Literaturnobelpreisträger 2023 ist der norwegische Schriftsteller Jon Fosse © picture alliance/dpa | Susannah V. Vergau

Norwegischer Autor Jon Fosse erhält Literaturnobelpreis

Stand: 05.10.2023 15:09 Uhr

Der norwegische Dramatiker Jon Fosse wird mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Das gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Donnerstag bekannt. Er ist der erste norwegische Literaturnobelpreisträger seit fast 100 Jahren.

Jon Fosse wird für seine innovativen Theaterstücke und Prosatexte ausgezeichnet, die "dem Unsagbaren eine Stimme geben", so das Nobelpreis-Komitee. Fosses Werk umfasst eine Vielzahl von Genres und besteht aus einer Fülle von Theaterstücken, Romanen, Gedichtsammlungen, Kinderbüchern und Essays. "Ich bin überwältigt", sagte Fosse der schwedischen Zeitung "Svenska Dagbladet". Er sei "sehr, sehr froh", habe aber auch ein wenig Angst vor der ganzen Aufmerksamkeit, die der Nobelpreis mit sich bringe.

Jon Fosse: Ein düsterer Melancholiker

Abgeschiedenheit, Ruhe und das Meer: Die Gegend, in der Jon Fosse aufgewachsen ist, sagt viel über den Autor aus. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in einem kleinen Dorf an einem Fjord an der Westküste Norwegens. Seinen Romanen und Theaterstücken haftet oft etwas Melancholisches, Düsteres und auch Mystisches an.

Fosse verhandelt existenzielle Themen mit zartem Humor

Fosses Protagonisten sind oft tief deprimiert und mit ihren Lebensplänen gescheitert. So auch in dem mit dem Ibsen-Preis ausgezeichneten Monolog "So ist das". Darin lässt er einen greisen Künstler auf sein Leben zurückschauen und in eine ungewisse Zukunft blicken. Nach drei gescheiterten Ehen und mehreren Kindern, die ihn schon lange nicht mehr besuchen, ist ihm nur sein Werk geblieben. Fosse lässt existenzielle Themen auf das konkrete und physische Ende eines Menschenlebens treffen. Gleichsam ist das Stück auch von zartem Humor durchzogen. Der NDR hat das Stück 2022 als Hörspiel produziert.

Weitere Informationen
Literaturnobelpreisträger 2023 ist der norwegische Schriftsteller Jon Fosse © picture alliance/dpa | Susannah V. Vergau

Hörspiel: "So ist das"

Literaturnobelpreis 2023 für Jon Fosse. Er ist nach Henrik Ibsen der meistgespielte norwegische Dramatiker. Sein mit dem Ibsen-Preis ausgezeichneter Monolog "So ist das" geht unter die Haut. mehr

Minimalistische Sprache mit viel Rhythmus

Auch Fosses Prosatexte wurden in den vergangenen Jahren immer wieder von der Literaturkritik gefeiert. Auf deutsch erschien unter anderem das Buch "Trilogie" mit den drei Erzählungen "Schlaflos", "Olavs Träume" und "Abendmattigkeit". In diesen geht es um Liebe und Mord, um Barmherzigkeit und Kälte, um den Kreislauf des Lebens und ums Sterben. Geschrieben in einer minimalistischen Sprache, die viel Gefühl transportiert.

Weitere Informationen
Jon Fosse: "Trilogie" (Cover) © rowohlt

Jon Fosse: Liebesgeschichte "Trilogie" über Traum und Wirklichkeit

Fosses tieftraurige Liebesgeschichte erschien 2016 in Deutschland. Ihre Sprache versetzt den Leser mit seiner Sprache in einen Schwebezustand. mehr

"Heptalogie" um den Maler Asle

Als Fosses Opus Magnum gilt eine siebenbändige Reihe um den Maler Asle, der seit dem Tod seiner Frau allein in einem kleinen Ort an der Südwestküste Norwegens lebt. In Deutschland wird die Reihe vom Rowohlt Verlag in drei Büchern veröffentlicht. Die ersten beiden Bände umfasst das Buch "Der andere Name". Band drei bis fünf sind unter dem Titel "Ich ist ein anderer" erschienen. Die letzten beiden Bände sind noch nicht ins Deutsche übersetzt.

In der Tradition von Knut Hamsun und Sigrid Undset

Fosse ist der einer der meistgespielten Theaterautoren der Gegenwart und der nach Henrik Ibsen am häufigsten gespielte norwegische Dramatiker. Bereits drei andere Schriftsteller aus Norwegen haben den Literaturnobelpreis erhalten. Das letzte Mal ist allerdings schon fast 100 Jahre her: 1928 ging der Literaturnobelpreis an Sigrid Undset. Zuvor wurden schon Bjørnstjerne Bjørnson (1903) und Knut Hamsun (1920) ausgezeichnet.

Literaturnobelpreise für den deutschsprachigen Raum

Der letzte Preisträger aus dem deutschsprachigen Raum ist der Österreicher Peter Handke (2019). Insgesamt gibt es 11 Nobelpreisträger und drei Nobelpreisträgerinnen, die in deutscher Sprache geschrieben haben. Zunächst Theodor Mommsen (1902), Rudolf Eucken (1908), Paul Heyse (1910), Gerhart Hauptmann (1912), Carl Spitteler (1919) und Thomas Mann (1929). Nach dem Zweiten Weltkrieg hießen die deutschsprachigen Preisträger und Preisträgerinnen Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972), Elias Canetti (1981), Günter Grass (1999), Elfriede Jelinek (2004), Herta Müller (2009) und Peter Handke (2019).

Weitere Informationen
Jan Ehlert © NDR Foto: Christian Spielmann

NDR Kultur-Redakteur über das Leben und Werk von Jon Fosse

Für Jan Ehlert ergründet der neue Literaturnobelpreisträgers alle Fragen des Menschseins, wie er im Interview erklärt. extern

Die Medaille mit dem Konterfei von Alfred Nobel. © picture alliance / dpa Foto: Kay Nietfeld

Nobelpreis: Eine Geschichte von Ehre, Ruhm und Geld

Der wichtigste Wissenschaftspreis der Welt wurde 1901 erstmals verliehen und geht auf den Erfinder Alfred Nobel zurück. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 05.10.2023 | 07:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur sucht Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Der Franzose Patrick Naudin und der Direktor der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek Robert Zapf bei der Übergabe von persönlichen Gegenständen aus dem Nachlass von Wolfgang Borchert. © NDR Foto: Peter Helling

Zurück in Hamburg: Wolfgang Borcherts Milchzahn und ein Wunschzettel

Die Mutter des Hamburger Autors überließ einst einer Deutschlehrerin in Frankreich ein paar persönliche Gegenstände ihres Sohnes. mehr