"Ajay und die Tintenhelden": Indische Straßenkinder zwischen Abenteuer und Armut
Varsha Shah ist eine britische Autorin mit indischen Wurzeln - und in ihrem Debüt erzählt sie nicht nur eine spannende Geschichte, sondern vermittelt auch Fakten über Fast Fashion und das Leben in den Slums vom Mumbai.
Der zwölfjährige Straßenjunge Ajay arbeitet als Zeitungsverkäufer in Mumbai, ist aber fest entschlossen, ein berühmter Journalist zu werden. Und auch seine Freunde haben große Träume: Vinod, ein "Unberührbarer", will nicht nur Tellerwäscher, sondern Koch sein. Jasmin, die in einer Textilfabrik arbeitet, will eigene Designs entwerfen, Ingenieursgehilfe Saif will selbst Maschinen konstruieren. Saif ist es dann auch, der eine alte Druckerpresse repariert, weil Ajay es sich in den Kopf gesetzt hat, eine eigene Zeitung herauszubringen. Aber wo soll Ajay eine Geschichte herkriegen, die die Menschen dazu bringt, seine Zeitung zu kaufen? Er hat einfach keine Idee.
Niedergeschlagen und mit hängendem Kopf lief er durch die Schatten des Slums mit seinen baufälligen Hütten und dem Labyrinth an Gängen, als plötzlich ein schriller Schrei die Luft durchschnitt. Leseprobe
Der Wahrheit auf der Spur
Sehr geschickt macht das die Autorin Varsha Shah. Sie erzählt witzig und plaudernd aus Ajays Perspektive, platziert ganz nebenbei Beschreibungen der Lebenswelt der Straßenkinder - und schafft immer wieder Cliffhanger zu richtig spannenden Situationen.
Ein Pulk Männer hatte sich zwischen den Hütten zusammengerottet. Einige von ihnen hielten Metallstangen in den Händen, andere waren mit Säcken und Hämmern ausgerüstet und nagelten Zettel auf Holzpfosten. Der größte von ihnen stieß gerade einen alten Mann zu Boden: "Misch dich noch einmal ein, du Slumratte, dann schlage ich dich grün und blau!"
Währenddessen schossen die anderen Männer im Licht der Öllampen Fotos von den aufgehängten Zetteln und rissen sie dann wieder ab, um sie in die Säcke zu stopfen.
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Sehr merkwürdig, findet Ajay. Er schnappt sich einen Zettel und rennt weg. In sicherer Entfernung guckt er sich den Text an. Es ist eine Bekanntmachung:
ANKÜNDIGUNG: Die Slums werden in einem Monat beseitigt. Dabei werden alle Hütten und anderen Gebäude auf diesem Gebiet abgerissen. Einspruch muss innerhalb von sieben Tagen erfolgen.
Das Viertel sollte zerstört werden und niemand sollte Zeit haben, die Ankündigung zu lesen und Einspruch zu erheben.
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Da hat Ajay seine Geschichte für die Zeitung. Und es wird nicht die einzige bleiben. Er berichtet über Kinderarbeit in einer Textilfabrik, die kurz darauf einstürzt. Er legt sich mit einflussreichen Menschen an und merkt, dass die Wahrheit auch denjenigen schaden kann, die er eigentlich schützen will.
"Ajay und die Tintenhelden": Vielschichtiger Kinderroman
"Ajay und die Tintenhelden" ist ein vielschichtiger Kinderroman, der ernste Themen und die Beschreibung einer ganz anderen Gesellschaft in eine Abenteuergeschichte mit Witz und Spannung verpackt. Natürlich ist es in Teilen ein romantisierter, märchenhafter Blick auf die Situation indischer Straßenkinder, die Realität ist eine andere. Aber das Buch gibt immerhin eine Idee von Ungerechtigkeit, einem Leben in Armut und den Auswirkungen von Fast Fashion. Im Glossar sind übrigens viele Begriffe erklärt und Links zum Thema ergänzt.
Ajay und die Tintenhelden
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Kinderbuch
- Verlag:
- Atrium
- Bestellnummer:
- 978-3-85535-686-7
- Preis:
- 15 €
- FSK:
- ab 10 Jahren