Jörn Menge sitzt in einem Tonstudio vor einem Mikrofon und trägt Kopfhörer. © picture alliance/dpa Foto: Georg Wendt

"Fashion against Fascism": Nazi-Mode den Markt einschränken

Stand: 18.04.2024 16:27 Uhr

Springerstiefel, Bomberjacke und ein kahlrasierter Kopf - so zeigten sich rechtsextreme Menschen früher. Heute gibt es andere Codes in der Kleidung und die sind schwer zu identifizieren.

Es gibt sie, die Bekleidungsmerkmale von Rechtsextremisten. Und die haben verschiedene Modefirmen in einer Online-Datenbank zusammengetragen: "Fashion against Fascism". Jörn Menge, Gründer und Vorsitzender von " Laut gegen Nazis e.V.", hat sie mitinitiiert.

Herr Menge, Sie haben die Online-Datenbank "Fashion against Fascism" zusammen mit einer bekannten Werbeagentur, einer großen Online-Verkaufsplattform und weiteren Partnern gegründet. Mit welchem Ziel?

Jörn Menge: Wir wollen natürlich versuchen, dass der Vertrieb von Nazi-Marken oder Nazi-Codes möglichst eingeschränkt wird. Die rechtsextremistische Szene hat ein Riesen-Merchandising. Damit finanzieren die ja auch ihre Gruppierungen, und die verkaufen wahnsinnig viel. Wir haben über 200 Codes der Nazis veröffentlicht, wobei da auch einige dabei sind, die natürlich zu Irritationen führen, weil viele Markennamen missbraucht werden von der Szene.

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Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen, wenn eine 18 auf dem T-Shirt ist, muss das nichts Böses heißen. Es kann eine Altersangabe sein - Volljährigkeit zum Beispiel. Die Ziffern eins und acht stehen aber auch für die Buchstaben des Alphabets und wären somit die Initialen Adolf Hitlers - entsprechend ist 88 der Hitlergruß. Das könnte auf einem Kapuzenpulli oder einer Collegejacke landen und so von der Tochter oder dem Enkel getragen werden, die das im Internet gekauft haben. Kann das ihre Datenbank verhindern?

Menge: Nein, das soll es auch nicht. Mit der Datenbank wollen wir nur darauf aufmerksam machen, dass diese Codes oder auch Kürzel missbraucht werden. Der Klassiker ist natürlich "eins acht" und man kann natürlich jetzt nicht sagen: "So jetzt verkauft mal keine College-Sachen mehr mit der 18 drauf!" Wir wollen nur darauf hinweisen, dass man sich genau ansehen sollte, wer so etwas vertreibt. Wenn jetzt zum Beispiel jemand seinen 18. Geburtstag feiert und eine Collegejacke mit einer "18" kauft und das ist dann von einem Hersteller und von einem Vertrieb, der mit Sicherheit keine Nazi-Ware vertreibt, dann ist das okay. Wobei ich mir natürlich als Jugendlicher schon überlegen würde, ob ich die 18 trage, auch wenn ich stolz auf das Alter wäre, weil es natürlich auch sein kann, dass man damit in Misskredit gerät.

Es geht im Wortsinn darum, Nazis aus der Mode zu bringen. Von welchen versteckten Codes und Symbolen sprechen wie hier, die man gar nicht kennt?

"VTRLND", also Vaterland zum Beispiel ist eine Marke, die haben wir uns schützen lassen im Rahmen der Kampagne "Recht gegen Rechts". Die Buchstaben sind das Kürzel.

Um es noch einmal zu sagen: "Recht gegen Rechts", das ist eine Kampagne, die Marken sichtbar macht und sie Rechtsextremen quasi wegnimmt.

Sagen wir mal so: Wir ärgern gerade die rechtsextremistische Szene mit beiden Kampagnen. Im Oktober letzten Jahres haben wir die Kampagne gestartet, uns die Codes der Nazis, die auf Shirts getragen werden, schützen lassen beim Patentamt. Das machen wir auch immer noch. Wir haben leider das Problem, dass die Patentämter in Deutschland und Europa sehr, sehr langsam sind, so dass wir nicht unbedingt mit diesen Codes gleich eine Marke schützen können. Das dauert bis zu einem halben Jahr. Und wir haben gesagt: wir müssen uns irgendetwas anderes einfallen lassen. So ist "Fashion against Fascism" entstanden. Wenn wir eine Marke schützen, haben wir das Recht, einen Verkauf über Nazishops zu unterbinden.

Was mir zum Beispiel schwerfällt einzuschätzen: Inwiefern spielt vielleicht auch der Reiz des Verbotenen bei jungen Menschen eine Rolle? Mode hat ja gern auch etwas Subversives. Nun geht dies in eine bedenkliche Richtung, aber ist das vielleicht auch ein Aspekt: ein Sich-Auflehnen gegen Konventionen und gegen einen gesellschaftlichen Konsens, nach dem Motto 'ich traue mich was'? Vielleicht denkt sich jemand dabei nicht viel.

Menge: Nehmen wir mal das Beispiel: Abiturient, 18 Jahre alt, der denkt sich da nichts bei. Da will ich mal ganz klar eine Hand schützend drüber halten. Ich glaube nicht, dass das ein Protest einer jugendlichen Person ist, sondern das ist manchmal auch unbedarft. Genau deswegen machen wir "Fashion against Fascism". Nehmen wir doch mal das Beispiel USA: "Unser seliger Adolf"- das hatte damals Winifred Wagner nach dem Krieg erfunden, als Code dafür, dass man ja Anhänger Hitlers sei. Natürlich können wir jetzt nicht alle USA-Shirts verdammen. Natürlich gibt es genug Marken, die "USA" auch verwenden. Wenn allerdings einer auf Nazi-Aufmärschen mitläuft und ein USA-Shirt anhat, womöglich in den Farben schwarz, weiß, rot, dann hat das einen anderen Kontext. Oder die Marke "Thor Steinar" ist ganz bekannt, da weiß man, das kommt aus der rechtsextremistischen Szene.

Ist es denn aber okay, jetzt jemanden anzusprechen wegen seines Kleidungsstils, der dann vielleicht abstreitet, diese Codes zu kennen? Wenn sich jemand zum Beispiel, rassistisch oder fremdenfeindlich äußert, würde es mir wesentlich leichter fallen zu intervenieren, als wenn jemand bloß durch sein Erscheinungsbild so daherkommt. Also wohlgemerkt, wenn jemand keine verfassungsfeindlichen Symbole trägt, da kann man ja vielleicht auch sagen, dass es eben sein merkwürdiger Geschmack ist, sich so zu kleiden. Das ist eine Grauzone...

Menge: Das ist eine Grauzone. Wenn ich jetzt die Idee hätte, dass das jetzt ein Nazi ist und er hat diese Codes an oder fragwürdige Modemarken, dann würde ich den nicht allein darauf ansprechen. Das empfehlen wir nicht. Dann sucht man sich Gleichdenkende und versucht das.

Mich würde interessieren, wie Sie all diese oft verstecken, rechtsextremen Botschaften erkennen und zusammentragen konnten?

Menge: Wir sind ja nicht allein, sondern wir haben noch die Agentur und wir haben auch die Unternehmen selber, die sich damit dann auch noch einmal positionieren. Sie zahlen übrigens nichts dafür. Das möchte ich auch noch mal kurz bemerken. Es ist eine Kampagne, die genauso auf Spenden beruht wie alle anderen Dinge auch. Große Textilvertriebe, die das anbieten wollen, prüfen das ja auch. Und man hat sich dann zusammengetan und wir haben recherchiert. So eine Kampagne vorzubereiten, dauert ungefähr ein Jahr. Wir haben wirklich alle möglichen Kürzel, Codes oder Nennungen auf Shirts geprüft und natürlich verglichen mit den Naziaufmärschen und mit den Veranstaltungen, wo man sie sieht. Was tragen die eigentlich? Da haben wir so recherchiert, dass wir jetzt guten Gewissens das auch so machen können. Und wir haben ja auch Erfolg, weil die rechtsextremistischen Medien wie "Compact" oder andere jetzt darauf aufmerksam geworden sind.

Trifft das die rechtsextreme Szene auch wirklich, weiß man da Genaueres?

Wir machen das, damit erstens die Händler wissen, dass sie so etwas nicht verkaufen sollten, also die normalen Händler. Zum anderen wollen wir die Leute darauf aufmerksam machen, dass es solche Sachen überhaupt gibt. Wenn wir denen sozusagen den Markt ein bisschen magerer machen durch unsere Kampagnen, dann haben wir schon viel erreicht, weil sie dann weniger Geld verdienen.

Das Interview führte Philipp Cavert.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 18.04.2024 | 16:30 Uhr

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