Podcasthosts Jan Ehlert (links) und Daniel Kaiser (rechts) im Gespräch mit US-Autorin Coco Mellors bei NDR Kultur über ihren Debütroman © NDR Foto: Ekaterina Schurygina
Podcasthosts Jan Ehlert (links) und Daniel Kaiser (rechts) im Gespräch mit US-Autorin Coco Mellors bei NDR Kultur über ihren Debütroman © NDR Foto: Ekaterina Schurygina
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AUDIO: eat.Read.sleep: Lammrippchen und Leuchttürme (57 Min)

"Cleopatra und Frankenstein": Coco Mellors über ihren Debütroman

Stand: 31.10.2023 07:29 Uhr

Die US-Autorin Coco Mellors hat viele Jahre am Debütroman "Cleopatra und Frankenstein" gearbeitet und hart dafür kämpfen müssen, damit er erscheint. Im Podcast eat.Read.sleep spricht sie über Ausdauer, Klischees in Beziehungen, Partyleben und Glück.

Die heute 34-Jährige ist aufgewachsen in London, mit 15 in die USA gezogen, wohnt seit 2020 in Los Angeles und war früher selbst ein Partygirl. Aktuell ist sie weltweit unterwegs als literarischer Shooting-Star mit ihrem Debütroman. Mit 25 Jahren hat sie begonnen, am Buch "Cleopatra und Frankenstein" zu schreiben, und hat fünf Jahre dafür gebraucht - am liebsten übrigens in Bibliotheken.

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Die Story von "Cleopatra und Frankenstein" von Coco Mellors

Eine blonde Frau mit langen Haaren und geblümten Kleid sitzt lächelnd auf einem Stuhl (Autorin Coco Mellors bei NDR Kultur) © NDR Foto: Ekaterina Schurygina
"Mein Buch beginnt mit einer Hochzeit und untersucht das Chaos, das folgt", sagt Coco Mellors über ihren Debüt- und Partyroman "Cleopatra und Frankenstein", der im New Yorker Nachtleben spielt.

Darum geht es im Roman: Es ist eine Liebesgeschichte. Boy meets girl. Cleo trifft nach einer Party, es ist kurz vor Silvester, im Fahrstuhl auf Frank. Beide verfallen einander und verbringen einen wunderschönen romantischen Abend. Wie die Podcast-Hosts Jan Ehlert und Daniel Kaiser beide betonen, ist diese Passage wunderschön beschrieben, beide Helden springen ins Glück. Im zweiten Kapitel heiraten die beiden, die Freunde sind skeptisch, weil alles recht schnell geht, aber Cleo braucht ein Visum, damit sie in den USA bleiben kann. Frank hat Geld, sie ist noch Studentin, zwischen den beiden gibt es einen großen Altersunterschied. Die beiden heiraten und das Ganze nimmt seinen Lauf.

Der Roman springt dann in die Flitterwochen und gleichzeitig in die Köpfe der Freundinnen und Freunde, es gibt einen Urlaub in Frankreich, der etwas eskaliert. Man spürt schnell, dass das Motto "und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende" hier nicht eintreten wird, dass die Geschichte mit der Ehe noch einmal weitergeht. Oft auch ganz anders als gedacht. Ein Roman aus dem Partyleben New Yorks, mitten hinein in das Eheleben in New York und Frankreich.

Wie viel Zeit haben Sie für Partys jetzt auf Tour?

Coco Mellors: (lacht) Absolut keine. Meine Partys hier beschränken sich, wenn man so will, auf das Treffen mit meinen Lesern, ein bisschen Tee zu trinken und früh ins Bett zu gehen. Ich habe wenig Zeit während meiner Lesetour.

Du kommst aus London, hast lange in New York gelebt, kennst das Partyleben. Wie viel New York Party ist in deinem Leben?

Buch-Cover: Coco Mellors: Cleopatra und Frankenstein © Eichborn Verlag
Coco Mellors Debütroman "Cleopatra und Frankenstein" ist Eichborn erschienen.

Mellors: Das Buch ist ein Hauch autobiografisch, aber nur, weil ich mit 15 von London nach New York gezogen bin, wo ich bis zum 30. Lebensjahr lebte. Das waren prägende Jahre, ich war in Manhattan auf der High School und habe dort studiert. Natürlich habe ich über eine Stadt geschrieben, die ich in- und auswendig kannte, die ich sehr geliebt habe. Ich habe über das Nachtleben geschrieben, weil ich mich gern mit Themen beschäftige, die zunächst glamourös wirken. Wenn man aber an der Oberfläche kratzt, das Glänzende wegpult, sieht das Innere ganz anders aus.

Auch wenn es im Buch um glamouröse Menschen mit fantastischen Outfits und deren Nachtleben geht, handelt es auch von Einsamkeit, vom Bedürfnis, geliebt zu werden, von der Zerbrechlichkeit des Lebens. Ich sage oft, der Roman fühlt sich an wie "abends ordentlich Party zu feiern - und wie der Kater am Tag danach".

Das klingt nicht ganz wie das glamouröse Leben einer Autorin. Wie hast du geschrieben, wie ging das bei dir zusammen?

Mellors: Als ich mit dem Buch begann, war ich 25 und habe praktisch nur in der Bibliothek geschrieben. Ich habe damals für ein Modemagazin gearbeitet und habe viel geschrieben. Was oft unterschätzt wird, ist die Vorstellungskraft der Schreibenden. Ich war nicht im Nachtclub und habe mir Notizen gemacht. Mit Anfang 20 habe ich eine Menge Anekdoten in Clubs erlebt. Als Mittzwanzigerin habe ich die aus meiner Erinnerung neu geschrieben. Ich war auch nie eine von denen, die bis frühmorgens feiernd durchhält. Damit habe ich praktisch mit 25 aufgehört und danach nur noch geschrieben.

Boy meets girl, dein Buch ist eine Liebesgeschichte. Was ist hier neu, was wolltest du erzählen?

Mellors: Viele von uns kennen das Klischee der jüngeren Frau, die eine Beziehung mit einem älteren Mann eingeht. Ich wollte dieses Klischee der Popkultur untersuchen und mir diese Währung mal näher anschauen: die Jugend und Schönheit. Sie fühlt sich für junge Frauen vielleicht als Macht an - aber ein Großteil meines Romans entzaubert diese Macht. Er untersucht: Wenn du als Frau in einer Beziehung bleibst – fühlt sich das für beide in der Beziehung wirklich so gut an? Im Fall von Cleo und Frank muss man klar sagen: Nein! Es ist eine Liebes- und auch eine Anti-Liebesgeschichte. Viele Liebesgeschichten enden mit der Heirat, das Paar verschwindet im Sonnenuntergang am Horizont. Mein Buch beginnt mit einer Hochzeit und untersucht das Chaos, das folgt. 

Das Buch heißt "Cleopatra und Frankenstein", die Langform für Frank. Inwieweit erschafft dein Frank auch ein Monster mit dem, was er macht?

Mellors: Das wahrscheinlich Außergewöhnliche an diesem Buch ist, dass es aus sieben verschiedenen Perspektiven erzählt, aus der von Cleo, von Frank und von deren Freunden. Die Hälfte der Perspektive ist von Männern in den Mittvierzigern.

Ich war nie an einem Roman interessiert, der nur von einer guten und von einer bösen Person erzählt. Das spiegelt einfach so wenig vom echten Leben wider. Frank hat zwar echt eine Menge Macken, er ist ein Alkoholiker. Er hatte eine schwere Kindheit und versucht, als Erwachsener das Beste daraus zu machen, aber es reicht nicht immer. Manchmal ist er aber wirklich wunderbar. Den Titel des Romans hat meine Mutter erfunden. Im ersten Kapitel geben sich Cleo und Frank genau diese Spitznamen und ich habe gemerkt, es geht eigentlich ja um diese Masken, die sie tragen. Die Masken, die sie tragen, die eigentlich fast Karikaturen sind.

Das ist die Essenz meines Romans, es geht darum, die Masken abzunehmen und die Angst davor, dass die anderen das wahre Gesicht dahinter erkennen. Aber wir wissen oft selbst vielleicht nicht mehr, was sich hinter unserer Maske verbirgt.

Es hat lange gedauert, bis ein Verlag zugeschlagen und ja zu dem Roman gesagt hat. Wie war die Reise bis dahin voller Zurückweisungen?

Mellors: Es fühlte sich Scheiße an (lacht)! Immer und immer wieder zurückgewiesen zu werden, war nicht gerade die Lieblingsepoche meines Lebens, aber ich habe viel daraus gelernt. Von Anfang an habe ich allen erzählt, wie hart es war, dass das Buch einen Verlag kriegt. Mein Vater hat mir gesagt, "erzählt das doch nicht immer, wie viele Verleger dich haben abblitzen lassen! Das klingt doch nicht gut". Und ich dachte, doch, es klingt gut, weil ein Großteil des Autorinnen-Daseins genau aus Entschlossenheit besteht.

Eine der Sachen, die ich gelernt habe, ist der Unterschied zwischen einer harten und einer weichen Absage. Eine harte Absage bedeutet, dass dir jemand  sofort mitteilt: "Wir haben kein Interesse an diesem Manuskript." Oder: "Das würde uns nie interessieren. Das ist nicht das, wonach wir suchen." Oder: "Dieser Text funktioniert auf grundsätzlichen Ebenen nicht."

Die weiche Absage ist die, wo dir die Verlage erst erzählen, was sie alles am Buch lieben, was alles funktioniert um dann zu sagen, "aber letztendlich war der Plot an dieser Stelle nicht packend genug".

Eine weiche Absage ist grausam und schmerzhaft, weil sie so dicht dran am Ja ist, und dann ist es ja doch keine Zusage. Andererseits habe ich so viel positives Feedback über die Zeit erhalten, dass ich nicht aufgegeben habe. Ich dachte, sie nehmen sich so viel Zeit, um mir zu schreiben, was sie toll am Buch finden, sie haben einen klaren Bezug zu den Romanfiguren, da ist Hoffnung. Ich habe das Buch umgeschrieben und zwei Lektoren geschickt, die angeboten hatten, es erneut zu lesen, wenn ich wesentliche Dinge abänderte. Das war die kleine Hoffnungsflamme die ich genährt habe.

Es hat fünf Jahre gedauert, das Buch zu schreiben, fast ein weiteres, um es zu verkaufen, und dann noch einmal zwei, bis es erschienen ist. Das sind fast sieben Jahre. Ich war 25 Jahre alt, als ich begann zu schreiben und nun bin ich 34 und rede immer noch über diesen Roman. Das wäre mein Tipp an Debütautoren: "Hey, seid darauf gefasst, absolut lange über euer erstes Buch zu sprechen! Diese Helden werden lange bei dir bleiben!".

Was hat sich nun durch den Erfolg am dramatischsten für dich verändert?

Mellors: Früher habe ich tagsüber gearbeitet und am Abend und am Wochenende geschrieben. Das Beste ist, dass ich jetzt tagsüber schreiben kann, das ist wunderbar! Ich bin mittlerweile verheiratet, bin im sechsten Monat schwanger. Und jetzt echte Leserinnen und Leser zu haben, nicht nur meine Familie, das ist toll! Mein Traum ist wahr geworden und ich habe einen Riesenspaß, sie in den verschiedenen Ländern und Sprachen zu treffen.

Coco Mellors neue Roman ist bislang nur auf Englisch erschienen. Er heißt "Blue sisters" (Die blauen Schwestern), erscheint wahrscheinlich 2024 auf Deutsch. Drei weitere Romane hat sie bereits in Planung.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | eat.READ.sleep. Bücher für dich | 27.10.2023 | 14:00 Uhr

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