"Prana Extrem": Ein Roman mit biografischen und fiktiven Elementen
Joshua Groß spricht im Interview über die realitätsverändernde Kraft literarischer Fiktion. In seinem Roman "Prana Extrem" schreibt er über sein eigenes Leben, über seine eigene Vergangenheit, dennoch fiktiv.
In den Tiroler Alpen ist das Gleichgewicht aus den Fugen geraten: Eine flirrende, subtropische Hitze bringt alles zum Fließen, Joshua und Lisa suchen Kühle mit wildwachsenden Aloe Vera Pflanzen, Skitalent Michael trainiert den Sprung in die ekstatische Höchstleistung, während Oma Suzet am Telefon von neonfarbenen Cocktails in der Südsee schwärmt. "Prana Extrem" heißt das jüngste Buch, mit dem der in Braunschweig lebende Schriftsteller Joshua Groß im Frühjahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde. Ein Roman über Gravitation, Riesenlibellen, rauschhafte Extremerfahrung, Leistung und Intuition, über Freundschaft und den Versuch, in einer immer komplizierter werdenden Welt ein gelingendes Leben zu leben.
Ist Schreiben eine Extremerfahrung? Kann man das so sagen?
Joshua Groß: Ja, wobei ich mich jetzt frage, ob der Begriff der Erfahrung so passend ist. Es ist eigentlich der immerwährende Versuch, extrem zu denken. Ich gehe im Denken immer weiter in das hinein, was ich empfinde, spüre und wahrnehme. Erfahrung ist etwas, was einen vielleicht überkommen würde. Ich glaube, das Schreiben überkommt mich sehr selten. Es ist immer ein sehr konzeptionelles Umgehen mit den Inhalten, mit denen ich mich beschäftige. Ich würde nicht unbedingt sagen kühles, aber doch bewusstes Überlegen, wie ich Umgebungen schaffen kann, mit der Sprache umgehen kann, damit das spürbar wird, was ich spürbar machen möchte. Und dann ist es schon manchmal so, dass ich innerhalb dieser Regeln und Parameter, die ich mir gesetzt und entwickelt habe, dass sich dadurch etwas löst und vielleicht eine Form von Erfahrung möglich wird. Aber ich hoffe eher, dass das eine Erfahrung wird, für die, die die Texte lesen, als eine für mich selbst.
Wenn Sie Ihr Material, Ihren Stoff zusammen haben, ab wann merken Sie, daraus könnte eine Geschichte werden?
Groß: Ich glaube, dass sich die meisten Sachen, die mich interessieren, übersetzen. Ob ich es will oder nicht. Oder sagen wir mal so, sie konzentrieren sich zu irgendwelchen Bildern. Ich sehe ein Bild, und denke mir, darin stecken vielleicht bestimmte Aspekte von Sachen, mit denen ich mich zurzeit beschäftige. Ich beginne mit diesen Bildern zu arbeiten und sie in Bezug zu anderen Bildern zu setzen, in denen auch Denken kristallisiert ist. Wenn ich diese Bilder, Empfindungen, Atmosphären und Wahrnehmungen miteinander in Bezug setze, dann entstehen von selbst Geschichten. Das kommt eigentlich nur darauf an, ob ich dem selbst glaube und nachgebe, denn daraus werden Geschichten. Das ist relativ abstrakt, aber ich habe auch das Gefühl, dass es eine abstrakte Arbeit ist.
In Ihrem Roman "Prana Extrem" mischen Sie Fiktion und Realität. Sie entfalten ein interessantes Vexierspiel zwischen Leben und zwischen Buch. Ich habe mich beim Lesen permanent gefragt, wer spricht jetzt? Ist das die Figur Joshua oder ist das Joshua Groß? Wie haben Sie das angelegt?
Groß: Ich habe das so angelegt, dass es anfangs relativ biografisch ist. Man kann es ziemlich leicht nachvollziehen: Die Orte und die Jahreszahlen. Das ist für mich eher ein Ausgangspunkt gewesen, durch den sich bestimmte Erzählmodi implementieren ließen. Zum Beispiel dieses "Ich". Ich musste keine Figur erfinden, sondern ich habe einfach gesagt, ich bin das selbst mit meiner Partnerin Lisa. Dann vermengt sich das zunehmend. Eigentlich würde man sagen, ab Seite zehn vermengt sich das mit erfundenen Figuren und Orten, mit Begebenheiten, die eigentlich überhaupt nicht erlebbar sind. Deswegen verwässert das Reale darin auf der einen Seite immer stärker. Auf der anderen Seite wird dieses Wegdriften aus der Realität zunehmend zu einer Möglichkeit, um über mein eigenes Leben und meine Vergangenheit nachzudenken und das aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich aus einer, die die Fiktion ermöglicht hat. Das heißt, auf der einen Seite treibt das Reale in das Fiktionale, in das Imaginäre. Auf der anderen Seite gibt es eine ganz starke Rückbindung. Deswegen trifft "Vexierspiel", glaube ich auch ganz gut, weil eine Spannung gehalten wird.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.