Die Magie des Aufbruchs in der Literatur
Der Januar hat schon immer etwas von Aufbruchstimmung gehabt. Was ist in der Literatur zum Thema Aufbruch zu finden? Eine Spurensuche.
Manchmal riecht ein Aufbruch nach Bananen wie bei Janoschs "Oh, wie schön ist Panama": "P-a-n-a-m-a las er. Die Kiste kommt aus Panama und Panama riecht nach Bananen. Ohhh, Panama ist das Land meiner Träume." Also machen sich der kleine Bär und der kleine Tiger auf den Weg. Dass sie dort eigentlich nie ankommen, ist gar nicht schlimm. Vielleicht ist das Buch gerade deshalb ein Kinderbuch-Klassiker geworden.
Aufbruch in der Phantasie der neue Welten formt
Ein Aufbruch beginnt oft mit einem Impuls, einer Bewegung zum Teil mit dem Bedürfnis nach einem Abenteuer. Kaum jemand hat seine Roman-Protagonisten so weit herumgeschickt wie der Autor Jules Verne. Durch einen Vulkan zum Mittelpunkt der Erde, in 80 Tagen um die Welt oder tief hinunter ins Meer – und das alles Mitte des 19. Jahrhunderts. Nicht umsonst gilt der Franzose als einer der Mitbegründer der Science-Fiction-Literatur. Sein Kollege H.G. Wells brach 1895 in "Die Zeitmaschine" in eine weitere, vierte Dimension auf.
Wenn ich diesen Hebel hinüberdrücke, so gleitet die Maschine in die Zukunft fort. (…) Dieser Sattel ist der Sitz eines Zeitreisenden. Ich werde den Hebel gleich drücken und die Maschine wird losgehen. Ich werde verschwinden, in die Zukunft gehen und fort sein. Wells, H.G. (1895). Die Zeitmaschine.
Einen stilistischen Aufbruch wagte gut dreißig Jahre später ein Ire: James Joyce. Er blickte in seinem Roman "Ulysses" seinen Figuren direkt in die Köpfe, erzählte ihre Gedanken und ihre inneren Monologe gleich mit. Die Geburtsstunde des modernen Romans.
Aufbruch als notwendiges Übel
Wie den Dadaisten das Buch gefiel, ist nicht überliefert. Sie experimentierten ebenfalls und erfanden z.B. das Lautgedicht wie "Anna Blume". Der Hannoveraner Kurt Schwitters musste vor den Nazis fliehen - ein Aufbruch ins Ungewisse für viele Künstlerinnen und Künstler.
Wegen literarischen Verrats an Soldaten des Weltkrieges, für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit: Ich übergebe dem Feuer die Schriften des Erich-Maria Remarque. Historisches Zitat aus einer Radiosendung zur Bücherverbrennung „
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Remarque zwar schon in die Schweiz abgesetzt, wurde aber am Radio Zeuge davon, wie die Nazis in Berlin seine Bücher verbrannten. Durch seinen großen Erfolg mit "Im Westen nichts Neues" war er finanziell unabhängig und ging schließlich in die USA. Diese Möglichkeiten hatten aber nur die wenigsten.
Der Glaube an den Neuanfang
Viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller zerbrachen an den traumatischen Umständen ihrer Flucht. Das Mädchen Hilla Palm bricht in Ulla Hahns Roman "Das verborgene Wort" aus - aus der Enge ihres Elternhauses, aus der Gewalt und dem Dialekt ihrer Kindheit. Sie entdeckt die Welt der Literatur für sich. Aufbruch hier als Chance!
Eine zweite Chance bekam auch Helga Schubert. Als 80-Jährige wurde die Autorin nach einer langen Schreibpause 2020 zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eingeladen. "Der Text ist wirklich durchdacht", sagte sie einmal. "Und ich weiß auch genau, von allen Erzählungen - den hunderten, die ich in meinem Leben geschrieben habe - ist es wahrscheinlich die Beste." Sie gewann als älteste Teilnehmerin mit ihrer Erzählung "Vom Aufstehen". Was ja auch eine Form von Aufbruch ist. Es ist also nie zu spät, um aufzubrechen.