Plastikmüll: Die leeren Versprechen der Industrie
Eine Bucht, in der so viele Plastikflaschen schwimmen, dass die Wasseroberfläche kaum zu erkennen ist. Möwen, die über haushohen Müllbergen kreisen. Menschen, die säckeweise Müll am Strand einsammeln. Dazu Streichmusik und eine Kinderstimme, die fordert: „Lasst uns diejenigen sein, die gemeinsam die Welt verändern.“
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Nein, das ist keine Videokampagne von Umweltverbänden. Es ist das Video von denjenigen, die diesen Müll produzieren: Industrieriesen wie Procter & Gamble, Chemiekonzerne wie BASF und Dow Chemical. Sie haben mit rund 25 Unternehmen die Allianz gegen Plastikmüll gebildet und versprechen auf ihrem YouTube-Kanal Großes.
Bis zu 1,5 Milliarden Dollar wollen sie investieren, um Plastikabfälle zu beseitigen. Dass ihre Interessen dabei weniger der Walfamilie im Promovideo gelten könnten, machte ein Zeitungsinterview von Procter & Gamble Chef David Taylor vor kurzem deutlich. Darin sagt er, der Konzern unterstütze die Allianz mit signifikanten Geldbeträgen, auch um „das Geschäft der Zukunft“ zu sichern. Denn sonst drohten ihnen „Regulierung, Verbote, hektische Lösungsversuche“.
Freiwillig gegen Plastikmüll
Regulierung und Verbote muss die Industrie in Deutschland wohl derzeit nicht befürchten. Denn Bundesumweltministerin Svenja Schulze setzt bei ihrem Kampf gegen Plastikmüll nach wie vor auf Freiwilligkeit. Gerade vergangene Woche betonte sie, „wenn wir mit dem Handel etwas vereinbaren können, was die sofort umsetzen, dann ist das viel schneller als jedes Gesetz.“ Im Herbst solle es konkrete freiwillige Vereinbarungen geben, schon jetzt gebe es positive Signale seitens Wirtschaft und Handel.
Signale, die genau wie die Allianz gegen Plastikmüll klassische Strategien seien, um wirksamere politische Maßnahmen zu verhindern, meint Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. „Viele Unternehmen stellen sich hin und formulieren wohlfeile Ziele für 2020, 2025, 2030 - möglichst weit in der Zukunft ihre Verpackung recycling-fähig zu machen. Die dienen dazu, der Politik und auch der Öffentlichkeit zu signalisieren: Wir unternehmen was, wir packen das Problem an, wir nehmen das ernst. Wir können es sogar lösen.“ Nur hätten freiwillige Initiativen der Industrie bislang noch kein einziges Umweltproblem nachhaltig gelöst, so Fischer weiter, die Erfahrungen zeigten, dass freiwillige Recycling-Ziele in der Vergangenheit kaum erreicht würden.
Nestlé - Versprechen, versprach, versprochen
Auch Nestlé, der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt, will offenbar zeigen, dass er sich beim Kampf gegen Plastikmüll engagiert. Besuch einer Pressekonferenz vor sechs Wochen mit CEO Ulf Mark Schneider in der Firmenzentrale in den Schweizer Alpen in Lausanne. Schneider schwärmt von der nachhaltigen Strategie des Konzerns und verteidigt zugleich deren Produkte. Die seien ja nicht entwickelt worden, um der Umwelt zu schaden, sondern eben um Nahrung sicher und in bester Qualität zu liefern.
Wir erhalten auch noch ein Schreiben des Konzerns. Darin heißt es, bis 2025 sollen alle Verpackungen recyclingfähig oder wiederverwendbar sein. Diese Verpflichtungen gelten auch für Deutschland.
Die Kehrtwende also?
Ein Blick in alte Berichte lässt daran zweifeln. So heißt es im Bericht in der Gesellschaft für Nestlé Deutschland: Schon bis 2020 - „alle für unserer Produktportfolio verwendeten Verpackungen sind recyclebar.“ 2020, 2025 – bis wann denn nun? Darauf hingewiesen plötzlich ein weiteres Schreiben von Nestlé. Darin heißt es jetzt, „International hat sich Nestlé das Ziel gesetzt, dass Verpackungen weltweit bis 2025 recyclingfähig oder wiederverwendbar sind“, in Deutschland wolle man „dieses Ziel bereits bis 2020 erreichen.“
Seltsam denn auch bei PVC verstrickt sich Nestlé in verschiedene Vorhaben. Das Umweltbundesamt schätzt PVC als gesundheitsgefährdenden Kunststoff-Weichmacher ein. Und Nestlé verspricht 2016: „Das Verpackungsportfolio von Nestlé Deutschland ist PVC-frei“ – bis 2018. Aber bereits 1994 kündigte der Konzern an, bis Ende 1995 sämtliche PVC-Verpackungen ausschalten zu wollen. In einer aktuellen Stellungnahme heißt es, es gebe immer noch einige wenige Fälle in denen PVC eingesetzt werde wie Dichtungen bei Deckeln. Das seien aber Ausnahmen, man arbeite an „Alternativen“.
Nesquik – ein Beispiel der Zukunft?
CEO Schneider sieht in der Firmenstrategie jedoch keine Widersprüche. Man mache ja schon viel und er verweist auf eine Pressemitteilung, in der es heißt, „Ab dem ersten Quartal 2019 beginnt Nestlé, Papierverpackungen für Nesquik einzuführen.“
Aber Nesquik wird trotz der Ankündigung weiter auch in Plastikpackungen verkauft. Die Papierverpackung wird für ein neues Produkt eingesetzt. Ein natürliches Nesquik mit Rohrzucker und natürlichen Inhaltsstoffen – eine Art Nesquik für Besserverdiener. Und so ist der auch erheblich teurer als der klassische Kakao. Zudem ist in der Papierverpackung mit knapp 170 Gramm deutlich weniger als in der herkömmlichen Plastikverpackung mit 500 Gramm Inhalt. Pro Füllmenge muss insgesamt mehr Verpackung produziert werden.
Die Industrie recycelt weiter ihre eigenen Pläne
So leicht durchschaubar die Manöver der Industrie sind - Svenja Schulze glaubt sie wohl trotzdem. Sie habe Vertrauen, dass das aktuelle Regelungssystem funktionieren werde. Und wenn das mit der Freiwilligkeit nicht klappen sollte, gebe es eben doch Regeln, das wüssten auch alle. Wie viele Versprechen und Videos von Aktionen zur Beseitigung von Plastikmüll bis dahin noch gepostet werden, wird sich zeigen.