Bildband zeigt den Blick der Biene auf die Natur
Der Fotograf Craig P. Burrows wollte die Welt der bestäubenden Insekten besser verstehen. In seinen Aufnahmen mit verändertem Licht wie infrarot- und ultraviolettinduzierter Fluoreszenz zeigt er, wie Bienen sehen.
Sonnenblumen, Gänseblümchen und Co. zieren Postkarten und Kalender. Manchmal könnte man fast behaupten: Es gibt nichts Langweiligeres als Fotos von Blumen. Ein neuer Bildband tritt den Gegenbeweis an und zeigt ganz nebenbei, wie eindimensional die menschliche Weltsicht eigentlich ist. Denn Bienen sehen die Dinge ganz anders als wir.
Eine Frage der Perspektive
Frühling auf dem Balkon. Da begegnet sie mir. Hat sie es auf meine Limo abgesehen? Oder das Brotmesser, an dem noch Honig klebt? Nein, sie biegt ab. Zu meinem Lavendel im Balkonkasten. Der echte Nektar übertrifft offenbar jede andere Süßigkeit.
Die Biene sieht: eine lange Ähre, aus der kleine Blütenblätter wachsen. Grauer Samt mit hellgrünen, winzigen Perlen in den Blütenkelchen. Wo es leuchtet, ist es lecker.
Ich sehe nur: Selig hängt sich die dicke Biene in die lila Blüte, die unter ihrem Gewicht ins Schwanken gerät.
Kein Leben ohne bestäubende Insekten
Aber beginnen wir ganz vorn. Vor ungefähr 60 Millionen Jahren entwickelte sie sich: eine der ältesten sexuellen Partnerschaften auf der Erde.
Am Anfang war nichts. Dann entstand, wie durch ein Wunder, auf unserem blauen Planeten Leben. Lange vor dem ersten Auftreten der Menschen entwickelten die im Boden wurzelnden Pflanzen eine Beziehung zu flugfähigen Wesen. Leseprobe
So heißt es im Bildband "Die Verführung der Biene". Die Befruchtung zwischen den Fortpflanzungsorganen der Gewächse funktionierte nur dank der Insekten, vor allem der Bienen. Sie schleppten Pollen von einer Blüte zur anderen, angelockt durch köstlichen Nektar. Ein Deal, der entscheidend ist - für alles Leben auf der Welt. Die Statistik in diesem Buch ist erstaunlich:
Jeder dritte Bissen, den wir essen, kam durch bestäubende Insekten zustande. Leseprobe
Fotograf Craig P. Burrows zeigt, wie Bienen sehen
Den südkalifornischen Fotografen Craig P. Burrows faszinierte die Welt der bestäubenden Insekten so sehr, dass er sie besser verstehen wollte. Auf welche Reize reagieren Bienen? Wie finden sie auf Wiesen oder in der Stadt Pollen und Nektar? Seit 2014 hat Burrows sich deshalb spezialisiert auf Fotografie mit verändertem Licht wie infrarot- und ultraviolettinduzierter Fluoreszenz. Das heißt: Er zeigt, wie Bienen sehen. Die Fotos beginnen zu leuchten. Wie etwa bei der Aufnahme einer Rainfarn-Phazelie: Auf haarigen Stängeln sitzen dichte, buschige Blüten, zartrosa. Wie Korallententakeln ragen Staubblätter heraus. An deren Spitze das Objekt der Begierde: helle Pollen.
Viel Wissenswertes über die Biene
Der Bildband versammelt neben Fotos von Zwergfuchsien, Alpenveilchen oder Zwiebelblatt-Orchideen auch Illustrationen, Infografiken und Essays von Bienenkennern, darunter Imker, Krankenschwestern, Biowissenschaftler, Mikrobiologen.
Wir erfahren, dass Menschen Kästen bauen - sogenannte Bienenbeuten - und diese oft mit kontrastreichen Mustern bemalen, die den Tieren Orientierung geben sollen. Völlig unnötig. Im Foto zeigt sich nämlich: Bienen sehen davon nichts, nur die leuchtenden Nektarreste, die sie selbst am Kasten hinterlassen haben. Oder dass wiederentdeckter, 3.000 Jahre alter Honig aus dem Alten Ägypten dank seines hohen Zucker- und niedrigen Wassergehalts sogar noch genießbar ist.
Und wie eine Welt ohne Bienen aussähe: Es gäbe weder Kartoffeln, noch Kohl, noch Tomaten, noch Beeren. Dazu gehört dann auch der Appell an unsere ökologische Verantwortung für Natur und Klima.
Pflanzen-Fotos erinnern an Unterwasseraufnahmen
Die Texte sind sachlich, auch überraschend - manchmal aber einen Hauch zu pathetisch formuliert. Der wirkliche Schatz des Bandes sind aber ohne Frage die Fotos. Mit ihrer ganz ungewöhnlichen Farbpalette zwischen Lila, Blau und Pink erinnern sie an Unterwasseraufnahmen. Die Pflanzen schimmern und beben förmlich, werfen sich in Schale, betonen regelrecht ihre Reize, die für das menschliche Auge eigentlich unsichtbar wären.
Golden funkelnde Pollen, hauchdünne Härchen, zerfaserte Adern des Blütenblatts. Dieser Perspektivwechsel stupst etwas an in mir. Ja, es gibt tausend Arten, die Welt anzuschauen. Die anziehende Wucht des Lavendels auf meinem Balkon zum Beispiel.
Die Verführung der Biene
- Seitenzahl:
- 192 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Cornelia Panzacchi
- Verlag:
- Knesebeck
- Bestellnummer:
- 978-3-95728-805-9
- Preis:
- 38 €