Mord im Musikbusiness: "Ballade einer vergessenen Toten"
Heftige Auseinandersetzungen, identitäre Erschütterungen und Mord - das gibt es hier zum Glück nur vor dem Mikrofon. Felix von Manteuffel, Katrin Wichmann und Leonie Landa haben unter der Regie von Sven Stricker im Kriminalhörspiel "Ballade einer vergessenen Toten" gespielt.
Um die Abgründe des Musikgeschäfts geht es in Liza Codys Roman "Ballade einer vergessenen Toten", den der NDR als zweiteiliges Hörspiel umgesetzt hat. Eine junge Musikerin, die in den 1980ern mit ihrer Frauenband ein Megastar war, wird auf dem Höhepunkt ihres Ruhms brutal ermordet. 25 Jahre später beschließt die erfolglose Schriftstellerin Amy, ihre Biografie zu schreiben - und die gerät schnell zur Mordermittlung.
Teil 1 und Teil 2 der "Ballade einer vergessenen Toten" hören Sie jetzt in der ARD Audiothek. Beide Teile stehen für ein Jahr kostenlos zum Download.
Im NDR-Studio wird ein Konflikt zwischen "Cindi" und "Amy" inszeniert
An den Mikrofonen im Studio des NDR-Geländes am Rothenbaum sprechen die Schauspielerinnen Leonie Landa als süßlich-bauernschlaue kalifornische Schönheit "Cindi" und Katrin Wichmann in der Hauptrolle "Amy" mit Verve ihre Texte ein. Wüsste man nicht, dass hier gespielt wird, könnte man meinen, hier eskaliert gleich etwas.
"Und ihr schuldet mir Geld." - "Ihnen schulde ich gar nichts, ich hab mit Keitel eine Abmachung." Zitat Hörspiel
Cindy möchte Amy eine Kiste mit belastendem Material verkaufen: Tagebuchaufzeichnungen aus den 80ern von der damaligen Managerin der Frauenband. Die unscheinbare Biografin ist dafür extra von London nach L.A. geflogen. Zusammen mit dem älteren Freund "Stuart", gesprochen von Felix von Manteuffel, der das gespielte Gezicke der beiden Kolleginnen im Studio amüsiert verfolgt.
"Außerdem glaube ich Ihnen nicht, ich glaube, Sie haben die Kiste gar nicht..." Zitat Hörspiel
Eine Entdeckungsreise für Leonie Landa
Leonie Landa umgarnt in ihrer Rolle als mädchenhaft einfache Schönheit mit gespieltem Augenaufschlag den deutlich älteren "Stuart", gespielt von Felix von Manteuffel. Ihr ist die Spielfreude anzusehen. Die 28-Jährige hat bereits für verschiedene Hörspiel- und Hörbuchproduktionen am Mikrofon gestanden: "Rollen, die ganz anders sind, als ich selber bin, die fordern mir am meisten ab, aber die machen auch am allermeisten Spaß." Für die Hamburgerin ist das Spiel neuer Charaktere auch immer eine Entdeckungsreise: "Das ist es, was ich herausfinden möchte: Was macht die Psyche, was für Ecken und Winkel finde ich da noch im Kopf - das ist eine große Herausforderung und eine große Freude."
Spielfreude im Studio auch bei Felix von Manteuffel
Landas Freude überträgt sich auch auf Regisseur Sven Stricker und das Team im Studio. "Leonie, du tust mir ein bisschen weh, aber es macht sehr viel Spaß, dir zuzuhören. Das musst du unbedingt beibehalten", lobt Stricker die Darstellerin. "Und Felix, bei dir ist dieses Amüsierte noch nicht so richtig drin. Dass du eigentlich Spaß hast an der Situation." Die Spielfreude sei in dem Moment zu spüren gewesen, als die Oberschenkel sich, laut Text, berührten, bemerkt er. "Amy fühlt sich komplett provoziert - als Frau, als Person, nicht gesehen, nicht ernst genommen. Das ist ihr ewiges Trauma", erklärt Stricker. "Nochmal bitte!" Von Manteuffel setzt die Anmerkung sofort um. Und der nächste Take sitzt. Der Schauspieler ist der Erfahrenste im Studio. Sein Hörspiel-Debüt: 1981 in der Hörspielserie "Per Anhalter ins All".
Sven Stricker beim Nostalgietrip in die 1980er
Für Regisseur Sven Stricker war die Vorbereitung ein kleiner Nostalgietrip: "Ich hab wahnsinnig viel Musik mitgebracht, die leider überhaupt keine Rolle spielen kann für dieses Hörspiel. Zumal wir ja auch ein bisschen die Anarchie dieser Band mit reinnehmen müssen. Aber da ich tatsächlich einen sehr, sehr großen Plattenschrank habe, und meine Zeit die 80er waren, konnte ich da einiges anschleppen."
Katrin Wichmann denkt an Frauenbands der 1990er
Katrin Wichmann in ihrer Rolle als Biografin und Fan hat bei der Vorbereitung auf ihre Rolle an Frauenbands gedacht, die ihr wichtig waren, zum Beispiel "Hole" aus den 1990ern: "Das kann ich total nachvollziehen, dass man genau wissen will, was da passiert ist? Man hat Idole und lernt sie kennen und dann merkt man: Die sind ja gar nicht so toll, wie ich eigentlich gedacht hatte."
Figuren ringen mit Bedeutungsverlust
Der Kriminalfall spielt in der "Ballade einer vergessenen Toten" für Regisseur Stricker eine eher untergeordnete Rolle. Viel wichtiger sei die Frage nach Identität: "Das Stück wirft die Frage auf, wer man ist, wenn man nicht gesehen wird, und wenn einen niemand bewertet und betrachtet." In diesem Stück streben alle Figuren nach Bedeutung. Und sie ringen mit Bedeutungsverlust: "Einige haben damit zu kämpfen, dass sie schon jemand waren, nämlich eine erfolgreiche Band, und damit, dass sie in der Gegenwart niemand mehr sind." Auf unterschiedliche Weise leiden sie und streben danach, den Ruhm vergangener Tage wiederherzustellen.
"Lauter verzweifelte, einsame Menschen"
Sven Stricker sieht die zentrale Frage des Stückes in der Identitätsstiftung: "Diese grundsätzliche Frage, ob Identität etwas ist, was einem selbst gegeben wird, oder was von außen auf einen projiziert wird, das finde ich an diesem Stück besonders interessant." Oder wie Schauspieler Felix von Manteuffel es ausdrückt: "Also das Ding selber ist toll, weil, es sind ja lauter verzweifelte, einsame Menschen darin."