Bildschöne Bücher: "Elfriede Mejchar - Grenzgängerin der Fotografie"
Elfriede Mejchar war eine der bedeutendsten Fotografinnen Österreichs. Im Mai 2024 wäre sie 100 geworden. Diesen Jahrestag haben drei österreichische Museen zum Anlass genommen, sie mit einer Ausstellung und einem Bildband zu ehren.
Es ist einer dieser Spiegel, die an Straßenecken stehen und in deren gewölbtem Bild man eine verborgene Kurve einsehen kann. In Elfriede Mejchars Fotografie ragt der Spiegel mitten ins Bild. Die bräunlichen Umrisse einer Wiesenlandschaft mit Obstbäumen liegen dahinter, in der Ferne Hügel, die sich im Dunst verlieren. Wie ein deplatzierter Monitor stört der Spiegel das Idyll. In seinem Rahmen sieht man einen dunklen Acker und ein Gehöft mit hellen Mauern. Die Komponenten wirken aufeinandergeschichtet wie Sedimente und heben sich in ihren Kontrasten deutlich vom milchigen Hintergrund der unscharfen Landschaft ab.
Elfriede Mejchars Vorliebe für "Dreck"
In einem Dokumentarfilm von Harald Burger sprach Elfriede Mejchar von ihrer Vorliebe für Alltägliches, für "Dreck", wie sie es nannte: "Diese gewisse Patina, die die Sachen bekommen, das ist sehr schwierig in Worten auszudrücken, weil es mehr mit Gefühl zu tun hat. Mit Gefühl für Vergangenes, für Gewesenes."
In den Randbezirken von Wien fand Elfriede Mejchar verlassene Industrieanlangen, riesige Tanks, Kräne, verwaiste Maschinen, Straßen an unbewohnten Gebäuden.
Kein Interesse am "entscheidenden Augenblick"
"Mejchar war nicht am sogenannten 'entscheidenden Augenblick' interessiert, auch nicht am Stil der gängigen Reportage-Fotografie ihrer Zeit, vielmehr näherte sie sich ihren Themen auf sehr stark konzeptuelle Weise an", heißt es im Begleitwort des Bildbandes. Diese konzeptuelle Annährung hatte sicherlich auch etwas mit dem archivarischen Aspekt ihrer Arbeit zu tun. Als Fotografin für das Bundesdenkmalamt Wien fotografierte sie Baudenkmäler, Kirchen, Heiligenfiguren. Diese Leidenschaft fürs Bewahren setzte sich in ihrer künstlerischen Arbeit fort.
"Licht und Schatten" heißen die Schwarz-Weiß Fotografien aus den 50er-Jahren, die ein scheinbar menschenleeres Wien zeigen. Elfriede Mejchar arbeitete hier mit starken Kontrasten und Gegenlicht. Da geht ein Mann mit Hut und Mantel an einer Litfaßsäule vorbei, in der Hand eine Aktentasche. Die Schnapswerbung auf der Säule steht direkt vor der tiefen Sonne, niemand ist auf der Straße. Nur der Unbekannte, der einem Scherenschnitt gleich durch eine Stadt ohne Menschen ins Licht geht.
Porträts mit Sinn fürs Vergängliche
Man könnten meinen, dass eine Künstlerin die dokumentarisch, oft seriell Situationen und Orte fotografierte, sich nicht auch noch mit Menschen beschäftigt hätte. Weit gefehlt. Die Porträts, die Elfriede Mejchar in den 50er-Jahren von - damals noch unbekannten - Künstlern wie etwa Friedensreich Hundertwasser, Hans Staudacher oder Maria Biljan-Bilger machte, haben eine zugewandte Nähe. Auch diese Gesichter lichtet sie gekonnt, präzise und mit einem Sinn fürs Vergängliche ab.
Elfriede Mejchar - Grenzgängerin der Fotografie
- Seitenzahl:
- 304 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hirmer
- Bestellnummer:
- 978-3-7774-4304-1
- Preis:
- 39,90 €