Mietpreisbremse: Kein Risiko für Vermieter
Die Schlagzeilen Ende 2018 klangen für Mieter gut: Katarina Barley "verschärft" die Mietpreisbremse. Die Regelung, die es seit 2015 gibt, sollte nun endlich funktionieren und die Mieten bei Neuvermietung effektiv begrenzen. Das war und ist nötig, denn die Mieterhöhung bei Neuvermietungen ist der größte Kostentreiber auf dem Mietmarkt. Und bei der alten Mietpreisbremse stellten unterschiedliche Studien immer wieder fest, dass sich viele Vermieter einfach nicht an das Gesetz hielten.
Um das zu verhindern, hatte die Bundesjustizministerin für 2019 unter anderem eine Pflicht des Eigentümers beschlossen, bei der Vermietung einer Wohnung Interessenten bereits vor Vertragsabschluss die Höhe der Vormiete mitzuteilen, wenn sie die Miete um mehr als zehn Prozent erhöhen wollten. Nur so sollten Ausnahmen möglich sein, etwa im Fall einer bereits überhöhten Vormiete. Was im Umkehrschluss bedeutet: Teilt der Vermieter die Vormiete nicht mit, bestätigt er damit, sich an die Mietpreisbremse zu halten.
Verschärfte Mietpreisbremse ohne Effekt?
Und jetzt, nach der Verschärfung? Ein erster Blick auf Wohnungsanzeigen im Internet vermittelt nicht sofort den Eindruck von Besserung. In Hamburg oder Berlin beispielsweise sind Mieten von 15 Euro pro Quadratmeter und mehr selbst in den so genannten "einfachen" oder "normalen" Wohnlagen üblich.
Wer verstehen will, was schief läuft, kann das etwa in Berlin-Lichtenberg erfahren, einem Stadtteil im Osten von Berlin - außerhalb des S-Bahn-Ringes, aber auch noch nicht ganz draußen im Grünen. Reich sind die Bewohner hier in der Regel nicht, laut Berliner Sozialatlas gilt der Stadtteil als problembelastet. Trotzdem finden wir hier etwa eine 55 Quadratmeter-Wohnung, die 799 Euro kosten soll, fast 16 Euro pro Quadratmeter. Das ist viel Geld.
Eigentlich ist alles klar, laut Berechnungsportalen wie "wenigermiete.de" sind für so eine Wohnung nur etwa 532 Euro erlaubt. Das Angebot verstößt offenbar gegen die Mietpreisbremse. Und zwar deutlich, um 266 Euro pro Monat.
Miete "in der Tat zu hoch"
Wir gehen zur Besichtigung der Wohnung. Warum ist sie so teuer? Vielleicht war die Vormiete schon höher? Denn wenn der Vormieter bereits 799 Euro bezahlt hätte, dürfte die Miete wieder so hoch sein. Das ist eine erlaubte Ausnahme im Gesetz. Aber uns ist der Vormieter bekannt - und auch der alte Mietvertrag: Er hat 514 Euro pro Monat bezahlt, keine 799. So verstößt der Vermieter also gegen die Mietpreisbremse. Von Panorama schriftlich darauf hingewiesen, gesteht der Vermieter ein, dass die Miete für die betreffende Wohnung in der Tat zu hoch sei und man einen Fehler gemacht habe. Man werde sie überprüfen und korrigieren.
Bruch des Gesetzes völlig risikofrei für den Vermieter
Wir untersuchen 100 Wohnungsanzeigen in Hamburg. Das Ergebnis ist eindeutig: Bei 73 Prozent der Wohnungen liegt der Verdacht nah, dass die Vermieter gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Oft um mehrere hundert Euro pro Monat. Der Grund dafür ist laut Daniel Halmer von "wenigermiete.de" eine Lücke im Gesetz: "Der Vermieter darf das Geld, was er in der Vergangenheit bis zur Rüge des Mieters zu viel erhalten hat, einfach behalten. Das wird ihm nicht mehr weggenommen. Das heißt, er hat finanziell im Grunde nie einen Schaden, sondern kann immer nur Gewinn machen." Also ist der Bruch des Gesetzes völlig risikofrei für den Vermieter. Eine Rückzahlung droht auch dann nicht, wenn man ertappt wird. Ein Fehler, der auch bei der Gesetzesverschärfung nicht korrigiert wurde. Und da nach Schätzungen von Experten bisher nur etwa vier bis fünf Prozent aller Mieter die Einhaltung der Regeln aus der Mietpreisbremse überprüfen, ist der Betrug für Vermieter lukrativ. Die Gesetzesverschärfung funktioniert also nicht.
Barley kündigt Gesetzesreform im Panorama-Interview an
Wir konfrontieren die Ministerin mit unseren Recherchen. Überraschenderweise widerspricht Katarina Barley nicht, sondern kündigt im Panorama-Interview eine Gesetzesänderung an - nicht mal fünf Monate nach der letzten Verschärfung: "Wir haben festgestellt, dass der Punkt verbessert werden muss, dass die Rüge auch rückwirkend Folgen hat, also dass man auch rückwirkend Geld verlangen kann, und das werden wir deshalb auch verändern."
Doch ob Barley die Verschärfung auch durchsetzen kann, ist fraglich. Erstens ist sie nur noch wenige Wochen als Bundesjustizministerin im Amt, bevor sie für die SPD nach Brüssel geht. Und zweitens hat die Union genau diesen Punkt bisher immer blockiert, er ist auch nicht im Koalitionsvertrag festgehalten. Ihr Vorstoß - mit dem Koalitionspartner nicht abgestimmt.
Erneute Reform auf der Kippe?
Und so zeigte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schon äußerst verwundert, noch bevor die Ministerin einen entsprechenden Referentenentwurf in die Ressortabstimmung verschickt hatte: Die Koalition habe die Mietpreisbremse gerade erst zum Jahreswechsel reformiert, sagte das Mitglied des Rechtsausschusses. "Vermieter haben seitdem eine vorvertragliche Auskunftspflicht. Mieter können ihre Rechte bereits einfacher durchsetzen. Auch mit Blick auf die vielen privaten Kleinvermieter ist das eine faire und ausgeglichene Regelung." Er sehe keinen Grund, die Mietpreisbremse schon wieder zu reformieren.
Also eher ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver? Ohne Frage ist der Vorschlag populär und wird der SPD-Spitzenkandidatin im EU-Wahlkampf sicherlich nutzen, auch wenn er nicht durchkommt. Neu ist der Vorschlag allerdings nicht: Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag hatte ihn bereits mehrfach ins Parlament eingebracht - immer abgelehnt von derzeitigen Koalitionsfraktionen: Zuletzt etwa am 26. Juni 2018 (BT-Drs. 19/2976 [https://t1p.de/iiuh]), aber auch schon in einem Gesetzentwurf vom 2016 ("Entwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten durch die Streichung der Rügepflicht und die Schaffung eines Auskunftsrechts") sowie 2017 im "Entwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten bei umfassenden Modernisierungen" (BT-Drs. 18/8856 [https://t1p.de/6f49]). Pikant: Im Bundestag gab es darüber damals eine namentliche Abstimmung - und zu den ablehnenden Stimmen gehörte auch Bundesjustizministerin Barley persönlich.
Nun beruft sich Barley auf neue Erkenntnisse, deshalb wolle sie jetzt eine erneute Reform: "Wir haben damals das umgesetzt, was im Koalitionsvertrag stand, und jetzt machen wir das, was sich aus unserer Evaluierung der Mietpreisbremse ergeben hat."