Stand: 17.10.2016 17:14 Uhr

Mikroplastik weiter in Kosmetik

von Mareike Burgschat & Lena Gürtler

"Pflege ohne Mikroplastik" heißt es auf der Internetseite des Nivea-Konzerns Beiersdorf. Vor zwei Jahren hatten die Hersteller von Kosmetika und Pflegeprodukten in einer freiwilligen Selbstverpflichtung erklärt, zukünftig auf Mikroplastik in ihren Produkten zu verzichten. Doch heute zeigt sich: Die Selbstverpflichtung ist nur wenig wirksam, der angebliche Verzicht oft Augenwischerei.

VIDEO: Mikroplastik weiter in Kosmetik (8 Min)

Je kleiner, desto gefährlicher

Einseifen, abwaschen, runterspülen - so gelangt das mikroskopisch kleine Plastik in die Umwelt, jährlich rund 500 Tonnen allein aus in Deutschland verkauften Kosmetika. Denn die meisten Kläranlagen sind mit den winzigen Partikeln überfordert und können das Plastik nicht filtern. Also landet es in unseren Flüssen und Meeren. Dort lagern sich die Plastik-Partikel im Sediment an und werden zur Nahrung für Muscheln und andere Meerestiere. Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mikropartikel bei Muscheln für Entzündungen sorgen können. Zudem heften sich Schadstoffe an die Plastikteilchen und werden auf diese Weise vom Organismus aufgenommen.

Am Ende findet sich das Mikroplastik im "Frutti di Mare" auf unseren Tellern wieder. Ob und wie es dem Menschen schaden kann, ist noch weitgehend unerforscht. "Als Meeresforscher interessieren wir uns natürlich für die gesundheitlichen Effekte von Schadstoffen. Und seit neuestem auch von Mikroplastik", so Prof. Angela Köhler vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. "Wir haben den Verdacht, dass je kleiner die Partikel sind, desto gefährlicher sind sie möglicherweise für den Organismus. Weil sie in die Zellen selbst aufgenommen werden können."

Selbstverpflichtung der Industrie fast wirkungslos

Nadja Ziebarth vom BUND © Screenshot
Laut Nadja Ziebarth vom BUND verwenden die Unternehmen weiterhin Mikroplastik.

In Ländern wie den USA und Kanada ist Mikroplastik in Kosmetik inzwischen verboten. In Deutschland hat man auf freiwillige Zugeständnisse der Industrie gesetzt - offenbar vergeblich, denn Mikroplastik ist mitnichten aus unserer Kosmetik verschwunden. Der Umweltverband BUND hat in Kooperation mit dem Internet-Start-Up 'Codecheck' die Inhaltsstoffe zahlreicher Kosmetika genauer angesehen: "Unsere Erfahrung ist leider die, dass Unternehmen weiter Mikroplastik verwenden. Das heißt, die Selbstverpflichtung der Hersteller findet sich nicht im Regal wieder", sagt Nadja Ziebarth vom BUND. "Wir haben genauso viel Mikroplastik wie vor zwei Jahren, also 2014, als sie die Selbstverpflichtung ausgesprochen haben."

"Schädlichkeit nicht nachgewiesen"

Blick auf die Firmenzentrale von Beiersdorf in Hamburg © NDR Foto: Charlotte Horn
Die Schädlichkeit sei nicht nachgewiesen, so antwortet unter anderem Beiersdorf

Zwar verzichten einige Hersteller tatsächlich auf Mikroplastikkügelchen aus Polyethylen. Doch Mikroplastik kann aus vielen verschiedenen Stoffen bestehen, und so verwenden die Firmen zum Beispiel in Form von Acrylatem Copolymer oder Nylon-12 weiterhin Mikroplastik in ihren Produkten, während sie nach außen den Ausstieg mimen. Für andere Stoffe als Polyethylen sei die Schädlichkeit schließlich nicht nachgewiesen - so antworten viele Kosmetikfirmen auf Anfrage. So schreibt beispielsweise Beiersdorf: "Uns sind keine konkreten, wissenschaftlichen Studien bekannt, in denen berichtet wird, dass diese Stoffe in der Umwelt Schäden verursachen. Beiersdorf unterstützt jedoch die wissenschaftliche Diskussion und Forschung auf diesem Gebiet."

Keine Verbotspläne

Zwar weist das Bundesumweltamt auf die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik in Kosmetika hin, doch bislang sind keine Bemühungen der Bundesumweltministerin und der Bundesregierung bekannt, auf nationaler oder europäischer Ebene auf ein Verbot zu dringen. "Wir haben den Kosmetik-Dialog eingebracht als eine Methode, um die Hersteller dazu zu bewegen Mikroplastik aus den Artikeln herauszunehmen“, sagt Stephan Gabriel Haufe, Sprecher beim Bundesumweltministerium. "Es gibt auch eine ganze Menge Hersteller, die gesagt haben, wir machen unsere Artikel Mikroplastik-frei. Und das ist der Weg den wir momentan gehen."

In den kommenden Monaten soll es weitere Gespräche mit den Branchenvertretern geben. Doch das genügt den meisten Experten nicht. "Ich hätte auf jeden Fall ein klares Verbot präferiert. Weil es dann auch gerichtlich verfolgt werden kann. Eine Selbstverpflichtung ist nur guter Wille und ist nicht nachprüfbar und hat vermutlich wenig Wirkung", befürchtet Angela Köhler vom Alfred-Wegener-Institut.

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 18.10.2016 | 21:15 Uhr

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