Stephan Lohr © NDR Foto: Christian Spielmann

Zum Tod von Stephan Lohr: "Er war zutiefst menschlich"

Stand: 27.05.2024 12:33 Uhr

Langjährigen NDR Kultur-Hörerinnen und -Hörern ist Stephan Lohr bestens vertraut als Kultur-Stimme im NDR. Sein profundes Wissen, seine journalistische Gabe, seine markante Stimme bleiben in Erinnerung.

Jürgen Deppe ist Redakteur bei NDR Kultur in Hannover, wo Stephan Lohr lange Jahre tätig war. Beide haben über viele Jahre miteinander gearbeitet und waren befreundet. Ein Gespräch.

Was hat Stephan Lohr für Dich so besonders gemacht?

Jürgen Deppe: Für mich ganz persönlich war Stephan ein großer Mentor, der mir vieles ermöglicht hat. Und damit bin ich nicht allein. Wir alle hier in der Kultur- und Literaturredaktion von NDR Kultur in Hannover haben ähnliches zu erzählen: Stephan hat bei der Hand genommen, Stephan hat Vertrauen geschenkt, Stephan hat ermöglicht. Weil Stephan - im allerbesten Sinn - zutiefst menschlich war. Was sich ja auch immer wieder im Programm niedergeschlagen hat.

Inwiefern? Wie hat sich das im Programm ausgedrückt?

Deppe: Stephan hat zusammengeführt und vieles ermöglicht. Voraussetzung dafür war, dass er in ganz vielen Bereichen - in der bildenden Kunst, in der Literatur, in der Architektur, in Geschichte, Politik, Zeitgeschehen unglaublich belesen und gebildet war. Er kannte ganz viele von den Menschen, die diese Kultur gemacht haben. Noch aus seiner Kölner Zeit war er mit Heinrich Böll und Günter Wallraff bekannt, später mit unter anderem mit Christa Wolf und Margriet de Moor, Günter Grass und Martin Walser - und da kam dann auch wieder das "Zusammenführen" ins Spiel, das ich vorhin schon einmal erwähnt habe: Grass und Walser, die beiden Groß-Schriftsteller ihrer Zeit, waren ja jahrelang tief zerstritten und haben kein Wort miteinander gesprochen, bis Stephan Lohr sie 1994 zusammen in ein NDR Studio eingeladen hat, wo sie zum ersten Mal wieder miteinander diskutiert haben. Sie haben ihm beide - zurecht - vertraut und Stephan zu schätzen gewusst. So war er.

Er hat in "Das Gespräch", im "Sonntagsstudio" und beim "Herrenhäuser Gespräch" Menschen aus unterschiedlichen Sparten oder Genres zusammengeführt und zum Reden gebracht. Auch da wieder: ein toller Redakteur, vor allem aber ein toller Mensch, der Bescheid wusste und dem man vertrauen konnte.

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Sonntagsstudio aus dem Jahr 2022 - Moderation: Stephan Lohr

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Stephan Lohr hat in den 1970er-Jahren in Hannover Lehramt studiert und ist dadurch Schritt für Schritt Vollblut-Hannoveraner geworden. Wie hat ihn das geprägt?

Deppe: Sehr. Er hat sich für alles in dieser Stadt interessiert. Aber auch umgekehrt: Er hat auch Hannover geprägt. Er hat hier Veranstaltungen organisiert, Ausstellungen, Projekte aller Art. Er war hier, wie man so sagt, "bekannt wie ein bunter Hund" - im allerpositivsten Sinne. Aber Stephan war keine "Lokal-Größe" - sonst wird man nicht Stammgast auf allen Buchmessen und Jurymitglied beim Deutschen Buchpreis in Frankfurt, sonst gelingt es einem nicht, Salman Rushdie nach Hamburg zu holen, sonst wird man nicht Programmprägender Mitarbeiter beim Göttinger Literaturherbst. Beim letzten Literaturherbst, da war Stephan schon schwer krank, wollte er trotzdem noch eine Veranstaltung moderieren: Weil er so für die Sache brannte, weil er so unermüdlich war. Dass er nicht unsterblich ist, war Stephan klar. Für mich ist er es. Ich werde ihn nicht vergessen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 27.05.2024 | 16:20 Uhr

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