KSK: Hitlergruß kein Kündigungsgrund?
Hitlergruß, Nazi-Devotionalien, "Kadavergehorsam" - rechtsextreme Tendenzen bei der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK sind keine Einzelfälle. Doch Konsequenzen lassen auf sich warten.
Es war so etwas wie der Beginn des Rechtsextremismus-Skandals beim KSK: Vor mittlerweile drei Jahren hatte der Chef der 2. Kompanie des Kommandos Spezialkräfte (KSK) auf einer Abschiedsfeier den Hitlergruß gezeigt. Zur Feier des Kompaniechefs hatten sich rund 60 aktive und ehemalige Elitesoldaten der Bundeswehr im April 2017 auf einem Übungsplatz in der Nähe von Sindelfingen (Baden-Württemberg) getroffen. Panorama und das Y-Kollektiv enthüllten, was dort bei der Feier geschah: Der Kompaniechef durchlief eine Art Parcours, zerschnitt Obst mit Schwertern und warf Schweineköpfe durch die Gegend. Was zunächst skurril wirkt, entwickelte sich dann zur Straftat: Zu Rechtsrock-Musik setzte der Kompaniechef mehrmals zum Hitlergruß an.
Keiner wollte einen Hitlergruß gesehen haben
Die Berichterstattung stützte sich vor allem auf die Aussagen einer Augenzeugin, die anonym in Panorama über den Abend berichtet hatte. Ihre Aussagen passten zu diversen Chatnachrichten und Flugtickets, die Panorama einsehen konnte.
Die Bundeswehr bestätigte damals auf Panorama-Anfrage das bizarre Gelage, bestritt aber den Hitlergruß. "Nach dem bisherigen Ermittlungsstand haben sich Ihre Vorwürfe auf verfassungsfeindliche Äußerungen in Wort Bild oder Tat nicht bestätigt", teilte die Bundeswehr mit. Die internen Ermittlungen der Bundeswehr kamen zu diesem Ergebnis aus folgendem Grund: Keiner der anwesenden Soldaten der 2. Kompanie wollte einen Hitlergruß gesehen haben.
Bundeswehr-Verfahren: Rechtskräftiges Urteil nicht mehr als ein "Indiz"
Doch auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelte, denn das Zeigen des Hitlergrußes ist strafbar. Und die Ermittler kamen zu einem anderen Ergebnis: die Schilderungen der Augenzeugin seien glaubhaft. Im Winter 2018 ergeht dann ein Strafbefehl in Höhe von 4.000 Euro gegen den Kompaniechef, den der Soldat auch akzeptierte. Damit gilt er als verurteilt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Intern ermittelte die Bundeswehr nun weiter, obwohl es bereits das Urteil eines ordentlichen Gerichts gab. Für das eigene Bundeswehr-Verfahren sei das rechtskräftige Urteil nicht mehr als ein "Indiz", teilte die Bundeswehr Anfang 2019 mit. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Bundeswehr so lange braucht, es auch gar nicht schafft, Rechtsextremisten aus den eigenen Reihen zu entfernen", sagt Tobias Lindner, Obmann der Grünen im Verteidigungsausschuss. Christine Buchholz, die für die Linke im Verteidigungsausschuss sitzt, fordert: "Es müssen konsequente Signale gesetzt werden und die Leute auch aus der Bundeswehr entlassen werden."
Im Juni 2019 eröffnete die Bundeswehr immerhin ein internes Verfahren vor dem "Truppendienstgericht". Das soll klären, ob der ehemalige Chef der 2. Kompanie weiter Soldat bleiben darf.
Spitze des Eisbergs
Mittlerweile wird immer klarer, dass der Hitlergruß des KSK-Soldaten wohl nur die Spitze des Eisberges ist. Laut Militärischem Abschirmdienst (MAD) ist das KSK überproportional stark von Rechtsextremismus betroffen - der MAD zählt beim KSK rund 20 rechtsextreme Verdachtsfälle. Insgesamt gibt es in der Bundeswehr über 600 Verdachtsfälle von Rechtsextremisten und so genannten Reichsbürgern, sagt MAD-Präsident Christof Gramm.
Vor wenigen Wochen schrieb ein KSK-Soldat direkt an Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. "Es besteht die Gefahr einer kollektiven Erblindung auf dem rechten Auge", so der Soldat, und weiter: "Indizien rechtsextremer Umtriebe werden intern zwar wahrgenommen, aber aus unterschiedlichen Motivlagen kollektiv ignoriert oder gar toleriert."
Dass die Gefahr von Rechtsradikalen in der Bundeswehr nicht zu unterschätzen ist, zeigte sich dann im Mai 2020: Auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten in Sachsen fanden Ermittler unter anderem Sprengstoff, ein Maschinengewehr, weitere Waffen und Munition. Dazu lagerte der Soldat rechtsextreme Schriften und Aufkleber mit NS-Motiven. Auch dieser Soldat ist 2017 offenbar auf der Abschiedsfeier des Kompaniechefs gewesen. Seitdem ist auch er im Visier des Bundeswehr-Geheimdienstes.
Hitlergruß: Kompaniechef weiterhin Soldat
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich mittlerweile zum Ziel gesetzt, das KSK grundlegend zu reformieren. Unter anderem soll die betroffene 2. Kompanie aufgelöst werden. Angesprochen auf den Kompaniechef, der den Hitlergruß zeigte, sagt sie: "Unser Ziel ist ganz klar die Entfernung aus dem Dienstverhältnis". Ob für solch einen Soldaten Platz im KSK sei, will Kramp-Karrenberger nicht näher bewerten - es handle sich um ein laufendes internes Verfahren, über das jetzt das Truppengericht entscheiden müsse.
Nach Panorama-Recherchen hat dieses Truppengericht allerdings noch nicht einmal getagt. Eineinhalb Jahre nach der Anschuldigung vor dem Truppendienstgericht und über drei Jahre nach dem Hitlergruß bleibt der Kompaniechef damit weiterhin Soldat.