Museum für Natur und Umwelt Lübeck: Wissenschaft zugänglich machen
Die neue Ausstellung im Museum für Natur und Umwelt Lübeck "Grundwasser lebt!" zeigt, wie wichtig eine gelungene Vermittlung von wissenschaftlicher Forschung in Museen ist.
Vom 3. Februar bis 1. September 2024 ist im Lübecker Museum für Natur und Umwelt die Sonderausstellung "Grundwasser lebt!" des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz zu sehen. Grundwasser ist eine unverzichtbare Ressource, über die nur wenig Kenntnis herrscht. Doch wie vermittelt man komplexe wissenschaftliche Forschung einem breiten Publikum? Ein Gespräch mit Museumsleiterin Dr. Susanne Füting.
Warum eine Ausstellung über Grundwasser?
Susanne Füting: Grundwasser ist eine unverzichtbare Ressource, wir brauchen sie zum Leben, aber wissen viel zu wenig über Entstehung, nachhaltige Nutzung und darüber, wie wir das Grundwasser schützen können. Die Speicher werden nämlich schneller geleert, als sie sich wieder füllen. Zudem wird an vielen Orten das Wasser verunreinigt. Wir haben es auf der einen Seite mit Überschwemmungen zu tun, anderswo fehlt das Wasser. Wasser wird von uns in einem Maße verbraucht, wie es nicht mehr verträglich ist. Manchmal ist uns das nicht bewusst, weil wir einem gekauften Produkt nicht ansehen, wieviel Wasser verbraucht wurde, um es herzustellen. Letztlich ist es eine wichtige Zukunftsfrage für zahlreiche Lebewesen und Ökosysteme auf der Erde, ob auch morgen sauberes Süßwasser vorhanden ist.
Inwieweit ist auch Lübeck davon betroffen?
Füting: Wie viele andere Städte verzeichnet auch Lübeck mehr Starkregenereignisse und es geht zum Beispiel darum, dass das Wasser nicht einfach oberflächlich abfließt, sondern dass es unversiegelte Flächen gibt, wo es versickern kann. Es geht auch darum, das kostbare Regenwasser nicht in der Kanalisation mit dem Schmutzwasser zu vermengen. Am Museum selbst hatten wir eine Baumaßnahme in 2023, wo die Wasserleitungen getrennt wurden und auch ein Regenrückhaltebecken, eine sogenannte Rigole, eingesetzt wurde. Damit werden Überschwemmungen vermieden und die Neubildung von Grundwasser gefördert.
Wie ist bei Ihnen im Haus das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Vermittlungsarbeit?
Füting: Museen betreiben Wissenschaft und sprechen darüber. Sie sammeln und bewahren, forschen, stellen aus und vermitteln - so auch wir. Themen, über die wir am Haus forschen, präsentieren wir dann unserem Publikum in unseren Ausstellungen, Veranstaltungen und Veröffentlichungen. Wir sind ein mittelgroßes Haus und haben über 200.000 Objekte in den Sammlungen - wie zum Beispiel Insekten und Pflanzen sowie Steine, Mineralien und Fossilien in den geologischen Sammlungen. Herausragende Objekte bei uns sind versteinerte Wale aus der Region. Wir tun uns vielfach mit anderen Naturkundemuseen und Forschungsinstituten zusammen, zum Beispiel um Ausstellungen zu realisieren oder Forschungsvorhaben umzusetzen. Unsere Sammlungsbestände und unsere wissenschaftlichen Expertisen ergänzen sich oft prima, das ist sehr hilfreich. Mit dem Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz verbindet uns schon lang eine enge Zusammenarbeit. Die Hauptforschungsrichtung dort liegt auf dem Gebiet der Bodenbiologie. Wir freuen uns sehr, dass wir bei der aktuellen Sonderausstellung von der Expertise der dortigen Forschung profitieren können.
Wie finden dann die teils sehr komplexen Forschungsergebnisse Einzug in Ihre Ausstellungen?
Füting: Ich bin Biologin und habe im Team noch eine Geowissenschaftlerin an meiner Seite. Wir haben also die sich gut ergänzenden fachliche Expertisen, sind darüber hinaus aber beide auch als "Allrounderinnen" gefragt: Wir lesen sehr viel - besonders fachliche Artikel, die einen guten Überblick geben - und sprechen auch mit Expert:innnen, die wissenschaftliche Veröffentlichen gemacht haben. Wir müssen dann aus den sehr komplexen Themen die Essenz herausziehen und vermitteln. Es ist fast wie eine Art Übersetzertätigkeit. Unsere Aufgabe ist es, relevante Themen aufspüren und sie verständlich, anschaulich, packend und begeisternd darzustellen. Wir besprechen unsere eigenen Ausstellungstexte im Team und sie durchlaufen immer mehrere Runden, bis alles passt. Nach Möglichkeit werden sie auch an Textbüros gegeben, die sich auf Ausstellungstexte spezialisiert haben. Da werden die Texte nochmal geglättet und es wird dafür gesorgt, dass der Stil einheitlich ist. Es ist auch wichtig, die Texte noch einmal Personen zu geben, die mit dem Haus nichts zu tun haben. Wenn für diese Tester:innen alles verständlich ist, können wir die Texte nutzen. Für die Vermittlung von Wissenschaft nutzen wir außerdem weitere Möglichkeiten, wie zum Beispiel originale Objekte, Modelle und Medienstationen.
Wo ist denn dann der "Sweet Spot" zwischen Forschungsergebnissen und Verständlichkeit?
Füting: Das beschäftigt mich schon seit dem Studium, da habe ich beispielsweise parallel schon viele Führungen im Museum gemacht. Im direkten Kontakt kriegt man sofort mit, ob man fachlich abgehoben redet oder ob der Sachverhalt verständlich beschrieben wurde. Ich denke, es geht dabei auch um die Freude, den Menschen das näherzubringen, was mich selbst begeistert. Dann springt der Funke über und es gibt "Aha-Erlebnisse" beim Gegenüber. Das ist letztlich das Spannende an meinem Beruf: dass ich genau an dieser Schnittstelle bin, als Wissenschaftlerin das Know-How zu haben, die Themen so zu präsentieren und zu vermitteln, sodass sie klar rüberkommen.
Haben Sie da ein Beispiel in Ihrer aktuellen Sonderausstellung?
Füting: Ein ganz wichtiger Punkt, um komplexe wissenschaftliche Themen zu vermitteln, ist es, Interesse zu wecken, in dem dort angesetzt wird, wo die Menschen selbst betroffen sind beziehungsweise wo sie in ihrem eigenen Umfeld etwas von einem Thema mitbekommen. Also am Beispiel Grundwasser: Wo kommt eigentlich das Wasser her, das ich trinke? Wie ist die Wasserqualität? Wie wird die festgestellt? Wie kann ich gärtnern, ohne dabei kostbares Trinkwasser einzusetzen? Wir setzen auch bei Bekanntem an. Die meisten haben mal in der Schule gelernt, wie der Wasserkreislauf lokal läuft. Dass das Grundwasser am Kreislauf beteiligt ist, ist für viele neu, und dass es sehr, sehr lange dauert, bis es von der Oberfläche wieder im Speicher angekommen ist, das erschließt sich im Alltag eher nicht. Diese Zusammenhänge werden in der Ausstellung sehr anschaulich vermittelt. Ebenso wie die überraschende Tatsache, dass es in den oberen Grundwasserschichten - also in den Ritzen und Spalten zwischen Sand und Kies oder in den Höhlen von Kalkgestein - einen eigenen Lebensraum gibt mit besonders angepassten Organismen, die dort unverzichtbare Jobs machen. Die sorgen nämlich mit dafür, dass das Grundwasser sauber ist, indem sie Bakterienrasen abfressen und die Grundwasserleiter durchlässig bleiben. Die Ausstellung heißt nicht ohne Grund "Grundwasser lebt!".
Wie nehmen Sie denn das Interesse im Allgemeinen an naturwissenschaftlichen Inhalten wahr?
Füting: Ich sehe großes Interesse in der Gesellschaft an dem, was uns umgibt: Was sind das für Tiere und was sind das für Pflanzen? Das gilt auch für das Thema Grundwasser, das ist ja zunächst sehr abstrakt, weil es im Verborgenen liegt - unter unseren Füßen eben. Doch es gibt großes Interesse an dem Thema.
Wir haben den Anspruch, Basiswissen über Zusammenhänge zu vermitteln, aber auch Handlungswissen - also was ich tun kann, damit ich nicht in meiner Betroffenheit resigniere. Daher geben wir zum Ende der Ausstellung einen positiven Ausblick, was wir für eine gesicherte Grundwasserversorgung tun können, zum Beispiel durch Entsiegelung von Flächen oder indem wir die Begradigungen von Flüssen zurückbauen, weil sich gezeigt hat, dass es damit große Probleme gibt.
Gerade jetzt in Zeiten von Fake News, die im Internet kursieren, wo sehen Sie Ihre Rolle als naturwissenschaftliches Museum?
Füting: Ich denke, wir nehmen eine sehr wichtige Rolle ein. Wir werden als eine Einrichtung verstanden, die verlässliche wissenschaftliche Informationen gibt. Mit dem, was wir hier an Phänomenen, Zusammenhängen und Fakten vermitteln, gehen wir daher sehr sorgfältig um. Alles muss fundiert sein und muss einer Überprüfung stets standhalten. Wir vermitteln auch, wie naturwissenschaftlich gearbeitet wird - also wie Wissenschaft vorgeht, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Denn wenn man das weiß, dann ist man auch gefeit gegen Fake News.
Das Interview führte Anina Pommerenke.