"Republik Polen im Emsland" - Wie ein 19-Jähriger die Geschichte erforscht

Stand: 16.01.2024 12:13 Uhr

Drei Jahre lang war Haren eine polnische Exklave. Dazu hat der 19-jährige David Duong geforscht. Es ging ihm dabei auch um den Begriff von Heimat. Beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewann er mit seiner Arbeit den ersten Preis.

von Yasemin Ergin

David Duong ist zurück an dem Ort, an dem er im vergangenen Jahr seine komplette Freizeit verbracht hat. Der Gymnasiast aus Haselünne war immer wieder im Stadtarchiv Haren, um in einen ganz bestimmten Teil der Geschichte einzutauchen: Die polnischen Jahre von Haren von 1945-48, in denen die Stadt Maczków hieß. 

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Ein Schild mit dem Ortsnamen Maczkow. © dpa Foto: Aleksandra Sekowska

Kriegsende im Emsland: Drei Jahre lang ist Haren das polnische Maczków

1945 müssen die Einwohner von Haren sofort die Stadt verlassen. Polnische Vertriebene sollen dort leben. Erst am 10. September 1948 dürfen die Einheimischen zurück. mehr

"Ich habe hier unzählige Stunden verbracht. Also am Wochenende war ich immer hier. Nachmittags, wenn ich nur Vormittagsunterricht hatte, war ich auch immer hier. Ansonsten hatte ich die Dateien dann auch zu Hause angeschaut. wirklich alles gegeben, einfach weil das Thema so interessant war", erzählt David Duong, der das Kreisgymnasium St. Ursula in Haselünne besucht.

Haren als Zentrum der polnischen Menschen in Deutschland

Die Geschichte der polnischen Enklave Maczków ist außerhalb des Emsland wenig bekannt und auch in Haren war sie lange Zeit ein wenig in Vergessenheit geraten. Erst seit zwei Jahren erinnert das Dokumentationszentrum Maczków/Haren an dieses außergewöhnliche Kapitel der deutsch-polnischen Nachkriegsgeschichte. 

"Naja, man kann sagen, dass man hier in Haaren quasi ein lebendiges Dorf erschaffen hat", erklärt David Duong. Es sei eine lebendige Stadt mit einer Regierung, mit einem Gymnasium, einem Theater entstanden, eben alles, was eine Stadt ausmacht. "Die Stadt Haren wurde zu einem Zentrum für polnische Menschen in ganz Deutschland", sagt der Gymnasiast.  

Die Harener mussten ihre Häuser räumen

Eine Hand hält ein Schwarz-Weiß-Foto mit einem Ortsschild "Miasto Maczków" © Screenshot
Wochenlang sichtete David Duong Archivmaterial

Maczków entstand auf Initiative der britischen Militärregierung im Emsland. Tausende polnische Soldaten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus den Lagern der Umgebung konnten wegen mangelnder Transportmöglichkeiten und auch wegen der politischen Lage in Polen nicht in ihre Heimat zurück. Also mussten die Harener ihre Häuser räumen – die Stadt wurde für drei Jahre zu einer Art polnischen Besatzungszone.  

1948 geht Haren zurück an die Deutschen - und die Polen verlassen die Stadt wieder. Bis die Harener sich dieser Geschichte sachlich stellen konnten, vergingen Jahrzehnte. "Die Geschichte hat man vielleicht schon mal gehört. Aber so wirklich Details kennt man nicht", sagt David Duong. Dabei seien überall Spuren von dieser polnischen Okkupation zu sehen. Er selbst wohnt neben einem polnischen Friedhof, wusste aber lange Zeit gar nichts davon.

Exilgeschichten, wie David Duong sie selber kennt

Der in Haselünne aufgewachsene David Duong hat seine Wurzeln in Vietnam. Seine Großeltern kamen als Flüchtlinge ins Emsland, fanden hier ein neues Zuhause. Auch deshalb fühlte er sich auf besondere Weise von der wechselvollen Geschichte Harens angesprochen.  

"Die Polen, die im Exil waren, hier im Emsland, die Harener, die im Exil waren im sonstigen Emsland, Displaced Person, Vietnamesen nach der Wende. Sie alle verbindet eins, und zwar die Sehnsucht nach einer Heimat, die aber, wie sie heute ist, nicht mehr existiert", sagt David Duong. 

Die Frage nach der Heimat

Ein Mann und ein ältere Schüler sitzen in einer Bibliothek an einem Tisch und blättern in einem Buch. © Screenshot
Geschichtslehrer Robert Rühlmann und Abiturient David Duong

Was genau bedeutet Heimat? Ist sie ein Ort? Oder ein Zustand? Diese Frage zieht sich durch David Duongs Rechercheprojekt, das er mit Unterstützung seines Lehrers beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einreichte.  

Mit seinem Wettbewerbsbeitrag „Republik Polen im Emsland“ bereichert David Duong die historische Auseinandersetzung um Haren- Maczków um eine wertvolle Perspektive. "Was Davids Arbeit ganz besonders auszeichnet, ist, dass er seine eigene Geschichte, seine eigene Identität, hinterfragt und reflektiert und das in Zusammenhang setzt mit der Geschichte Haren/Maczkóws", sagt Davids Geschichtslehrer Robert Rühlmann.

. © Screenshot
Geschichtslehrer Robert Rühlmann, David Duong und Bundespräsident Steinmeier bei der Preisverleihung

Im November überreichte Frank Walter Steinmeier ihm dafür die Auszeichnung. Der erste Preis beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten geht erstmals ins Emsland.  

Bleibt noch die Frage nach David Duongs persönlichem Fazit. Was genau verbindet er mit Heimat?  "Irgendwo habe ich mal gehört, dass eine Gemeinschaft dann etabliert ist, wenn das erste Kind geboren wurde und wenn der erste Mensch dann auch gestorben ist", sagt David Duong. "Und so sehe ich, dass meine Wurzeln in Haselünne im Emsland auch tief verwurzelt sind."

Begriffe hinterfragen, Antworten finden – das will David Duong auch weiterhin tun. Der Wettbewerb hat seine Leidenschaft für die Forschung geweckt.  

 

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Der 19-jährige David Duong sitzt an seinem Schreibtisch. © Screenshot
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