Welche Wirkung hat das Tempo in der Musik auf uns?
Was passiert im Körper, wenn wir schnelle oder langsame Musik hören? Ein Gespräch mit dem Neurowissenschaftler Stefan Kölsch, der als Professor für Biologische Psychologie und Musikpsychologie forscht und lehrt.
Herr Kölsch, Sie unterrichten seit acht Jahren in Norwegen, einem Land, das für seine riesigen Weiten bekannt ist. Haben Sie in diesen Landschaften ein anderes Gefühl von Zeit oder Tempo?
Stefan Kölsch: Das würde ich nicht sagen, das Land ist ja sehr unterschiedlich. Ich wohne in Bergen - das ist eine relativ kleine Stadt, verglichen mit vielen deutschen Städten, aber auch hier tummeln sich die Menschen. Da ist das Zeitgefühl vielleicht ein anderes als oben auf den Bergen. Außerdem ist Norwegen bekannt für seine Heavy Metal-Szene. Dadurch bekomme ich gerade von den Studenten viel Heavy Metal-Musik mit, die viele eher als aggressiv empfinden, und die Heavy Metal-Enthusiasten eher als motivierend und ermutigend.
Wie wichtig ist denn das Musiktempo? Was passiert im Körper, wenn wir schnelle Musik hören?
Kölsch: Das Tempo von Musik ist ganz entscheidend für die grundlegenden emotionalen Effekte von Musik, die in Richtung Aktivierung auf der einen Seite und Beruhigung auf der anderen Seite gehen. Langsame Musik, die beruhigt, kennen wir alle. Zum Beispiel als beruhigende Wiegenlieder, die wir Neugeborenen und jungen Babys singen. Allein durch den langsamen Charakter der Musik beruhigt das die Babys. Angenehmer Nebeneffekt: Uns Eltern beruhigt das auch oft, weil wir beim Singen lange ausatmen und nur kurz einatmen. Das allein hat schon eine beruhigende physiologische Wirkung auf den Körper.
Wir kennen umgekehrt schnellere Musik als aktivierend. Viele nutzen das zum Sport. Wenn man bei YouTube "120 beats per minute" eingibt, dann kriegt man eine Stunde lang Musik fürs Workout. Gerade die etwas schnellere Musik führt dazu, dass wir uns noch aktivierter, noch motivierter fühlen. Bei Tanzmusik ist es so, dass sie zu dem Tempo der Tanzschritte passen muss.
Gibt es bestimmte Lebenssituationen, für die Sie ein bestimmtes Tempo empfehlen würden - mal abgesehen vom Tanzen oder vom Laufen, wo man einen bestimmten Rhythmus selbst vorgegeben hat?
Kölsch: Wenn wir uns zum Beispiel zu Sport motivieren wollen, sollten wir Musik auflegen, die uns tatsächlich motiviert, und das kann auch gerne Musik sein, die ein bisschen schneller ist. Auf der anderen Seite ist es ganz wichtig - gerade für Personen, die vielleicht Schwierigkeiten haben, sich mit Musik zu motivieren, oder merken, dass sie sich mit Musik eher in eine Negativspirale begeben - Musik so einzusetzen, dass sie einem gut tut. Bei Patienten mit Depressionen ist es oft so, dass sie eher langsame, traurig klingende Musik hören, weil sie sagen: Das passt zu meiner Stimmung, da fühle ich mich verstanden und nicht alleine mit meinen Problemen. Sie merken dabei nicht, dass sie sich mit dieser eher negativ klingenden und meistens eher langsamen und demotivierenden Musik in so eine Abwärtsspirale begeben, aus der sie dann nicht mehr den Ausstieg finden. Für solche Personen ist es ganz wichtig, in so einer Situation Stück für Stück Musik aufzulegen, die nicht nur zu der Stimmung passt, in der man sich gerade befindet, sondern zu der Stimmung passt oder führt, in die man kommen möchte. Das kann in einer Situation, in der man sich demotiviert fühlt und eher langsam, traurig klingende Musik hört, dann Stück für Stück Musik sein, die wieder motivierender klingt, vielleicht fröhlicher, ermutigender, heldenhafter oder triumphaler.
Und ist das auch umgekehrt so? Gerade in den letzten Jahren ist das Leben so viel schneller geworden - bräuchte man dann zur Entschleunigung eine langsamere Musik?
Kölsch: Gerade wenn man zum Beispiel Schlafschwierigkeiten hat, kann man Musik nutzen, um sich zu beruhigen und sich runterzubringen. Das ist dann meistens etwas langsamere Musik. Man kann Musik auch dazu nutzen, seine negativen Gedankenspiralen abzustellen - zum Beispiel indem man sich auf die Musik konzentriert, mit der Musik aus- und einatmet oder zur Musik klopft. Dann hat das Gehirn keine Ressourcen mehr für die negativen Gedankenspiralen.
Das Interview führte Franziska von Busse.