Pflege: Übles Spiel mit Auszubildenden
Fast hätte Iris Oltmanns ihre Ausbildung zur Altenpflegerin abgebrochen. Dabei wollte sie die unbedingt machen - mit Anfang 50. Begonnen hat sie ihre Ausbildung in einem Pflegeheim. Doch dort nahm man sich kaum Zeit für sie, erinnert sich Oltmanns. Sie musste wie alle anderen funktionieren und wurde nicht wie eine Auszubildende behandelt, sondern "eigentlich nur als Arbeitstier, als Waschkraft. Das war nicht schön. Aber da ich das von meinen Mitschülerinnen auch schon kannte, und die sehr ähnliche Geschichten erzählt haben, war ich der Meinung, das muss so sein", erzählt Oltmanns. Nach nur vier Monaten Ausbildung konnte sie nicht mehr, sie wäre fast zusammengebrochen. Am Ende hat sie durchgehalten, aber nur, weil Oltmanns ihren Ausbildungsbetrieb gewechselt hat.
"Man bügelt den Personalmangel aus"
So geht es vielen Pflegeschülern. Sie berichten uns von erschreckenden Erfahrungen. Offen aber wollen sie nicht sprechen, aus Angst um ihren Job. "Man bügelt den Personalmangel aus. Es kommen dann Anrufe von anderen Stationen, wo einer krank geworden ist, wo man dann einspringen muss", erzählt uns eine Pflegeschülerin. Und ihre Ausbilder auf den Stationen der Kliniken, die sie eigentlich anleiten sollen, haben allzu oft keine Zeit oder sind von vornherein in anderen Schichten verplant. Statt richtig angeleitet zu werden, laufen die Schüler einfach nur mit. "Ich habe mir dann oft Sachen im Internet angeschaut, Videos angeguckt dazu. Was natürlich völlig nach hinten losgehen kann", erzählt uns eine weitere Pflegeschülerin.
Sie würden immer öfter auch in Situationen gedrängt, die sie komplett überfordern. Uns berichten einige sogar, dass sie alleine Nachtdienste machen mussten. Nach außen dringt das alles meist nicht. Denn in der offiziellen Ausbildungs-Dokumentation muss am Ende alles stimmen. "Ich habe mich dann hingesetzt und mir überlegt: was kann ich denn aufschreiben? Worin wurde ich denn angeleitet, damit ich meine Stunden vollbekomme? Wenn ich meine Stunden nicht vollbekomme, dann kann ich meine Prüfungen am Ende nicht absolvieren. Obwohl das nicht stimmte, was da stand, dann wird es unterschrieben. Weil von den Praxisanleitern, da kommt ja auch Druck", berichten die Schülerinnen.
Kaum Zeit für Ausbildung und Lehre
Die Auszubildenden in der Pflege lernen von Beginn an eine Arbeitswelt kennen, in der Personal- und Zeitmangel alltäglich ist. Das beobachten auch Hiltrud Krey und Wera Franke. Sie sind Berufsschullehrerinnen und bestürzt über die Rückmeldungen vieler Pflegeschüler. Denn viele schmeißen frustriert hin, viele schon in ihrer Ausbildung vom Burnout bedroht. Im Jahr 2015 hat Ver.di unter den Auszubildenden eine Umfrage durchgeführt - die Daten finden sich im "Ausbildungsreport Pflegeberufe". Es wurden bundesweit knapp 3.500 Pflegeschüler befragt, die Ergebnisse sind alarmierend. Gut 42 Prozent von ihnen berichten, dass sie sich nicht gut angeleitet fühlen. Von regelmäßigen Überstunden berichten gut 30 Prozent der Pflegeschüler, speziell in der Altenpflege sind es sogar über 40 Prozent.
Die beiden Berufsschullehrerinnen waren so alarmiert von den Rückmeldungen ihrer Pflegeschüler, dass sie etwas tun mussten. Schon 2016 haben sie zusammen mit 13 Kolleginnen aus Niedersachsen einen offenen Brief an Politiker, Pflegebetreiber und Verbände geschrieben. Sie sagen, sie wollten einfach das, was den Auszubildenden passiert an höherer Stelle deutlich machen, um die Struktur zu verändern. Doch sie sagen auch: "Leider ist nichts passiert."