Härte gegen Menschen in Not: Flensburger Vermieter in der Kritik
Im Norden ist der Wohnungsmarkt angespannt - so auch in Flensburg. Davon sehr betroffen sind gerade Menschen, die aus der Obdachlosigkeit herauskommen möchten. Für sie ist es schwierig, etwas zu finden; auf dem freien Markt haben sie kaum eine Chance. Genau das nutzt ein Vermieter aus.
Ein ehemaliger Baucontainer, dessen einstmals leuchtend gelbe Außenwand von einer Schmutzschicht überzogen ist. Am Rande der Flensburger Innenstadt steht er auf einem Grundstück, das einem angesehenen Geschäftsmann gehört. Der vermietet dort Wohnraum an diejenigen, die es auf dem freien Wohnungsmarkt eher schwer haben: obdach- und wohnungslose Menschen. Menschen wie Mandy P.
Die 27-Jährige lebte anderthalb Jahre lang auf der Straße. "Gerade als Frau ist man ganz schnell Freiwild", erzählt Mandy P. über das Leben dort. "Für Geld oder etwas zu essen denken viele Männer - dafür muss man etwas tun und das ist echt nicht schön." Der Baucontainer erschien ihr da wie eine Rettung - trotz seines heruntergekommenen Zustands: ein eingeschlagenes Fenster und eine beschädigte Tür. Darauf habe sie sich in ihrer Not eingelassen, sagt Mandy P., schließlich sei der Container immer noch besser als nichts.
Aber dass der Vermieter das eingeschlagene Fenster nicht austauschen wolle, versteht sie nicht. Und dann ist da noch ihre Eingangstür, der einzige Schutz gegen die Außenwelt: Sie lässt sich unten recht weit aufziehen, wie Mandy P. demonstriert. "Ich habe nicht viel Kraft", sagt sie. "Wenn man die Tür so aufziehen kann, ist klar, dass die auch nicht dicht ist."
325 Euro warm kostet der Container ohne fließend Wasser im Monat. Die Miete wird vom örtlichen Jobcenter direkt an den Vermieter überwiesen. Das ist so üblich. Doch trotzdem könne das Jobcenter nichts unternehmen, teilt eine Sprecherin mit: Da es kein Mietvertragspartner sei, "kann aufgrund der Selbstbestimmung der Mieterinnen und Mieter keine aktive Einflussnahme in das betroffene Mietverhältnis erfolgen." Die Stadt finanziert Sozialhilfebeziehenden die Mitgliedschaft im Mieterverein.
"Eigentlich eine Frechheit"
Im Wohnhaus neben dem Container lebt Sven W. Auch er ist aus der Not hier eingezogen; nicht einmal besichtigt hat er das Zimmer, sondern einfach zugesagt. Er hat fast zehn Jahre auf der Straße gelebt, sich mit viel Kraftaufwand aus der Drogensucht befreit. "Unsereiner kann ja froh sein, dass er ein Dach über dem Kopf hat", sagt er. Glücklich mache es ihn nicht, hier zu leben. Sein Zimmer ist vielleicht 17 Quadratmeter groß, hat Stockflecken an der Decke und ist so dunkel, als wäre es im Keller. Das hängt mit dem Nachbarhaus zusammen. Es steht so nah vor seinem einzigen Fenster, dass er dessen Außenwand mit der Hand berühren kann.
400 Euro warm kostet sein Zimmer, was viel ist für Flensburger Verhältnisse. "Ich habe wirklich keine großen Ansprüche", sagt Sven W. "Aber das hier so zu vermieten, ist eigentlich eine Frechheit." Mit den anderen acht Mieter:innen teilt er sich ein schäbiges, kleines Gemeinschaftsbad, das nur von draußen zu betreten ist. Sein Zimmer ist trotz der Umstände blitzeblank, farbenfroh dekoriert. Es wirkt wie Sven W.s stiller Protest gegen seine deprimierende Umgebung.
Was der Vermieter macht, ist nicht illegal
"Als ich gesehen habe, wie diese Menschen leben müssen, habe ich mich geschämt", sagt Loretta Parzentny, die sich ehrenamtlich im Verein "Helferherz" für obdachlose Menschen organisiert. Der Verein hat die Wohnsituation der Betroffenen aufgedeckt, viel Diskussion in der Lokalpolitik ausgelöst. Doch es änderte sich nichts.
Das Problem: Was der Vermieter hier macht, ist nicht illegal. Die Stadt Flensburg könne nur eingreifen, wenn durch die Wohnung Gefahr für Leib und Leben ausgehen, sagt ein Sprecher. Im Februar hätten Bauordnungsamt und Feuerwehr die Wohnungen überprüft und eine davon aufgrund gravierender Mängel stillgelegt. Für die übrigen werde nun die Wohnnutzungserlaubnis überprüft. Und so sind es die Mieter:innen selbst, die sich gegen ihren Vermieter durchsetzen müssen. Dafür übernimmt die Stadt den Mitgliedsbeitrag im Mieterverein.
Für sich einzutreten sei für die Betroffenen aber sehr schwierig, sagt Florian Matz, der Vorsitzende des Mietervereins Flensburg. "Es trifft Menschen, die kaum Möglichkeiten haben, sich zu wehren, die viel Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren", sagt er. "Deswegen meinen Vermieter, dass sie so mit Menschen umgehen können." Und so wohnen Menschen wie Mandy P. und Sven W. in Wohnungen, "in denen viele nicht mal ihre Hunde unterbringen würden", sagt Matz. "Ich empfinde diese Wohnungen als menschenunwürdig."
"Die wissen nicht, wie man wohnt"
Vermieter Johannes S. sieht das anders. Er fühlt sich missverstanden, findet seine Mieter:innen undankbar. "Alles, was zur Funktion notwendig ist, ist in Ordnung", sagt er. Mehr wolle er nicht machen, das lohne sich einfach nicht. "Weil hier dauernd etwas kaputt gemacht wird", sagt S. "Weil das zum Teil Vandalen sind. Die wissen nicht, wie man wohnt." Wer die zum Teil Jahre alten Schäden verursacht hat, kann er allerdings nicht sagen. Es scheint auch, als wäre es ihm egal.
Menschenunwürdig seien seine Zimmer aber nicht, betont der Vermieter: "Es kommt ja darauf an, wer da wohnt", sagt S. "Das sind Leute, die auf der Straße gelebt haben - ist das menschenwürdiger, als hier zu wohnen?" Ehemals obdachlose Menschen hätten andere Ansprüche zu haben als andere Mieter:innen. Dass er mit ihrem Leid Geld verdiene, weist er von sich.
Weil S. das Mietverhältnis mit Mandy P. und Sven W. nach ihren Beschwerden als "unmöglich" ansieht, hat er ihnen gekündigt. Doch die beiden machen, was selten ist: Sie wehren sich, mithilfe von Helferherz und dem Mieterverein. Und so können sie während ihrer Wohnungssuche weiter in den mangelhaften Notwohnungen bleiben, bis sie Ersatz gefunden haben. Bei Sven W. hat es jetzt geklappt: Bald kann er in eine Sozialwohnung ziehen. Ob Vermieter S. das Zimmer wieder neu vermietet, ist nicht klar. Aber vermutlich wird einfach die nächste bedürftige Person einziehen.