"Enorme Symbolkraft": Thomas-Mann-Haus und Villa Aurora trotzen Feuerwalze
Die Feuer in Los Angeles bedrohen auch viele Kulturstätten, haben bislang aber das Thomas-Mann-Haus und die Villa Aurora verschont. Ein Gespräch mit dem Oldenburger Autor Klaus Modick, dessen Roman "Sunset" die Villa Aurora behandelt.
Herr Modick, Sie waren selbst als Stipendiat in der Villa Aurora, Ihnen dürfte also die Gefahr durch die verheerenden Brände noch ein wenig näher gehen. Wie ist die aktuelle Lage dort?
Klaus Modick: Das, was Sie angedeutet haben, ist auch das, was ich weiß: dass beide Häuser wohl unversehrt sind. Man weiß nicht genau, ob es nicht Schäden durch Rauch und so weiter gibt. Das wäre in der Villa Aurora deswegen sehr unangenehm, weil das ein Haus voll mit Büchern ist - Feuchtwanger war ja ein fanatischer Büchersammler. Wenn da die Bücher durch Rauch in Mitleidenschaft gezogen würden, wäre das natürlich traurig. Allerdings muss man dazu sagen, dass die kostbarsten Bücher aus seiner Bibliothek sowieso nicht mehr in seinem Haus waren, sondern in einem klimatisierten Raum in der University of California, weil die Bücher wegen der Witterungsverhältnisse in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Pazifik dort eigentlich nicht gut stehen - das ist zu feucht. Gleichwohl steht da immer noch so viel, dass man nur hoffen kann, dass der Schaden gering bis gar keiner ist.
Die Villa Aurora ist ja ein Ort des Austauschs, gerade für Stipendiatinnen und Stipendiaten. Was glauben Sie, wie es da jetzt weitergeht? Denn auch wenn die Situation wieder sicherer ist, wird die Villa Aurora erst mal nicht bezogen werden können.
Modick: Ich nehme auch an, dass für Stipendiaten das mittelfristig gar nicht möglich sein wird. Denn nach allem, was man weiß, ist ja das Umfeld mehr oder weniger abgebrannt. Die Situation ist für die Villa Aurora - und übrigens auch für das Thomas-Mann-Haus - deswegen etwas günstiger gewesen als für die ganzen Straßenzüge, die da in Pazific Palisades abgebrannt sind, weil beide Häuser ziemlich alleinstehend sind. Da ist zwar drumherum Vegetation und Bäume und der Brand hätte sich weiter verbreiten können, aber diese Alleinlagen waren da wohl sehr gut. Aber das nützt einem eine Alleinlage, wenn links und rechts alles niedergebrannt ist? Ob da mittelfristig ein Stipendiaten-Betrieb stattfinden wird, wage ich sehr zu bezweifeln.
Seit einigen Jahren wird die Villa auch bei den Oscar-Verleihungen genutzt: Da treffen sich dann immer die Menschen Deutschen oder Österreicher, deren Filme bei den Oscar-Verleihungen in irgendeiner Art und Weise aufgerufen sind. Ob man diese Empfänge wird fortsetzen können, wissen wir nicht.
Die Villa Aurora wird als Künstlerresidenz genutzt, das Thomas-Mann-Haus wird von der Bundesrepublik als transatlantische Begegnungsstätte geführt. Das ist ja fast symbolisch, dass die Flammen in den USA den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch bedrohen. Wie sehen Sie das?
Modick: Das ist wirklich eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet diese beiden Häuser, die für deutsche Kultur in den USA stehen, und zwar für eine demokratische Kultur, noch stehen. Denn die damit verbundenen Personen, Feuchtwanger und Mann, waren Verfolgte des Nationalsozialismus und mussten vor einer Diktatur fliehen. Und was man im Moment in Amerika aufkommen sieht, da wird einem blümerant. Mir fällt da immer Max Liebermann ein, der 1933 gesagt hat: "Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." Und ausgerechnet in dieser Situation stehen diese beiden deutschen Häuser, die für Demokratie, Frieden, Völkerverständigung und Hochkultur stehen, wie eine Eins - und links und rechts liegt alles in Trümmern. Das hat schon als Bild und auch als Vorstellung eine enorme Symbolkraft.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.