Vom Brautwagen zum perfekten Foto: Hochzeitsbräuche im Wandel der Zeit
Im Schlossmuseum in Jever gibt es eine reiche Sammlung an historischen Brautmoden. Die Historikerin und Museumsleiterin Antje Sander hat dort im vergangenen Jahr die Ausstellung "Ja, ich will" kuratiert.
Im Interview spricht sie über die Geschichte der Brautkleider und über Hochzeitsbräuche in Norddeutschland.
Frau Sander, im 19. Jahrhundert waren Brautkleider in Friesland auf keinen Fall weiß und vielseitig einsetzbar, richtig?
Antje Sander: Ja. Kleidung war ohnehin in den vergangenen Jahrhunderten etwas sehr Kostbares, Stoffe hatten schon ihren Wert. Das ist ganz anders als heute, wo man manchmal ein Kleidungsstück nur ein Wochenende lang trägt. Gerade Festtagskleider waren besonders kostbar und eine große Anschaffung für den normalen Menschen. So war es auch, dass man sich zur Hochzeit ein Festtagskleid anschaffte beziehungsweise manchmal auch eins vererbt bekam. Besonders praktisch war es, wenn es ein zeitloses Kleid war, in einer Farbe, die als elegant galt - und das war überwiegend das schwarze Kleid - das war einfach zu reinigen.
So hat sich diese Mode bei uns in Norddeutschland zum Teil bis in die 1950er-Jahre gehalten. Da gibt es auch Brautkleider, wo die Braut in Schwarz erscheint und einen weißen Schleier hat. Viele kennen das von Fotos ihrer Urgroßeltern in der Zeit um 1900. Man konnte das Kleid dann auch zu anderen Anlässen, ausstaffiert mit besonderen Accessoires, umändern.
Wann ist denn das Blütenweiß in Mode gekommen?
Sander: Das Blütenweiß ist bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Mode gekommen. Vorher war es aber durchaus beim Adel und in den höheren Gesellschaftsschichten schon beliebt. Berühmt ist ja, dass Königin Victoria in Weiß geheiratet hat. Es gibt aber auch bei uns in der Sammlung im Schlossmuseum Hochzeitskleider aus den 1920er- und 1930er-Jahren, die auch schon in Weiß oder in Cremeweiß gehalten sind. Besonders schön ist ein Kleid aus den 1920ern im Charleston-Look, ohne Korsett zu tragen und sehr modisch; vielleicht hat es die Braut nachher auch noch ein bisschen umgeändert als Festtagskleid.
Bei so einer bäuerlichen Hochzeit in vorindustrieller Zeit ging es auch darum, dass ein Hof weitergeführt wird, dass Familien zusammengeführt werden. Wie sah so etwas in Friesland aus, Mitte des 19. Jahrhunderts?
Sander: Mitte des 19. Jahrhunderts war es so, dass die Hochzeit auch immer ein Zusammenführen von zwei Höfen bedeutete. Es hatte dann auch eine Ursache, um die Vermögen zusammenzubringen. Daher spielte dann auch der Brautwagen eine ganz wichtige Rolle, der mit Möbeln und allem Sachgut durch das Dorf zum Hof des Mannes gefahren wurde, um die Mitgift der Braut zu zeigen. Das war so eine öffentliche Dokumentation: Wir gehören jetzt zusammen, und diese beiden Höfe sind jetzt ein Wirtschaftsbetrieb, aber auch auf Dauer angelegt.
Auf der Hochzeitseinladung einer Kollegin stand neulich, dass alle Damen in wunderschönen, pastellfarbenen Abendkleidern kommen sollen, damit die Fotos besonders gelingen. Ist das ein Trend, das perfekte Foto, und alles wird drumherum organisiert?
Sander: Der Wunsch danach ist unheimlich groß geworden, das merken wir auch bei uns im Schlossmuseum. Wir ermöglichen ja auch das Heiraten bei uns im Schloss, und seitdem der Fokus nicht mehr auf der kirchlichen Heirat liegt, sucht man eine Location, die den perfekten Hintergrund für das perfekte Bild abgibt, für das perfekte Video, für das perfekte Ereignis. Das spielt in unserer modernen Zeit durch Social Media und die Selbstdarstellung darin eine ungleich größere Rolle als in vergangenen Jahrhunderten.
Die Ansprüche werden auch immer größer: Es gibt zum Beispiel diese amerikanische Sitte, dass der Ring nicht mehr vom Trauzeugen gebracht wird, sondern von einem Kind im Roll-Buggy oder von einem Hund. Die Dinge, die man irgendwo im Fernsehen gesehen hat oder auf Social Media, sollen dann auch bei der eigenen Hochzeit stattfinden.
Was ist die größte Hochzeitspanne, die auf Schloss Jever passiert ist?
Sander: Wir hatten natürlich auch schon Riesenkutschen, wo die Pferde ordentlich geäpfelt hatten, aber auch arme Tauben, die nicht aus ihren Käfigen wollten und dann im Schlosspark herumgeirrt sind. Das waren alles Dinge, die zeigen, welche Fantasie man hat, um diese Feier möglichst einzigartig zu gestalten.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.