"Sörensen macht Urlaub": Sven Stricker über seinen neuen Krimi
Am Dienstag ist der neue Fall für Sörensen erschienen - der Kommissar mit einer Angststörung. Im aktuellen Roman von Sven Stricker gehe es "um das Spiel von Lüge und Wahrheit", verrät der Autor im Gespräch.
Die Bücher von Sven Stricker wurden auch erfolgreich verfilmt, mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle. "Sörensen hat Angst" und "Sörensen fängt Feuer" stehen in der ARD Mediathek bereit.
Man kann sich bei Sörensen schwer vorstellen, dass der in fröhliche Urlaubsstimmung kommt. Ist das machbar?
Sven Stricker: Nein, das ist nicht machbar. Er macht nur Urlaub, weil er das unbedingt muss, weil man das so macht und weil er noch Resturlaubstage hat. Am liebsten würde er gar nicht wegfahren, und es ist für ihn eine absolute Tortur, überhaupt einen Fuß vors Dorf zu setzen.
Wie haben Sie für diesen Krimi recherchiert? Haben Sie viel Urlaub gemacht?
Stricker: Das ist eigentlich eine super Idee. Dann gibt es demnächst "Sörensen macht Urlaub 2", "Sörensen macht Urlaub 3"... Nein, habe ich tatsächlich nicht. Ich habe mir nur überlegt, was für einen Angstpatienten wie Sörensen - denn das ist ja seine Backstory - die größte Schikane ist, wenn er endlich irgendwo angekommen ist, wo er sich gut fühlt: nämlich wieder wegfahren zu müssen. Dieser soziale Druck, Urlaub machen und es sich irgendwie gut gehen lassen zu müssen, dem obliegt er auch. Er wird mehr oder weniger dazu genötigt, überhaupt das Land zu verlassen und in den Urlaub zu fahren. Er kommt nicht wirklich weit, muss man dazu sagen.
Natürlich gibt es auch einen Kriminalfall - darum geht es ja auch bei Sörensen. Ich habe mal mit Nele Neuhaus darüber gesprochen, wie sie herangeht, wenn sie einen Krimi schreibt: Sie arbeitet an einer Wand mit Schaubildern und zieht rote Fäden, damit am Ende alles schlüssig bleibt. Wie gehen Sie vor?
Stricker: Das klingt wahnsinnig professionell und schlau, das kann ich leider nicht bieten. Ich fange einfach an zu schreiben und gucke, was passiert - um dann in der Mitte ungefähr festzustellen: Langsam müsste ich auch mal wissen, wie es weitergeht.
Dann arbeite ich wieder ganz viel nach hinten. Ich habe eigentlich immer nur den Anfang und das Ende. Ich weiß, worauf ich hinaus schreibe, und ich weiß, was mein Anfangsbild ist. Und dann lasse ich mich aufs Abenteuer ein. Die guten Tage sind die, wo ich am Ende selber überrascht bin, was die Figuren im Laufe des Tages so erlebt haben. Das sind die, die am meisten Spaß machen und die auch meistens im Buch bleiben. Vieles, was ich mir vorher zurechtkonstruiere, setze ich gar nicht um.
Sie wissen aber schon: Der bringt den um, aus dem und dem Grund - und jetzt muss ich gucken, wie ich die Leute verwirre.
Stricker: Sehr gut, so ist es im Prinzip perfekt zusammengefasst. In dem Moment, wo ich mich selber beim Schreiben langweile, denke ich, ich brauche eine Wendung. Aber die Grundvoraussetzung ist genau so - und dann lasse ich die Figuren laufen.
Was hat Sie diesmal bei dem Thema besonders fasziniert?
Stricker: Letztlich ist es so, dass ich bei jedem Buch versuche, mir ein Thema zu suchen. Und hier geht es eigentlich um das Spiel von Lüge und Wahrheit und um die Angst davor, die Wahrheit zu sagen. Ich habe ein bisschen recherchiert, wie oft wir Menschen im Laufe des Tages eigentlich lügen. Viel zu oft, teilweise 200 Mal, oft aus sozial gerechtfertigten Gründen, die total sinnvoll sind, oft aber einfach nur aus Bequemlichkeit oder weil man jemanden nicht verletzen möchte. Oder weil es einen vorwärts bringt.
Diese Geschichte ist so gebaut, dass keine Figur in der Lage ist, irgendjemandem die Wahrheit zu sagen. Sowohl Sörensen als auch Jennifer, seine Kollegin, haben einen Kriminalfall in ihrem jeweiligen Ort zu lösen. Würden sie nur über die ganze Sache miteinander reden, wäre das Buch nach 50 Seiten zu Ende gewesen. Da sie sich aber permanent anlügen, so wie alle anderen Figuren auch, ist es so, dass sich das Ganze noch ein bisschen dehnt.
Das klingt mega spannend. Wie lange haben Sie daran geschrieben?
Stricker: Anderthalb Jahre. Ich brauche immer relativ lange, damit es hinterher so wirkt, als wäre es so aus der Hüfte gekommen. Ich arbeite sehr viel nach hinten und überarbeite wahnsinnig viel. Das ist so ein bisschen auch eine Schwäche, und da hat Frau Neuhaus wahrscheinlich Vorteile, wenn sie so strukturiert ist. Das bin ich manchmal nicht so richtig.
Die Bücher wurden auch im Fernsehen erfolgreich verfilmt mit Bjarne Mädel als Sörensen. Ist das eigentlich doof für den neuen Roman, wenn alle an Bjarne Mädel denken, wenn sie Sörensen sehen und keiner mehr seine eigene Vorstellung hat? Oder ist das ein Vorteil?
Stricker: Es ist Fluch und Segen zugleich. Es ist mittlerweile auch ein Wahnsinnsvorteil beim Schreiben, denn mir geht es auch nicht anders. Wenn ich Dialoge schreibe, dann sehe ich auch Bjarne Mädel vor mir, wie er das eventuell spielen würde. Das hilft mir sehr beim Schreiben der Dialoge.
Aber gleichzeitig beschränkt das auch die eigene Fantasie. Das geht mir mit den Nebenfiguren genauso: Als ich mir die ausgedacht habe, sahen die anders aus, als Katrin Wichmann als Jennifer oder Leo Meyer als Malte Schuster. Aber tatsächlich sehen die beim Schreiben für mich mittlerweile auch aus wie die Schauspieler.
Hatten Sie da Mitspracherecht?
Stricker: Nein. Aber ich bin schon nach meiner Meinung gefragt worden, und dann wurde sie ignoriert. Aber ich bin total einverstanden. Ich finde die Figuren wahnsinnig gut ausgesucht, und ich mag die Filme total gerne.
Und es spielt im schönen Schleswig-Holstein. Es ist ja auch Ihre Heimat, aber warum war es Ihnen so wichtig, dass auch Ihre Krimis da spielen?
Stricker: Weil ich finde, dass gerade die Gegend oberhalb von Husum so eine unglaubliche Faszination der Kargheit in mir auslöst. Je nach eigener Seelenlage ist es entweder der melancholischste oder der schönste und entschleunigste Ort der Welt - für mich zumindest. Ich brauchte so einen Mikrokosmos, der in sich ein bisschen abgeschlossen ist und der als Spiegel von Sörensens Kopf funktioniert. Das schien für mich die richtige Gegend zu sein. Ich fahre da nach wie vor wahnsinnig gerne hin, um zu recherchieren. Ich liebe das sehr da oben.
Es gibt auch Sonne in Nordfriesland.
Stricker: Das höre ich oft. Das sagen mir immer Leute, wenn ich da Lesungen habe und im Regen stehe: "Hier gibt es auch Sonne." Aber ich liebe das wirklich sehr, auch bei Regen, es entschleunigt so. Das ist so eine Art Mischung, die einzigartig ist für mich. Ich würde meine Heimat diesbezüglich nicht gegen etwas tauschen wollen.
Ist das nächste Buch schon in Arbeit?
Stricker: Ja, ich arbeite am sechsten Teil.
Das Gespräch führten Mandy Schmidt und Horst Hoof.