Bildband zeigt das Gesamtwerk der Künstlerin Frida Kahlo
Manchmal tut es richtig weh zu sehen, wie das Werk bekannter Malerinnen und Maler ausgebeutet wird. Eines der Opfer hemmungsloser Vermarktung ist die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo.
Was hätte die mexikanische Malerin wohl gesagt, hätte sie erfahren, dass ihr Konterfei im Jahr 2021 Kaffeetassen, Socken, Handtücher und Duschvorhänge ziert? Dabei hat Frida Kahlo nicht nur die zwei, drei Selbstbildnisse hinterlassen, die millionenfach auf Konsumartikeln kursieren, sondern ein umfangreiches und komplexes Werk.
Als Frida Kahlo ihr "Selbstbildnis mit offenem Haar" malt, bleiben ihr noch sieben Jahre zu leben. Ein ungewöhnliches Werk: Meistens porträtiert die Mexikanerin sich mit roten Lippen, mit auffälligem Schmuck und kunstvoll arrangierten Frisuren. Auf diesem Gemälde verzichtet sie auf solche Attribute. Nichts soll ablenken vom zentralen Motiv: Frida Kahlos Gesicht mit den charakteristisch zusammengewachsenen Augenbrauen. Ungeschminkt, schmal und verletzlich.
In ihren Selbstbildnissen verarbeitet Kahlo existentielle Fragen
Auf einer Banderole am unteren Rand des Bildes erklärt die Künstlerin: "Hier habe ich, Frida Kahlo, mich selbst gemalt, nach meinem Spiegelbild. Ich bin 37 Jahre alt, und es ist der Monat Juli 1947." Die Künstlerin scheint nicht nur sich selbst im Spiegel zu befragen, sondern auch uns - ihre Betrachterinnen und Betrachter. Die dunklen Augen suchen unseren Blick. Ihr Haar trägt die Malerin offen. Als wären wir Freunde, die ins Haus gelassen werden, obwohl die Gastgeberin noch dazu gekommen ist, sich zu frisieren.
Klar ist: Bei dieser Begegnung geht es nicht um Äußerlichkeiten. Verhandelt werden existentielle Fragen: Im Vorjahr hat Frieda Kahlo sich in New York an der Wirbelsäule operieren lassen. Sie weiß nun, dass kein Spezialist der Welt sie von den Schmerzen befreien kann, unter denen sie seit ihrem Verkehrsunfall als 18-Jährige leidet.
"Ich bin nicht gestorben und außerdem habe ich auch einen Grund zum Leben. die Malerei." Die Mexikanerin nutzt das Medium, um den Unfall und seine Folgen zu verarbeiten: Die körperlichen Qualen, die Fehlgeburten. Dennoch gewinnt das Leid in ihren Selbstbildnissen nie überhand. Schmerz und Stärke halten stets die Balance.
Der Bildband zeigt neben vielen Porträts auch Stillleben mit Früchten und Blumen
Die neue Frida Kahlo-Monografie präsentiert alle 152 Gemälde der Künstlerin. Ihre wenig bekannten Stillleben mit Früchten und Blumen ebenso wie die psychologisch genauen Porträts von Weggefährtinnen und Gefährten - und natürlich von Diego Rivera. Als die 22-Jährige den 20 Jahre älteren Maler heiratete, sprach die mexikanische Presse von der "Taube" und dem "Elefanten".
Trotz aller Eheturbulenzen hat die Künstlerin immer die tiefe Liebe betont, die sie mit ihrem Mann verband: "Möglicherweise erwarten Sie Klagen darüber, wie sehr man leidet, wenn man mit einem Mann wie Diego zusammenlebt. Doch ich glaube nicht, dass die Ufer eines Flusses leiden, weil sie ihm freien Lauf lassen."
Zahlreiche Fotos und Briefe erzählen von Kahlos Welt
Ein besonderes Lesevergnügen bereiten die Briefe und Tagebucheinträge, die den biografischen Teil ergänzen. Frida Kahlo - zeigt dieses Kapitel - konnte beherzt fluchen. Besonders, wenn es um die französischen Surrealisten ging: "… diese beschissenen "Künstler" aus der Gruppe um Breton..."
Gegen den Dichter, den sie für unzuverlässig hielt, hegte die Malerin einen besonderen Groll. In einem Brief an ihren Liebhaber Nick Muray macht sie Breton sogar für eine Darminfektion verantwortlich, die sie sich 1939 in Paris zuzog: "Du machst dir keine Vorstellung von dem Dreck, in dem diese Leute leben, und was sie für ein Zeugs essen."
Was könnte man mehr erwarten als eine solche Monografie? Der TASCHEN Verlag legt nicht nur ein wunderschönes, klug kommentiertes Werkverzeichnis von Frida Kahlo vor. Dank zahlreicher Fotos und Briefe bietet der Bildband auch faszinierende Einblicke in die Kunstszene der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - und manchmal auch in die Privatgemächer ihrer Protagonisten.
Frida Kahlo - Sämtliche Gemälde
- Seitenzahl:
- 624 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Herausgeber und Co-Autoren: Luis-Martín Lozano, Andrea Kettenmann, Marina Vázquez Ramos. Übersetzung von Petra Waldraff. Hardcover, 29 x 39,5 cm, 5,42 kg
- Verlag:
- Taschen
- Bestellnummer:
- 978-3-8365-7421-1
- Preis:
- 150,00 €