Stand: 07.04.2020 12:30 Uhr

Vogeleier in unglaublicher Vielfalt und Buntheit

von Guido Pauling

Es ist wieder Zeit für Ostereier - von kleinen Kindern handbemalt, vorgefärbt aus dem Supermarkt, oder womöglich von Künstlern kreiert. Im Osterkörbchen dekoriert sind diese Schmuckstücke meist sehr hübsch anzusehen. Doch letztlich bleibt es dabei: Kein von Menschen verziertes Ei kann so schön sein wie die von Mutter Natur geschaffenen Exemplare!

Das beweist eindrucksvoll der Bildband "Eier - Ursprung des Lebens", für den der Naturfotograf Paul Starosta die Eier-Sammlung eines Genfer Museums aufgesucht und kunstvoll abgelichtet hat. Wundersam und seltsam und wunderschön: Vogeleier in kaum vorstellbarer Vielfalt und Buntheit.

Dieses längliche, hellblaue Ei zum Beispiel von der Pinselscharbe, einer Kormoranart - sieht es nicht aus wie die Bilder unseres Planeten Erde, aufgenommen aus dem All? Die runden weißen Kreideflecken auf der blauen Schale wirken wie Wolken - und sind doch in Wahrheit ein Schutz gegen Bakterien. Den gleichen Trick wendet der Guirakuckuck aus Südamerika an: Die Kreideschicht ums blaue Ei nutzt sich allmählich ab und zeigt ein faszinierendes Muster, das jedes Ei individuell aussehen lässt.

Einzigartige Kunstwerke der Natur

Aus dem Weltall scheint auch das Ei des Molukken-Großfußhuhns zu stammen: Das Foto wirkt eigentlich wie eine Aufnahme des Planeten Mars. Rostrot, matt und angeraut an der Oberfläche, mit hauchzarten Spuren von Weiß an einigen Poren, wie Eisflächen im planetarischen Maßstab. Ein Blick in den Index verrät jedoch, dass das Ei nur acht Zentimeter lang ist. So, wie Paul Starosta jedes einzelne Exemplar aufnimmt - allein vor schwarzem Hintergrund, und dezent von oben angeleuchtet, nach unten dunkler werdend - ist jedes Eier-Foto ein Kunstwerk. Ganz so wie jedes Ei ein Kunstwerk der Natur ist.

The Eggman - der Eiermann; so könnte man Werner Haller nennen. Der Schweizer sammelte und kaufte im Laufe seines Lebens eine ganze Kollektion von Eiern. Allein 29.000 Eier seiner Sammlung liegen im Naturhistorischen Museum Genf - wo sie Paul Starosta vor seine Makro-Fotolinse kamen. Runde Eier und längliche. Birnenförmige. Keilförmige. Getüpfelte Eier. Bekleckste Eier. Rote Eier - und blaue. Grüne Eier. Und dunkelorange. Auch weiße Eier, klar. Dazu umgekehrt - nahezu schwarze Eier! Ebenholzfarbene, glänzende Eier, wie aus dem Osterkörbchen, noch einmal hübsch mit Butterfingern eingerieben und serviert.

Färbung der Eier dient der perfekten Tarnung

Nix da! Die sind nicht zum Verspeisen gedacht, sondern um Eindruck zu schinden, wie das kurze Vorwort des Biologen Laurent Valloton erläutert: "Die Steißhühner sind ein Fall für sich. Vor allem ist es der Glanz ihrer Eier, der am meisten frappiert. Das ungewöhnliche Sexualverhalten bestimmter Steißhuhnarten erklärt zweifelsohne die Färbung: Das Weibchen legt Eier in die Nester mehrerer Männchen, die sich jeweils ganz dem Brutgeschäft widmen. Man glaubt, dass hier die Färbung der Schale auf besonders legetüchtige Weibchen hinweist und das Männchen veranlassen soll, sich um diese Eier intensiver zu kümmern als um andere."

"Das Ei - Symbol des Lebens", rappen die Beastie Boys in ihrem Song "Egg Man" ganz richtig. So wie die genialen New Yorker Hip-Hop-Jungs sieht es auch der geniale Natur-Fotograf Paul Starosta: Das Ei steht für Leben, für Überlebenstricks wie die schmutzabwehrende Oberfläche, die richtige Form fürs richtige Nest und wenn nötig: die perfekte Tarnung.

Dann entstehen Kunstwerke wie die zwei Zentimeter kleinen Mini-Eier der Zippammer - wahre Meisterwerke der Abstraktion. Selbst mit feinstem Kugelschreiber würde ein Zeichner kaum so zarte, kurvig-elegant gekrakelte Linien auf die fragile Schale auftragen können, wie es ein Zippammern-Weibchen vermag. Klar, ein Bodenbrüter mit einem Nest aus Gräsern und Haaren braucht Eier, die zwischen den Halmen nicht auffallen.

Mit dem Blick des Fotografen gesehen aber fallen sie umso mehr auf und bezaubern mit ihrer Musterung und anmutigen Schönheit. Ein Bildband für Vogelfreunde und Kunstliebhaber gleichermaßen, in dem man andächtig und vorsichtig blättern sollte - kurz: das Buch behandeln wie ein rohes Ei.

Eier - Ursprung des Lebens

von Paul Starosta, Fotos / Laurent Vallotton, Text
Seitenzahl:
224 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
28 x 28 cm, Gebunden mit SU, 200 Fotografien
Verlag:
Elisabeth Sandmann / Suhrkamp
Bestellnummer:
978-3-945543-74-0
Preis:
78,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 12.04.2020 | 16:20 Uhr

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