Volker Kitz gehört, als Kind der 1970er-Jahre, zur sogenannten „Generation X“ und in dieser Generation begegnen viele Menschen jetzt einer Situation, auf die man sich kaum vorbereiten kann: Die eigenen Eltern werden alt- und brauchen Hilfe. In seinem jüngsten Buch, "Alte Eltern", das in der letzten Woche (15.08.) bei Kiepenheuer und Witsch erschienen ist, schreibt er über seinen an Demenz erkrankten Vater. Martina Kothe hat das Buch gelesen und mit Volker Kitz gesprochen.
Der Vater von Volker Kitz ist seit vielen Jahren Witwer. Er lebt allein auf dem Land, rund 700 Kilometer vom Sohn entfernt. Bei jedem Besuch entdecken Volker Kitz und sein Bruder neue Eigenheiten: Überall liegen Zettel, scheinbar zusammenhangslos beschrieben. Rückblickend ist klar: Der Vater kämpfte. Er kämpfte gegen das erbarmungslose Vergessen. Volker Kitz fragt sich: „Hat mein Vater den Ausbruch als heimtückisch empfunden, wie wir? Oder spürte er, wie das Wasser stieg, redete bloß mit niemandem darüber, machte seine Ängste und Qualen mit sich aus?“
Weitere Fragen schließen sich an: Wann hat die Krankheit angefangen, das Vergessen? Und was ist überhaupt die Erinnerung? Er sucht nach Antworten in der Literatur, und beginnt zu schreiben: "und ich dachte, es ist auch für ihn gut, wenn ich die Erkenntnisse, die ich durch das Schreiben über ihn gewinne, noch einsetzen kann. Das ist besser, als wenn ich mich nach seinem Tod mit Erinnerung an ihn beschäftige, und dann mit Übergepäck an seinem Grab stehe."
Kitz gelingt es, seinen Vater in einem Pflegeheim in Berlin unterzubringen. Der Autor wohnt nur wenige Straßen entfernt, er besucht seinen Vater so oft wie möglich.
Hätte er einen Rabenvater gehabt, überlegt Volker Kitz, wäre die Bindung an den Vater nicht so stark und vielleicht vieles leichter gewesen. Er kümmert sich und verbringt bis zum Tod des Vaters im letzten Jahr so viel Zeit wie möglich mit ihm. Und dennoch: Das Gefühl, nicht genug zu tun oder getan zu haben, das Gefühl, dass man trotz aller anderen Verpflichtungen im Alltag immer noch mehr hätte tun können, auch das erlebt der Autor: "Ich hab da kein Patentrezept, ich bin dieses Gefühl auch nie so ganz losgeworden. Aber was hilft, ist, zu wissen, dass man nicht der Einzige ist, der das hat und der das durchmacht." Ein kluges, mitfühlendes und sensibel geschriebenes Buch. Voller Respekt und Zuneigung sowohl den alten Eltern als auch den pflegenden Kindern gegenüber. Gute Literatur kann einem in Lebenskrisen helfen. Für viele wird dieses Buch das richtige Buch zu rechten Zeit sein.