Cover: Markus Thielemann, "Von Norden rollt ein Donner“ © C.H. Beck
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AUDIO: Buch des Monats Juli: Markus Thielemanns "Von Norden rollt ein Donner" (4 Min)

NDR Buch des Monats Juli: "Von Norden rollt ein Donner" von Markus Thielemann

Stand: 17.07.2024 06:00 Uhr

Markus Thielemann ist jung, auf einem Dorf in Norddeutschland groß geworden, lebt in Hannover und hat gerade seinen zweiten Roman geschrieben: Er spielt in der Lüneburger Heide und beschreibt die Landschaft als trügerisches Idyll.

von Jens Büchsenmann

Es beginnt wie ein Roman aus dem 19. Jahrhundert, in einer Landschaft, die der junge Autor als "verblühtes Land", als "sacht gewellte Ödnis, gefärbt von braun verholztem Kraut und Sand" beschreibt. Ein eher uncooler Schauplatz, den Markus Thielemann gewählt hat: die südliche Heide, das von Hermann Löns besungene Naturschutzgebiet zwischen Celle und Uelzen.

"Von Norden rollt ein Donner", so der Titel, und schon auf Seite eins "... rollt der Donner und verhallt. Blitzlos. Keines der Tiere zuckt, auch der Hirte nicht." Der Hirte, 19 Jahre jung, heißt Jannes, Hauptdarsteller an diesem nur vermeintlich altmodischen Ort:

"Die Geräusche des Stalls beruhigen ihn. Das von Wand zu Wand rollende Blöken, das wie von einem Regler hochgedreht anhebt, sobald er eintritt, Strohrascheln, das Surren der Halogenlampen, irgendwo kracht ein Horn gegen ein Holzgatter. Das Brummen der Lüfter. Der bekannte Geruch der Schnucken nach feuchtem Stroh und Mist, die Wärme der Tiere." Buchzitat

Ein trügerisches Idyll. In Thielemanns Sprache kommt uns die Heide zugleich fremd und vertraut vor, hier, wo die "Sonne hell und wirkungslos" scheint, wo "Böen sterbende Vegetation übers trostlose Braun der Landschaft blasen". Wo der Autor wortkarge Menschen findet und Wörter wie "kernschroff", "Schattenlaub" und "Fettwiesen".

Die Heide als düstere, gruselige Ödnis

Für seine Recherchen hatte Thielemann vom Land Niedersachsen ein Jahresstipendium bekommen, damals noch unter dem Arbeitstitel "Der Heideknabe", wie der Autor berichtet: "So ganz auf einer ästhetischen Ebene finde ich's schon schön, weil's so was sehr Offenes hat, was man sonst nur in sehr intensiv landwirtschaftlichen Flächen findet. Aber gleichzeitig hat es so was Natürliches. Es hat diese Ödnis und es hat auch etwas Düsteres, Gruseliges, was mich irgendwie angesprochen hat."

Zugleich erzählt Thielemann eine sehr zeitgemäße Geschichte. Vom Wolf, den die ferne Politik ansiedelt, der Schafe reißt, aber nie gesichtet wird. Der, so raunt man im Dorf, seine Brut auf dem nahen Truppenübungsplatz großzieht. Und dann sind da die Schatten der Vergangenheit in Jannes' Familie, in Gestalt einer verwahrlosten Streunerin, die den jungen Schäfer heimsucht.

"Dieses Nebeneinander, das hier so plakativ ist, das wollte ich da drin haben. Und dann musste man gar nicht so viel beschreiben: Denn, wenn man nur das beschrieben hat, was sowieso da ist, hatte man schon diese leicht unterschwellige Düsternis", erklärt Thielemann.

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Spielkartenstapel mit Fragezeichensymbol © Fotolia Foto: Brian Jackson

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Aktuelles Problem: Völkische Siedler

Der Wolf, der nie gesichtet wird, den alle aber gesehen haben wollen, sorgt für handfeste Spannung in dieser Erzählung; Jannes Großvater ist geradezu besessen von dem Tier, holt sich Hilfe ausgerechnet bei einem Nachbarn, der als zugezogener Neurechter Heimat und Brauchtum pflegt mit Sonnenwendfeiern. Die bedächtigen Heide-Bewohner sind ihm ausgeliefert.

"Ein Problem der Lüneburger Heide ist, dass sich hier viele völkische Siedler angesiedelt haben, und das immer noch tun. Sich so ganz langsam in Gemeinden einschleichen und erstmal so zu tun, als wäre man nur esoterisch. Das ist ein Problem, das uns in den nächsten Jahren noch öfter vorkommen wird."

Thielemann: Kraftvolle Sprache voller Poesie

Klingt fast so, als wäre er selbst erschrocken über die politische Kraft, die seine Geschichte schleichend und wie nebenher entfaltet. Schweigen und Verdrängen: Die Alten verklären Hermann Löns als Heidedichter. Zum Wohl des Tourismus, dem die Heideschäfer ihre Existenz verdanken. Mit seinen 32 Jahren ist Thielemann ein großer Roman gelungen. Der in einer kraftvollen Sprache voller Poesie zugleich modern und spannend erzählt wird. Unbedingt lesenswert, gerade hier im Norden!

Von Norden rollt ein Donner

von Markus Thielemann
Seitenzahl:
287 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
C.H. Beck
Bestellnummer:
978-3-406-82247-6
Preis:
23 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 17.07.2024 | 07:20 Uhr

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Romane

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