Mehr als nur Comic-Autor: Patrick Wirbeleit im Porträt
Mehr als 60 Kinderbücher hat Patrick Wirbeleit bereits geschrieben und jedes Jahr werden es mehr. Dabei hat er eine ungewöhnliche Arbeitsweise. Ein Besuch beim Vielschreiber.
"Mein Mindset ist immer noch so, dass ich tatsächlich glaube, wenn ich zur rechten Zeit am rechten Ort bin, dass ich dann vielleicht doch ein kleines Elfenvolk im Wald entdecke", sagt Patrick Wirbeleit, "oder die magische Tür oder so was." Der Glaube an das Phantastische, das Wunder, die Magie trägt den 52-Jährigen in seiner Arbeit. Auch wenn der Familienvater zweier mittlerweile erwachsener Kinder mit beiden Beinen fest im Leben steht, in seinen Geschichten ist alles möglich.
Patrick Wirbeleit: Vom Einzelhandelskaufmann zum Kinderbuchautor
Der Keim für seine phantasievollen Geschichten ist in seiner Kindheit angelegt worden. In Lüneburg ist er geboren und aufgewachsen und als Kind viel umgezogen. Später ging es für ihn dann Richtung Buxtehude, aufs Land, wo er heute immer noch wohnt und lebt - knapp eine Autostunde von Hamburg entfernt. Das Dorf mit nicht mehr als 500 Einwohnern wurde seine neue Heimat. Hier gibt es weite Felder und dichte Wälder. Die Großstadt war in der Zeit, als er in der Lehre bei Karstadt zum Einzelhandelskaufmann war, verlockend. Doch später war klar: Richtig wohl fühlt er sich nur auf dem Land. "Ich glaube, ich bin ein sehr Energie durchlässiger Mensch. Mich strengt die Stadt an - die vielen Menschen." Auf dem Land findet Patrick Wirbeleit die Ruhe, die er braucht - zum Zeichnen, zum Schreiben und zum Erfinden von Welten.
Die Liebe zu grafischen Geschichten hat früh begonnen: "Meine Tante hat immer diese Petzi-Bücher mitgebracht. Das war sozusagen mein erster Zugang zur Literatur." Weiter ging es klassisch: Asterix und Obelix und natürlich Yps-Hefte. Die konnte er dank eines Freundes, dessen Vater im Vertrieb gearbeitet hatte, bereits eine Woche vor dem Erscheinen lesen. Auf dem Dorf kamen dann die "Lustigen Taschenbücher" und lange Lese-Nachmittage mit dem Kumpel im Kinderzimmer dazu.
Erste Schritte als Zeichner und Autor
Seine Karriere als Illustrator begann eher durch Zufall. Mit einem Kinder-Comic bewarb er sich vor genau 20 Jahren für das Pixi-Jubiläumsstipendium - ein einmaliges Ding. Die 20 Seiten und das Konzept für den Rest kamen an. Er lernte die Lektorin der Pixi-Bücher kennen und erhielt erste Aufträge als Illustrator. Den Comic selbst hat er nie realisiert. "Kein Markt für Kinder-Comics", meinte der Verlag damals. Wie sich die Zeiten ändern.
Der Start als freischaffender Künstler war schwer. "Total schwer", fügt Patrick Wirbeleit an. "Ich bin zur Illustration gekommen, weil ich Kinder hatte und festgestellt hatte, irgendwie muss Knete her. Ich hatte Freunde die journalistisch bei Magazinen gearbeitet haben und die haben mich gefragt, ob ich nicht Illustrationen machen wollte." Für das Wirtschaftsmagazin "Brand Eins" zeichnete er mehr als sechs Jahre. Durch das sichere Einkommen konnte er seine Karriere als Kinderbuchautor aufbauen.
Fasziniert von "Krazy Kat"
George Herriman machte den "Initialschuss" was Comics betrifft, sagt Wirbeleit: "Das hat mich irre beeindruckt und beeinflusst." Herriman erfand 1914 "Krazy Kat". Diesen Comic-Strip zeichnete er knapp 30 Jahre lang. Es ist die nie aufhörende Geschichte einer Katze, die in eine Maus verliebt ist, die sich wiederum die Katze vom Leib halten möchte. Die Zurückweisungen interpretiert "Krazy Kat" immer falsch als Liebesbeweis und so nimmt das Dilemma seinen Lauf. "Ich finde es immer noch faszinierend, was für ein Werk, der Mann hinterlassen hat. Wie wahnsinnig facettenreich man so ein ganz simples Thema variieren kann, finde ich irre", sagt Wirbeleit. "Das hat mir auch immer wieder zwischendurch Kraft gegeben. Wenn ich mal kreativ in einem Loch war und die Sachen rausgeholt habe, hat mir das sehr geholfen."
Wenn sich Patrick Wirbeleit seine Geschichten überlegt, geht das eher subtil vonstatten. Am Anfang steht ein Dialog oder ein Gesprächsfetzen, den er im Kopf hat. "Und dann überlege ich: Wer unterhält sich da eigentlich? Wer sind die Figuren und wo wollen die hin? Es ist aber nicht immer der Anfang einer Geschichte", aber der Dialog taucht immer irgendwann in der Geschichte auf.
Kindergeschichten ohne Reißbrett
Der Autor lässt seine Geschichten aus sich heraus entstehen. Er plottet sie nicht, das heißt, er konstruiert sie nicht am Reißbrett. "Ich lasse mich tatsächlich selber überraschen. Beim Schreiben ist das natürlich sehr angenehm. Ich nehme natürlich auch in Kauf, dass ich manchmal Geschichten noch einmal komplett umarbeiten muss." Für ihn ist es der einzig gangbare Weg, denn "wenn ich die Geschichte einmal durch geplottet habe, weiß ich ja, wie sie ausgeht und dann interessiert sie mich eigentlich schon nicht mehr."
So entstehen Bücher wie "Was zur Hölle?!", "Haus Nr. 8", "Die Brücke der toten Hunde", "Gorm Grimm" oder die "Kiste"-Reihe, um eine Freundschaft zwischen einem Jungen und einer sprechenden Werkzeugkiste. "Mir persönlich fällt es sehr leicht, mir Geschichten für Kinder auszudenken. Einfach deshalb, weil ich meinem kindlichen Ich noch sehr nahe bin und natürlich dadurch, dass ich selber Kinder habe. Dadurch fällt es mir eben leicht, solche Geschichten zu schreiben. Mir fällt auch gar nichts anderes ein."
Projekte mit viel Herz
Ideen hat Patrick Wirbeleit genug. Eine davon trägt der Comicmacher schon etwas länger mit sich. Ob er sie jemals umsetzt, weiß er nicht genau. "Was ich gern mal machen würde, wäre ein Spin-off zu schreiben, mit einer Figur aus dem John Sinclair Universum." Bis dahin hat er aber eine Menge zu tun. Neben den Kindercomics macht er viele Lesungen und Workshops in Schulen. Der Kontakt zu den Kindern ist ihm wichtig. "Das macht mir irre viel Spaß und die Kinder sind jedes Mal begeistert."
In Hamburg gibt es ein Pilotprojekt zur Leseförderung mit Comics. Eine Stiftung finanziert den Kindern einen kompletten Klassensatz seiner Bücher. "Dann komme ich zu denen in die Klasse und wir machen einen Workshop zum Thema: Wie erzähle ich selber mit Bildern eine Geschichte?" Dazu gibt es Material für die Lehrer, damit diese dann für ein paar Wochen mit den Kids etwas erarbeiten - Wirbeleit unterstützt dabei Lehrer und Kinder. Für das Projekt wird er über seine Website kontaktiert. Langweilig wird dem Autor und Zeichner selten. Bleibt abzuwarten, was dem Welten-Erfinder noch alles aus den Fingern fließen wird.