Heinz Strunk: "Meine Sympathie gehört den Zukurzgekommenen"
Heinz Strunk hat im NDR Fernsehen über seinen neuen Erzählband "Der gelbe Elefant" gesprochen. Dort hat er auch verraten, warum er gerade einen "sexy Militärhaarschnitt" trägt und was er von dem Vorwurf hält, er hätte über den Ostsee-Badeort Niendorf gelästert.
"Ich muss den neuen Look ein bisschen auf mich wirken lassen - ein ganz anderer Heinz Strunk sitzt vor mir", bemerkt Moderatorin Inka Schneider, als ihr der Schauspieler und Autor ihr bei DAS! auf dem Roten Sofa gegenübersitzt. Strunk, fast kahlgeschoren, trägt den Look nicht ganz freiwillig. "Für eine Rolle musste ich mir eine schreckliche Frisur wachsen lassen. Nach der letzten Klappe bestand für mich das dringende Bedürfnis, mich dieser zu entledigen", erzählt Strunk. Und schiebt lachend hinterher: “Deswegen habe ich diesen sexy Militärhaarschnitt gewählt."
"Last Exit Schinkenstraße": Als "Mucker" neben Marc Hosemann
Hinter Strunk liegen die Dreharbeiten für die Amazon Prime Serie "Last Exit Schinkenstraße", für die er auch das Drehbuch geschrieben hat. "Marc Hosemann und ich spielen zwei abgehalfterte Tanzmusiker, zwei Bläser, die aus ihrer Band gefeuert werden. Die Zeit für Bläser-Sections ist vorbei, das ist einfach zu teuer. Weil sie keine Engagements mehr finden und ihnen langsam das Geld ausgeht, denken sie: Vielleicht wäre es eine Idee, es auf Mallorca in der Partyschlager-Szene zu versuchen. Sie reisen auf die Insel - und dann geht es richtig los." Streaming-Start der Serie soll im Herbst sein.
Mit Tanzkapellen kennt sich Strunk gut aus: Bis Ende der 1990er-Jahre tingelte er als Saxofonist der Band Tiffany’s durch Norddeutschland, spielte auf Hochzeiten und Schützenfesten. Die literarische Verarbeitung dieser Zeit machte ihn Jahre später berühmt: Der Roman "Fleisch ist mein Gemüse" (2004) wurde ein Bestseller, kam ins Kino und auf die Theaterbühne. "Das war der Glücksfall meines Lebens", erzählt Strunk. "Es konnte ja keiner ahnen, dass ein Buch über eine norddeutsche Tanzmucker-Band so viele Leute interessieren würde.”"
"Der gelbe Elefant": Heinz Strunks neuer Erzählband
Seitdem hat Strunk etliche weitere Bücher veröffentlicht, meist Romane. Sein neuestes Werk, "Der gelbe Elefant", ist seine zweite Erzählsammlung. Darin: raue, harte, wundersame Alltagsgeschichten, die sich so wenig an feste Formen halten wie der Künstler selbst. Für ihn teilen sich die Erzählungen in zwei Kategorien: Zum einen gibt es Sozial- oder Milieustudien, zum anderen "Edgar-Allan-Poe-artige Geschichten, die fast so ein bisschen Fantasy sind." Strunk bleibt sich dabei treu, die Underdogs in den Blick zu nehmen: "Meine Sympathie gehört eher den Zukurzgekommenen. Die sind literarisch interessanter als Leute, die ein glückliches und zufriedenes Leben führen."
Der erledigte Virologe: Ein Mann kommt nicht dran
Dass zu dieser Gruppe auch ein Virologe gehören kann, beweist die Erzählung "Der erledigte Experte". "In der Corona-Zeit ist der Beruf des Virologen, der bis dahin ja relativ unbekannt war, total in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Leute wie Drosten oder Streeck waren ja quasi in jeder Sendung von Markus Lanz", erzählt Strunk. "In der Geschichte geht es darum, dass ein Experte ganz begierig darauf wartet, in der Sendung seine Expertise abzuliefern, aber er kommt einfach nicht dran. Ganz am Ende bedankt sich Lanz bei allen Gästen, als hätte das Gespräch in voller Länger stattgefunden. Dieser Experte fürchtet nun, dass er wieder zurück muss, quasi vom Virologen-Popstar in sein Bücherwurm-Wissenschaflter-Loch. Und das findet er ganz beklemmend."
Auch wenn Strunk durch Projekte wie die neue Serie oder seine Arbeit mit dem Künstler-Trio Studio Braun (aktuell mit "Coolhaze" im Deutschen Schauspielhaus) viel zu tun hat, versucht er, jedes Jahr ein Buch zu schreiben. Letztes Jahr war dies der Roman "Sommer in Niendorf". Der Ostsee-Badeort hat es Strunk auch privat angetan: Zwei oder drei Mal im Jahr fährt er dorthin und verbringt seinen Urlaub im Strandkorb. "Zwischen der Hysterie von Timmendorfer Strand und Travemünde hat man das Gefühl einer relativen Beschaulichkeit", so Strunk.
Lästerei über Niendorf? "Haben Spießer in den falschen Hals bekommen"
In dem Roman begibt sich ein Anwalt für längere Zeit nach Niendorf, um seine Familiengeschichte aufzuschreiben. Dann lernt er allerdings einen Strandkorbverleiher kennen, der ihn davon abhält und fast ins Verderben führt. Das Buch kam gut an, stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und erreichte Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Doch es gab auch Kritik: Die Lübecker Nachrichten meinten, Strunk hätte mit seinen Beschreibungen von beigefarbenen Jacken, fahrradbehelmten Rentnern und öder Stimmung über den Ort gelästert.
"Das ist auf jeden Fall völliger Unfug. Das haben so ein paar Spießer in den falschen Hals bekommen und gedacht, dass ich irgendwie gegen den Ort anschreibe, was natürlich überhaupt nicht der Fall ist", sagt Strunk zu den Vorwürfen. "Das Buch ist die Essenz aus 20 oder 25 Aufenthalten in Niendorf. Wenn ich diesen Ort nicht so grundsympathisch und angenehm fände, dann hätte ich das anders gemacht." Bei dem letzten Besuch vor ein paar Monaten sei er in dem Ort sehr freundlich aufgenommen worden.