Eva Lohmann: "Ehrlichkeit zeichnet mich als Autorin aus"
Natürlich kennt die Hamburger Autorin Eva Lohmann Konventionen - im Leben wie im Schreiben. Und doch stellt sie sie immer wieder auf den Kopf, in ihren Romanen wie in ihrem Leben. Eine Annäherung.
Eva Lohmann ist introvertiert und aufgeschlossen, findet ihre Energie im Alleinsein und mag die Gesellschaft von Menschen, redet über Ängste, Probleme, ihre psychischen Probleme und ist doch in sich zurückgezogen. Eva Lohmann scheint ein Paradox und ist doch unbedingt stimmig als Person und als Autorin. Wer ihre Bücher liest, lernt eine kluge Erzählerin und genaue Beobachterin kennen, die nicht in das derzeit überstrapazierte autofiktionale Schreiben verfällt, sondern von Leben erzählt - Leben, die plötzlich auf dem Kopf stehen und in denen sich viele wiederfinden. Wie jetzt in ihrem jüngsten Roman. "Das leise Platzen unserer Träume" heißt er.
"Das leise Platzen unserer Träume": Zwei Frauen lieben einen Mann
Es geht um Hellen und Jule. Sie beide lieben den gleichen Mann - oder meinen, ihn zu lieben -, die eine als Affäre, die andere als Ehefrau. Hellen ist eine alleinerziehende Mutter von Zwillingen in Hamburg, die immer so gerade über die Runden kommt. Jule lebt irgendwo auf dem Land vor den Toren der Stadt - immer noch mit dem Traum, schwanger zu werden, obwohl sie schon lange nicht mehr mit ihrem Mann schläft. Es ist David, die Affäre von Hellen. Aus beiden Perspektiven lässt Lohmann die beiden Frauen erzählen, Hellen aus der Ich-Perspektive, Jule in der dritten Person. Sie spielt mit den Sympathien der Lesenden, ergreift niemals Partei, wertet nicht.
"Irgendwann ist jeder schon mal in seinem Leben vor die Wand gelaufen", sagt die 42-jährige Lohmann. Dafür habe sie im Laufe der Zeit eine gewisse Art von Verständnis entwickelt. Als jüngerer Mensch war sie radikaler, dachte in Schwarz- und Weiß-Kategorien, doch mit der Zeit sind Grautöne hinzugekommen. "Ich wollte diese beiden Frauen zusammenbringen, die so unterschiedliche Leben führen, nur durch einen Mann verbunden sind, aber nach und nach füreinander ein gewisses Verständnis entwickeln", sagt sie weiter. Denn Hellen weiß von der Ehefrau Jule. Jule hingegen tappt lange im Dunkeln.
Lohmann: "Getrennt erziehend ist für mich perfekt"
Auch Lohmann ist schon mal vor die Wand gefahren, mindestens einmal. Sie hat eine lange, schmerzhafte Trennung von ihrem Mann und Vater ihrer Tochter hinter sich. Sie träumte ganz konventionell von einer Familie mit Kind, Mann, Haus, einem schönen Beruf. "Ich bin aber jetzt einfach sehr viel glücklicher, auch wenn es manchmal wehtut andere Familie zu sehen, bei denen das Modell funktioniert hat", erzählt die 42-Jährige. "Getrennt erziehend" nennt sie ihr Modell und es ist für sie perfekt. "Ich habe mein Kind zu 50 Prozent, das gibt mir viel Raum zum Arbeiten und viel Raum und Energie, ganz für meine Tochter da zu sein."
Und trotzdem will sie den Roman nicht als autobiografisch verstanden wissen. Auch wenn sie viele Gefühle, Gedanken ihrer beiden Protagonistinnen kennt, aus eigener Erfahrung und aus vielen Gesprächen mit Freundinnen und Bekannten, aus Begegnungen und Beobachtungen. Sehr präzise, in einer klaren Sprache und sehr berührend erzählt sie von diesen beiden Frauen in ihrem Roman. Und schonungslos offen. "Ich bin sehr, sehr mutig, was die Ehrlichkeit angeht, diese Ehrlichkeit macht mich als Autorin auch aus." Denn, so hat sie festgestellt, je ehrlicher sie ist, desto mehr öffnen sich auch die Menschen.
Debütroman "Acht Wochen verrückt" wurde zu Bestseller
Schon in ihrem Debüt "Acht Wochen verrückt" von 2011, das zu einem Bestseller wurde, verarbeitete Lohmann ihren eigenen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Es ist kein Sachbuch, sondern eine genaue, fiktionalisierte Beobachtung eines realen Lebens, in dem nicht alles perfekt läuft, von einer Frau, der ihr Leben ein bisschen zu viel geworden ist. Die existenzielle Frage darin lautet: "Warum bricht ein Mensch zusammen?" In ihrem Sachbuch "So schön still" aus dem vergangenen Jahr beschäftigt sie sich mit der Stärke introvertierter Kinder und Eltern. "Es herrscht immer die Meinung, dass introvertierte Menschen still und verschlossen sind. Das ist aber gar nicht unbedingt der Fall", sagt Lohmann. Tatsächlich drängen sie nur nicht von sich in die Öffentlichkeit, sondern sind von Themen getrieben. Sie schöpfen Energie, wenn sie allein sind, im Austausch mit anderen verlieren sie sie oft.
Sie selbst wuchs mit ihrer Mutter, einem eher ängstlichen Menschen, in der Nähe von Köln auf, ihre Eltern hatten sich getrennt, als sie zwei war. Und obwohl sie immer schon gern las und schrieb, machte sie nach dem Abitur erstmal eine Ausbildung zur Innenausstatterin, schloss eine als Werbetexterin in Hamburg an. "Ich habe lange nicht gewagt, den Traum als Schriftstellerin zu arbeiten, zu verfolgen. Das finde ich heute schade", sagt sie. Inzwischen gibt ihr das Autorinnen-Dasein viele Freiheiten, nicht nur, um sich um ihre Tochter zu kümmern. Lohmann schreibt hin und wieder für Magazine und berät Mütter beim Wiedereinstieg in den Beruf.
Solidarität unter Müttern
Privat versucht sie, andere Mütter und Eltern in der eigenen Mutter-Zeit zu unterstützen. "Ich erlebe diese Form der Solidarität hier in meiner Blase in Ottensen sehr stark", sagt sie. Vielleicht kann sie sich die beiden so unterschiedlichen Frauen im Roman deswegen so ungewöhnlich annähern lassen. Gerade arbeitet sie bereits an einem neuen Roman. Auch darin geht es um ein Thema, das einen Teil ihrer Lebenswirklichkeit widerspiegelt, nicht autobiografisch, aber ehrlich und unbedingt offen jenseits der Konventionen zu denken.