Zur Buchmesse: Was macht den Reiz der italienischen Sprache aus?
Italien ist das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse. Was macht die italienische Sprache so besonders? Ein Gespräch mit der Übersetzerin Annette Kopetzki.
Frau Kopetzki, Sie arbeiten seit 1998 freiberuflich als Übersetzerin aus dem Italienischen. Was macht für Sie den Reiz der italienischen Sprache aus?
Annette Kopetzki: Die Lebendigkeit, der Klang, die Schönheit, die vielen Dialekte, ich liebe die Dialekte, obwohl sie ein furchtbares Übersetzungsproblem darstellen. Aber das ist so typisch für Italien, die regionale Vielfalt - und das liebe ich sehr an der Sprache.
Wenn man sich anschaut, wen Sie alles übersetzt haben, dann kommt das einem so ein bisschen vor wie das Who is Who der italienischen Literatur: Roberto Saviano, Andrea Camilleri, Fabio Stassi, Alessandro Baricco. Sind da auch Bücher dabei, die Sie selbst lesen, verschenken, empfehlen würden?
Kopetzki: Ja, ich übersetze eigentlich immer nur das, was mir gefällt. Es gibt ganz wenige Bücher, die ich ungern übersetzt habe. Aber inzwischen kann ich mir aussuchen, was ich übersetze. Und das sind Bücher, die ich liebe.
Was sind Trends, die Sie in der letzten Zeit beobachtet haben?
Kopetzki: Das ist ganz eindeutig: Es gibt sehr viel mehr Frauen. Ich habe selbst in diesem Jahr drei - und davon zwei Debüts - übersetzt. Das sind ganz erstaunliche Debüts: Eins ist bei Suhrkamp erschienen, die hatten einen sehr guten Riecher, das ist ein großartiges Buch: "In den Wald" heißt es. Dann gibt es die Tendenz, sich endlich mit der kolonialen Vergangenheit Italiens zu beschäftigen. Das ist vor allen Dingen Francesca Melandri, die da einen großen Erfolg mit ihrem Buch hatte. Und natürlich die somalische Diaspora: Es gibt einige somalische Schriftstellerinnen, etwa Igiaba Scego, die inzwischen sehr berühmt ist und die sich mit der kolonialen Vergangenheit beschäftigt. Das ist sehr interessant. Im Vergleich zu 1988, wo Italien zum letzten Mal Gastland auf der Buchmesse war, da gab es die großen Autoren, alles Männer, und es gab den Boom der italienischen Literatur. In diesem Jahr bin ich etwas skeptisch, ob der Hype länger anhält.
Warum bezweifeln Sie das?
Kopetzki: Weil ganz große Namen fehlen. Außerdem wird weniger gelesen - das merken wir sehr deutlich. Die ganze Buchbranche hat damit zu kämpfen, dass wenig gelesen wird. Anspruchsvolle italienische Literatur findet im Schnitt 3.000 bis 4.000 Leser.
Im Vorfeld der Buchmesse hat es Diskussionen gegeben um die Autorinnen und Autoren, die zur Buchmesse nach Frankfurt reisen, entweder als Teil der offiziellen Delegation oder auf Einladung der deutschen Verlage. Der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde vorgeworfen, dass sie nichtgenehme und regierungskritische Stimmen von der Buchmesse ausschließen und sich zunehmend in den Kulturbetrieb einmischen würde. Was wissen Sie darüber? Und macht Ihnen das Sorge?
Kopetzki: Das kann man eigentlich nicht sagen, dass sie Schriftsteller ausgeschlossen hat. Wahr ist, dass sie das bekämpft, was sie als linke Hegemonie des Kulturbereichs bezeichnet, und dass sie Schriftsteller mit Prozessen überzieht, dass sie Fernsehsendungen von Roberto Saviano abgesetzt hat. Aber die etwa hundert Autoren und Autorinnen, die zu der Gastdelegation gehören, spiegeln eigentlich die derzeitige italienische Literatur ganz gut. Aber es sieht nicht gut aus. Man man muss sich nur mal anschauen, wie viele junge Autoren und Autorinnen nach Berlin emigriert ist. In Italien haben sie keine Perspektive mehr. Ein sehr erfolgreiches Buch von Giulia Caminito, "Das Wasser des Sees ist niemals süß", beschreibt die Perspektivlosigkeit der Jugend, die nichts anderes kennengelernt hat als Berlusconi-Regierungen, wo es nach dem Studium keinen Arbeitsplatz, keine Möglichkeit gab, sich weiterzuentwickeln. Da gibt es auch eine Reihe von Neuerscheinungen, die sich mit dieser Zeit beschäftigen.
Sie haben anfangs gesagt, Sie lieben die italienische Sprache - ich glaube, es geht vielen Menschen in Deutschland so. Was sagt dieser besonders schöne italienische Klang über die italienische Kultur aus?
Kopetzki: Es hat wahrscheinlich etwas mit der Oper, der Operette, mit der Rolle der Musik zu tun. Diese Sprache ist musikalisch, und für die Übersetzungen ist das schon schwierig. Es ist nicht so, dass das Deutsche im Vergleich hart und sperrig klingt - es gibt sehr viele Möglichkeiten im Deutschen, man kann auch sehr viel mit der Syntax machen. Ich versuche, ganz oft Assonanzen zu erzeugen, also den Klang auch irgendwie im Deutschen wiederzugeben. Aber natürlich, wenn man es laut liest, speziell mit dialektaler Färbung, ist das etwas so Individuelles und so Schönes. Womit man nicht sagen darf, dass wir in Deutschland nicht auch so eine Vielfalt haben - wir pflegen sie nur nicht so.
Das Gespräch führte Franziska von Busse.