Slowenien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse - ein Überblick
Das Angebot an spannenden Romanen aus der bislang wenig beachteten Peripherie Europas ist groß, ebenso die Erwartungen der Gäste an die Frankfurter Buchmesse. Wir haben Autorinnen und Autoren in Slowenien getroffen.
Phasenweise gestaltete sich die Pressereise durch Slowenien wie eine Klassenfahrt. Dem Bergmannssohn, Journalisten und Schriftsteller Roman Rozina begegnen wir auf dem Kühlturm der Quecksilberschmelze in Idrija. Sieben Romane und fünf Jahre hat der Sohn einer Steigerfamilie in der dritten Generation gebraucht, um seinen Roman "Einhundert Jahre Blindheit" vorzulegen. Rozina hat als Journalist ganz unterschiedliche Zeiten in Slowenien mitbegleitet. "Sowohl die Blüte wie auch die Zeit, in der der Bergbau hier abgenommen hat und es zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch kam", erzählt Rozina. "Ich habe also sowohl gute als auch schlechte Zeiten dieser Region miterlebt. Natürlich gibt es auch viele persönliche Geschichten, die ich kenne. So waren beispielsweise mein Vater und auch mein Großvater, die im Bergbau gearbeitet haben." "Einhundert Jahre Blindheit" erzählt die Geschichte der Familie Knap und zeichnet ein facettenreiches Bild der slowenischen Gesellschaft im zwanzigsten Jahrhundert.
Krimis: der Stolz von Maribor
"Ich kann nur bestätigen, dass sich hier immer das ganze Dorf trifft, wenn es Veranstaltungen gibt und das ist so schön zu sehen, also auch ich bin Stammgästin." Renata Zamida moderiert im Landhaus des Verlegers Strauts in Volče, die Diskussion von drei Krimiautoren. In diesem Landhaus werden seit 15 Jahren lauschige Lesungen, Lieder- und Musikabende im Stil der 1970er veranstaltet. An diesem lauen Sommerabend berichten die Krimiautoren Tadej Golob, August Demšar und Mirt Komel bei nachhaltig gezogenem Fisch und Bio-Wein in großen Garten des Verlegers davon, dass ihre Kriminalromane die Einwohner von Maribor, der ewigen Konkurrentin der Hauptstadt Ljubljana, mit Stolz über die Beschreibung ihrer Heimatstadt erfüllen würden. Selbstwertgefühl qua Kriminalroman.
Und der Bestsellerautor Tadej Golob klagt, dass er bei den Drehbüchern zur Verfilmung seiner Romane stets übergangen werde. In Slowenien herrsche nach wie vor die Dominanz des Fernsehens. "Wenn ich versuche, die Entwicklung der 1960er zu skizzieren, darf ich Sie daran erinnern, dass Jugoslawien nicht ein Land war, wie all die anderen sozialistischen Staaten."
Unabhängiger Geist in Ljubljana
In Ljubljana sprechen wir mit dem Philosophen Mladen Dolar über die Grundlagen der Freiheit seiner renommierten Schule, aus der auch Slavoj Žižek stammt. Für Mladen Dolar ist dessen unabhängiger Geist gleichsam ein Produkt der geistigen Freiheit von Slowenien. "1969 konnte man in einem Buchladen im Zentrum von Ljubljana alles kaufen. Heidegger, Wittgenstein, Lacan, Roland Barthes, Russel, alles. Auch Foucault, die Arbeiten der Strukturalisten waren frei verfügbar. Es gab zwar kaum Übersetzungen ins Slowenische, aber auf Serbokroatisch waren sie dann schnell da. Und: Wir konnten reisen. 1969 reiste ich das erste Mal nach Paris."
Die Sprache hat nur zwei Millionen Leser
Anja Golob, Trans-Autorin und die bekannteste Lyrikerin im Lande, ist Mitgründerin einer sechsköpfigen Comicverlagskooperative, die in Maribor, der zweiten Stadt im Lande, in einem 14 Quadratmeter kleinen Buchladen mit vier Jobs gleichzeitig um ihr wirtschaftliches Überleben kämpft. "Das Problem ist, dass die Sprache nur zwei Millionen Leser und Leserinnen hat und die kaufen nicht so gern Bücher" erklärt Golob. Selbstausbeutung und Kreativität sind das Rezept der Stunde - nicht nur in Maribor. Jede Bestellung einer Erstauflage wird von der Verlagskooperative mit einem kleinen Geschenk und einer Widmung versehen persönlich verschickt. Vier Jobs halten Anja Zag Golob, die größte Lyrikerin des Verlages, über Wasser. Allen bedeutet der Ehrengastauftritt Sloweniens auf der Buchmesse sehr viel.