Marode Wohnungen: Mieter hilflos gegen Spekulanten
Die Wände verschimmelt, Heizungsrohre defekt, Fenster fallen aus dem Rahmen - im Albert-Schweizer-Viertel in Winsen/Luhe wohnen die meisten Mieter in katastrophalen Zuständen. Viele klagen über Dauerhusten bei den Kindern. Dass die Wände überall bröckeln, ist da schon ein beinahe zu vernachlässigendes Problem. Seit Jahren klagen die Mieter ihr Leid, doch der städtische Quartiersmanager ist hilflos: Die Wohnungen gehören einer Investmentfirma, und die ist pleite.
Der insolvente Investor
Die Capricornus Investment GmbH & Co. Norddeutsche Wohnanlagen KG wurde von der Stadt mehrmals aufgefordert, das Viertel zu sanieren - ohne Erfolg. Auch die Gespräche waren vergeblich, städtische Teilnehmer sprechen heute von kaum wahrnehmbarem Interesse auf Seiten des Immobilienunternehmens. Im September 2012 zog die Stadt die Reißleine, und verhängte ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot. Dieses sollte Capricornus zur Sanierung zwingen. Doch das Unternehmen legte Widerspruch ein - und nur wenige Monate später meldete die Gesellschaft Insolvenz an.
Die Capricornus Investment GmbH & Co. Norddeutsche Wohnanlagen KG besitzt Immobilien nicht nur in Winsen/Luhe, sondern auch in neun weiteren norddeutschen Städten, laut dem Insolvenzverwalter insgesamt fast 1.500 Wohnungen. Bereits im Jahr 2009 hatte der NDR über das Unternehmen berichtet. Schon damals ging es um Schimmel und Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Wasser und Gas.
"Sehenden Auges in eine Insolvenz hineingelaufen"
Und bereits damals war Capricornus hochverschuldet. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Carl-Christian Freidank fällt ein klares Urteil: "Man kann sagen, wenn man die Bilanzen anguckt, die Geschäftsführer sind sehenden Auges in eine Insolvenz hineingelaufen. Denn die Verluste haben sich von Jahr zu Jahr erhöht und es ist nicht gelungen, aus dieser Verlustsituation herauszukommen." Eine Folge: Capricornus geriet offenbar zunehmend unter Druck seiner Geldgeber - denn die Wohnungen waren zu knapp 90 Prozent fremdfinanziert.
Die Bank will sich nicht äußern
Ursprünglich kam das Geld im Jahr 2006 als Kredit von der Londoner Bank Credit Suisse First Boston (später: Credit Suisse International) - laut einer Mitteilung an die irischen Börse offenbar eine Kreditsumme von 44,85 Millionen Euro. Noch heute ist die Credit Suisse First Boston als Grundpfandgläubiger im Grundbuch eingetragen.
Dabei ist die Bank schon längst nicht mehr der eigentliche Gläubiger von Capricornus. Denn die Bank hat die Kreditforderung an eine Zweckgesellschaft weiterverkauft. Diese wiederum hat Anleihen auf den Kredit ausgegeben und damit vermutlich Millionen verdient. Äußern will sich die Bank zu diesen Geschäften nicht.
Wurden die Häuser zu teuer eingekauft?
Zudem vermutet der Insolvenzverwalter von Capricornus, Christian Graf Brockdorff, das Unternehmen sei bereits vom Kaufzeitpunkt an unterfinanziert gewesen. "Sicherlich war es die Absicht, die Mieteinnahmen zu steigern und den Leerstand zu reduzieren, um dann einen höheren Ertragswert zu generieren. Das hat sich hier so nicht umsetzen lassen, weil nicht genug Geld da war, um die Sanierungsdinge, so wie eigentlich erforderlich, in Angriff zu nehmen."
Capricornuns habe die Häuser generell wohl zu teuer eingekauft . Als die Geldgeber dann im Herbst 2012 ihr vertraglich zugesichertes Geld sehen wollten, blieb Capricornus nur der Weg in die Insolvenz. Die Anleihegläubiger könnten jetzt leer ausgehen oder doch zumindest empfindliche Einbußen erleiden. Und so sitzen die Mieter in schimmeligen Wohnungen, die Investmentgesellschaft ist pleite und die Anleger verlieren ihr Geld.