu sagen hat und dem man zuhören möchte.
Tumult
- Verlag:
- der Hörverlag
- Bestellnummer:
- 978-3-8445-1658-6
- Preis:
- 21,99 €