Stand: 16.04.2020 13:12 Uhr

Die einzigartige Karriere der Angelika Kauffmann

von Lenore Lötsch

Sie wurde "Wunderkind" genannt und "Karrierefrau", der Dichter und Goethe-Freund Herder beschrieb sie als "vielleicht kultivierteste Frau Europas". 100 Jahre bevor Frauen Kunstakademien besuchen durften, hatte die Malerin Angelika Kauffmann eigene Werkstätten und Salons in London und später in Rom.

Eine Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast, die im Januar eröffnet wurde, feiert die gebürtige Schweizerin als "Influencerin des Klassizismus". Auch diese Ausstellung ist natürlich geschlossen, voraussichtlich bis zum 19. April. Der Bildband zeigt eine Entdeckungsreise ins 18. und 19. Jahrhundert - und eine der erstaunlichsten Frauen der Kunstgeschichte.

Ihren Sarg trugen Maler, Architekten, Schriftsteller, die wichtigsten Vertreter der Kunstakademien, und der Trauerzug am 7. November 1807 war lang und tränenreich. Die letzten beiden Historienbilder von Angelika Kauffmann flankierten ihren Sarg und rührten die Trauergemeinde noch einmal.

Bescheidenheit und Gattentreue auch nach dem Tod

Eigentlich war ein Ehrengrabmal neben Raffael im Pantheon für sie vorgesehen. Doch was ließ die zu diesem Zeitpunkt wichtigste Frau der Kunstgeschichte auf ihren Grabstein schreiben: Sie bevorzuge es, neben ihrem Mann bestattet zu werden, "mit dem sie im höchsten Einvernehmen gelebt hat."

Bescheidenheit und Gattentreue also. Angelika Kauffmann hatte in ihrem Leben gelernt, wie sie selbst nach ihrem Tod noch aufzutreten hatte, um die Neider nicht laut werden zu lassen. Dabei war doch sie die Malerin. Ihr Mann und ihr Vater übernahmen in ihren Ateliers nur die Aufgabe von Assistenten.

An Selbstbewusstsein mangelte es der gebürtigen Schweizerin nicht. Mit 12 malt sie sich als Sängerin mit Notenblatt: Gepuderte Perücke, mehlweißes Gesicht, Perlenohrringe, rosa Seidenschleifen am geschnürten Rokokokleid. Nur die braunen Augen wirken in all der Kulisse echt, staunend, direkt.

Eine Künstlerin mit zwei großen Talenten

Angelika Kauffmann ist ein Doppeltalent: Schon als Kind wird sie für ihre Sopranstimme auf Konzertreisen gefeiert. Als ihre Mutter 1757 stirbt, da ist Angelika 15, entscheidet sie sich, die Karriere als Sängerin aufzugeben und die Malerei zu ihrem Beruf zu machen. Ihr wichtigstes Selbstbildnis erzählt von diesem Wendepunkt.

Sie malt sich als Herkules, ausgerechnet den männlichsten, kraftvollsten Helden wählt sie aus. Während der sich im bekannten Motiv zwischen Tugend und Laster entscheiden muss, malt sie sich am "Scheideweg zwischen Musik und Malerei" grazil, idealisiert, mit weißem, wallendem Rüschenkleid und unschuldigem Blick.

"Wäre sie Sängerin geworden, hätte sie am Hofe als Mätresse fremdbestimmte Arbeit leisten müssen. Der Ruhm wäre so vergänglich gewesen wie ihre Schönheit. Dagegen verhieß die Malerei ein zwar arbeitsames, aber dafür selbstbestimmtes und tugendhaftes Berufsleben", schreibt die Kuratorin und Kauffmann-Expertin Bettina Baumgärtel im Katalog.

Heute belustigen Kauffmanns dramatische Motive

Modern wirken die Selbstbildnisse und großen Historienbilder von Angelika Kauffmann nicht. Eher belustigt schaut man auf die Leidenden und Liegenden, die Posen, die dramatisch vor das Gesicht gehaltenen Hände, die Finger, die in die Ferne zeigen. Viel Stoff bietet sich da heute für Memes, dieses Internetphänomen, bei dem Kunstwerke mit ironischen Untertiteln verbunden werden. Allzu tugendhaft und zu pathetisch scheint dieser Klassizismus zu sein, um ihn im 21. Jahrhundert neu und ernsthaft zu entdecken.

Aber dass sie eine Meisterin des Porträts war, erkennt man auf den ersten Blick. Etwa, wenn sie den Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann als Gelehrtenideal in Szene setzt: in Hauskleidung, ohne Perücke, mit schütterem Haar und Geheimratsecken hält Winckelmann die Schreibfeder in der Hand. Was hier strahlt, ist allein der Kopf: Alles ist Stirn, alles ist Denken, alles ist Erkennen im Blick der abgewandten Augen.

Malerin und geschickte Geschäftsfrau gleichzeitig

Angelika Kauffmann ist eine Pionierin und Geschäftsfrau, die die Mechanismen des Kunstmarktes beherrscht. Die sind im 18. Jahrhundert gar nicht so anders als heute. Sie pflegt Umgang mit Kaisern, Königinnen, Adeligen und einflussreichen Bürgern aus ganz Europa. Imagemaking durch das Treffen mit Celebrities - nennt man das neudeutsch.

Sie organisiert ihren Atelierbetrieb in London und Rom straff: standardisiert Bildformate, malt ohne Skizzen, gleich mit dem Pinsel und ausschließlich in Öl auf der Leinwand, lädt an einem Tag bis zu drei Personen für Malsitzungen ein.

Die Nachfrage nach ihren Werken ist so überwältigend, dass der dänische Botschafter Schönborn 1781 an den Dichter Klopstock schreibt: "Die ganze Welt ist verrückt nach Angelika!"

Bildband mit Blick auf eine feministische Kunstgeschichte

Der Bildband aus dem Hirmer-Verlag bringt detailliertes Wissen und kunstwissenschaftliche Einschätzungen zum umfangreichen Werk von Angelika Kauffmann. Der Malerin selbst kommt man dabei selten nah. Trotzdem liefert dieser Band spannende feministische Kunstgeschichte. So wie beim Gruppenbild der Gründungsmitglieder der Royal Academy aus dem Jahr 1773.

Angelika Kauffmann gehörte als eine von zwei Frauen dazu, doch man sucht sie auf der Zeichnung im Aktstudiensaal zunächst vergeblich. Ein Männerbund als wogende, ausgelassene Masse vor dem nackten männlichen Modell. Ein Porträt von Angelika Kauffmann an der Wand schaut auf das Geschehen: Der - übrigens auch im Vergleich mit männlichen Kollegen - wichtigsten und erfolgreichsten Porträtmalerin des 18. Jahrhunderts räumt die männlich-dominante Arroganz ihrer Zeit nicht mehr als die Rolle eines Requisits, eines Ausstattungsstücks ein.

Verrückt nach Angelika Kauffmann

Seitenzahl:
208 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Beiträge von B. Baumgärtel, I. M. Holubec, J. Myssok, H. Valentine 144 Abbildungen in Farbe 23,5 x 28,5 cm, gebunden
Verlag:
Hirmer Verlag
Preis:
45,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 19.04.2020 | 17:40 Uhr

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