Zum Tod von Friedrich Schorlemmer: "Diese Zivilcourage fehlt"
Friedrich Schorlemmer ist am Montag im Alter von 80 Jahren verstorben. Der ehemalige bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erinnert sich im Interview an den Theologen.
Herr Bedford-Strohm, wie erinnern Sie sich an Friedrich Schorlemmer ganz persönlich?
Heinrich Bedford-Strohm: Es hat mich natürlich sehr betroffen gemacht. Ich bin traurig. Er war ein großer Deutscher, ein sehr besonderer Mensch. Was mich an ihm immer beeindruckt hat, war seine Sensibilität, aber auch seine Klarheit in seinen öffentlichen Stellungnahmen. Er hat pointierte Meinungen vertreten, und er hat das für mich repräsentiert, was Martin Luther mal die Freiheit eines Christenmenschen genannt hat: Aus einer inneren Kraft, die vom Glauben her kommt, aber auch in aller Klarheit öffentliche Orientierung geben - das ist für mich Friedrich Schorlemmer.
Können Sie sich erinnern, wann und wie Sie sich kennengelernt haben?
Bedford-Strohm: Es war in der Gesellschaft für evangelische Theologie, deren Vorsitzender ich lange Zeit war. Wir haben da immer Tagungen gemacht - da hat er über Globalisierung gesprochen. Das ist schon viele Jahre her, ich kann das genaue Jahr nicht sagen. Da hat er diese klaren Positionen vertreten. Aber richtig nahegekommen sind wir uns dann bei einer Tagung in Bad Alexandersbad in Bayern, wo ich als bayerischer Landesbischof war, wo wir über sein Werk diskutiert haben. Und dann ganz besonders im Reformationsjubiläumsjahr 2017 in Wittenberg: Da war ich auch bei einem Kreis von Freunden bei ihm in der Wohnung eingeladen und habe ihn später, 2021, noch mal in seiner Wohnung besucht. Da hat er schon gemerkt, wie die Kräfte nachlassen. Wir haben da intensive Gespräche gehabt, und es ist wirklich so etwas wie Freundschaft entstanden.
Friedrich Schorlemmer hatte in der DDR immer einen Standpunkt gehabt. Schwerter zu Pflugscharen - das war für ihn mehr als ein Wort; er hat das 1983 in Wittenberg tatsächlich auch umgesetzt und ein Schwert umschmieden lassen. Und später, in der Wendezeit, war er ebenfalls einer, auf den man als eine Orientierungsfigur schaute. So eine Rolle nimmt man ja nicht aus Versehen ein. Was hat Friedrich Schorlemmer angetrieben?
Bedford-Strohm: Bei ihm war immer wieder die tiefe Verwurzelung im Glauben deutlich. Ich habe ja immer wieder davon gesprochen, dass wer fromm ist, auch politisch sein muss, und Friedrich Schorlemmer war für mich das Beispiel dafür. Denn es war ganz klar, dass sein pazifistisches Engagement, sein Engagement in der Friedensbewegung, überhaupt sein politisches Engagement, den Glauben als Wurzel hatte. Martin Luther war für ihn sehr wichtig, er hatte ein Buch verfasst, was ich in meinem Seminar an der Uni Bamberg über Martin Luther auch sehr gut verwenden konnte, weil es mitten hinein gesprochen hat ins Leben. Diese Wurzel, ein tiefer Glaube, ist der entscheidende Punkt auch für sein öffentliches Wirken gewesen.
Viele, die Friedrich Schorlemmer erlebt haben, können das sicher bestätigen: Er hat genau zugehört, aber auch klar gesprochen. Er ist keinem Konflikt aus dem Weg gegangen. Wie sehr fehlt so eine Persönlichkeit, gerade im Moment?
Bedford-Strohm: Ja, ich glaube schon, dass er fehlt. Denn er war nicht einer - so wie man das jetzt öfters erlebt -, der Gefühle, insbesondere negative Gefühle, angestachelt hat, der gehetzt hat, der populistisch dahergeredet hat, den Leuten nach dem Mund geredet hat. Wir haben das heute viel zu viel. Sondern er war einer, der klare Positionen hatte und auch den Mut, sie da zu vertreten, wo nicht viele Leute Beifall geklatscht haben. Für diese Zivilcourage steht er, so wie Martin Luther dafür gestanden hat. Diese Zivilcourage fehlt, und ich bin immer dankbar für alle Menschen, die solche Zivilcourage zeigen. Die, die es tun, tun das in gewisser Weise in Fortführung dessen, was Friedrich Schorlemmer so wichtig war.
Das Gespräch führe Anna Novák.