Ferne Reisen: Graphic Novels im November
Graphic Novels können ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Freunde und Verwandte sein. Drei herausragende neu erschienene Bände nehmen den Leser und die Leserin mit auf ferne Reisen.
Roter Schnee
Ein kleiner Junger schlendert singend durch die Reisplantage einer japanischen Hochebene. An einem Baum trifft er auf ein Mädchen, das Maulbeeren nascht. Aus einem kurzen Gespräch wird eine Rangelei und aus der Rangelei eine spezielle Verbundenheit. Diese ist nur eine der zehn Kurzgeschichten von Susumu Katsumata. Sie entführen uns in eine ferne Zeit, in ein ländliches Japan mit seinen Mythen und Geistern, Traditionen und Regeln.
Katsumata mischt seine in schwarz-weiß gehaltenen Zeichnungen mit Figuren, die der "Heidi"-Zeichentrick-Serie entsprungen sein könnten mit weich fließenden Fabelwesen. Dabei ist die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeiten teilweise nicht zu erkennen, was den Geschichten eine anziehende Poesie verleiht.
Veröffentlicht wurden die Kurzgeschichten bereits Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre in japanischen Magazinen. 2005 erschien dann Katsumatas Sammelband "Roter Schnee". Jetzt ist dieser Band auf Deutsch erschienen - eine Lotusblume im verschneiten Manga-Kosmos.
Die Geschichte der Science-Fiction
Ein Kosmos größerer Dimensionen tut sich mit der "Geschichte der Science Fiction" auf, so der Titel der Grapic Novel von Xavier Dollo und Dijbril Morissette-Phan. Ein Buch, das nicht weniger versucht, als ein ganzes Literatur- und Kinogenre zu beleuchten, das voll Weltwissen und Fantasie steckt.
Die Autoren zünden gleich zu Beginn den Fluxkompensator an ihrem 40-Tonner in Buchgestalt und starten mit Vollgas bei den Anfängen. Sie gönnen den Lesenden mit einer Menge Text kaum eine Ruhepause. Viele Porträts, wie über Jules Verne und H.G.Wells, Hintergründe zu Filmen und Büchern, Fakten über Techniken und Querverweise zu Veröffentlichungen präsentieren sie auf knapp 200 Seiten im klassischen Comic-Stil - mal verspielt, mal kompromisslos beschreibend.
Ein starkes Buch - ein massiges Buch. Der Genuss am Stück ist, wie beim Verzehr einer ganzen Schwarzwälder Kirschtorte, nur bedingt zu empfehlen, denn sonst ist mit leichtem Schwindel und Visionen zu rechnen. Science Fiction-Liebhaber wird das allerdings nicht abschrecken.
Lagos - Leben in Suburbia
Sonntagmorgen in einem Viertel der nigerianischen Stadt Lagos. Reverent Akpoborie drängt die Familie zu seinem Gottesdienst. Er, das Familienoberhaupt, so sein Empfinden, gibt den Ton an. Doch schnell wird klar, dem ist nicht so. Die Geheimnisse dieser afrikanischen Mittelstandsfamilie werden Seite um Seite enthüllt - ob es die versteckte Homosexualität des Sohnes oder die uneheliche Schwangerschaft der Tochter ist. Da prallen jugendlicher Freiheitsdrang, bigotte Heuchelei und ein konservativer Wertekanon mit voller Wucht aufeinander.
Elnathan John ist, im wahrsten Sinne, ein ausgezeichneter Autor. Hat er doch vor zwei Jahren Afrikas wichtigsten Literaturpreis, den Prix les Afriques, gewonnen. Runde Dialoge und eine ausgewogene Rhythmik in der Erzählung lassen einen durch das Buch fliegen - unterstützt durch die klaren Zeichnungen von Àlàbá Ònájin. Die Farbigkeit erinnert an die Blumenpracht einer niederländischen Tulpenfarm. Eine wunderbare Bereicherung im Graphic Novel-Segment und eine unterhaltsame Geschichte für kalte Wintertage.