Mit Musik Brücken bauen: Pianistin und Konzertdesignerin Hanni Liang
Die Pianistin und Medienmanagerin Hanni Liang setzt besonders auf Interaktion, um Menschen an Kultur heranzuführen. Für NDR Kultur EXTRA hat Hanni Liang unter dem Titel "Stimmen erheben" ein Livekonzert designt - mit Werken von drei Komponistinnen und einem Komponisten, die sie selbst spielte und mit Sprachelementen ergänzte.
Für Hanni Liang ist ein Konzert mehr als nur eine Musikveranstaltung. Die gebürtige Bielefelderin versteht darunter einen offenen Raum für Begegnung, für Fragen und Reflektion. Studiert hat sie klassisches Klavier und Medienmanagement: beste Voraussetzungen, um als Kulturvermittlerin Erfolg zu haben. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit als Pianistin arbeitet Hanni Liang beim erfolgreichen Kultur- und Bildungsprojekt TONALi in Hamburg mit. Zudem ist sie Dozentin für Konzertdesign und Konzertpädagogik an der Hochschule für Musik und Theater München.
Hanni, du hast Menschen auf der Straße gefragt, wofür sie ihre Stimme erheben würden. Ich möchte die Frage jetzt an dich weiterspielen. Wofür möchtest du deine Stimme erheben?
Hanni Liang: Auf jeden Fall für eine menschlichere Welt, für ein menschlicheres Zusammensein. Bei all dem, was uns gerade begegnet, ist das für mich besonders wichtig.
Woher kommt es, dass du als Pianistin auch so viel mit Worten und mit Sprache arbeitest? In der klassischen Musikwelt findet man diese Herangehensweise selten.
Liang: Mich beschäftigt die Frage, wie die klassische Musik ins Heute kontextualisiert werden kann. Wie kann ich mittels Musik, aber auch mit dem Raum des Konzertes, Brücken ins Heute bauen? Ich möchte wissen, was die Menschen heute interessiert. Es sind oft aktuelle Themen, Themen der Zeit, die dann künstlerisch zum Ausdruck kommen.
Ich denke bei politischen Musikrichtungen zum Beispiel an Riot Grrrl Punk oder an die gesamte Hip-Hop Kultur. Aber klassische Musik kommt da im ersten Moment nicht so in meinen Kopf. Hast du diesen Eindruck auch, dass es sich um eine eher unpolitische Musikrichtung handelt?
Liang: Ich denke, Musik ist generell sehr politisch. Aber letztlich ist es eine Frage des Vermittelns. Es ist im ersten Moment nicht offensichtlich, dass klassische Musik auch für etwas stehen kann. Nichtsdestotrotz haben die Werke auch durch die Komponisten und Komponistinnen einen sehr gesellschaftlichen und sehr politischen Wert.
Jetzt hast du dir als Instrument das Klavier ausgesucht, wo man nur mit Melodien oder eben mit der Auswahl eines Stücks Haltung zeigen kann. Denkst du manchmal, aus mir wäre vielleicht auch eine tolle Sängerin geworden, dann hätte ich mehr mit Texten ganz direkt arbeiten können?
Liang: Es ist beides. Ich muss gestehen, ich denke schon darüber nach, wie mich das Klavier auch einschränkt. Wenn ich im Konzert sitze, bin ich ja an dieses riesengroße Instrument gebunden, mit dem ich mich noch nicht einmal, wie mit einer Geige, durch den Raum bewegen kann. Ich frage mich, welche Mittel stehen mir zur Verfügung, um Klaviermusik in einem Konzert noch mal ganz anders zum Ausdruck zu bringen? Es ist eine Herausforderung.
Bei mir geht es oft um die Frage: Wie kann ich mit ganz wenigen Mitteln das Musikerleben verändern? Die Musik an sich, die steht für sich. Die braucht auch nicht mehr. Aber die Frage nach dem, wie das Publikum die Musik wahrnimmt oder dieser auch begegnet, die stellt sich mir. Ich glaube, da kann man mit ganz vielen kleinen Mitteln sehr viel ändern.
Du bist auch eine Forscherin, die viel Austausch mit dem Publikum hat. Wie finden diese Gespräche statt? Gehst du nach deinem Konzert auf die Leute zu und fragst nach?
Liang: Die Gespräche passieren sowohl vor dem Konzert als auch danach. Bei mir beginnt die Vorbereitung auf Konzerte oft schon ein Jahr vorher. Da kommen erste Gedanken, die Thematik, das Programm betreffend. Welche Menschen werden mir dort begegnen? Welche Menschen werden vielleicht kommen? Welche Menschen könnte man auf andere Weise ansprechen, die dann ins Konzert finden?
Da passiert ganz viel. Ich recherchiere über die Stadt, wo ich spielen werde. Schon im Vorfeld schau ich mir Vereine an, gehe mit den Menschen in Kontakt. Ich schreibe vielen Menschen vor Ort und frage sie, ob wir vielleicht etwas zusammen machen wollen. Das wäre doch total spannend, eine Synergie zu finden. Das alles passiert im Vorfeld. Daraus entsteht dann Stück für Stück das Konzertformat.
Und dann spreche ich auch mit den Menschen im Anschluss an mein Konzert, weil das, was bei einem alternativen Konzertformat oft passiert ist, dass das Publikum sich auf ganz andere Weise eine Meinung bilden kann. Menschen bekommen durch diese Angebote einen ganz anderen Zugang präsentiert. Gerade jene, die über sich sagen, sie seien Laien und würden klassische Musik nicht verstehen. Im Austausch können sie dann noch einmal ganz anders Zugang erhalten. Das finde ich spannend.
Das Gespräch führte Charlotte Oelschlegel bei NDR Kultur EXTRA.