Sterbehilfe: Organisierte Verantwortungslosigkeit des Staates
Keine Erlaubnis für den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung. Ein Kommentar von Tina Soliman.
Harald Mayer darf nicht sterben. So könnte man das Urteil von heute übersetzen. Klingt irgendwie nicht schlimm - wo ist dann das Problem? Das Problem ist die organisierte Verantwortungslosigkeit des Staates. Denn vor einer klaren Regelung der Sterbehilfe drücken sich die Politiker seit Jahren - klar, bei dem Thema kann man viel falsch machen, wenig Sympathiepunkte sammeln.
Regierung boykottierte altes Urteil
Es begann vor sechs Jahren. Da entschied dasselbe Gericht schon einmal - zugunsten von Schwerkranken wie Harald Mayer!Aber die Bundesregierung boykottierte damals das Urteil, gab das Medikament einfach nicht heraus - mit der Begründung, Sterbehilfe sei per Gesetz verboten.
Dann, vor mehr als drei Jahren, hob das Bundesverfassungsgericht genau dieses Verbot auf - das bedeutet: Sterbehilfe ist seitdem erlaubt, etwa mit Hilfe von Sterbehilfevereinen. Eine Neuregelung hat der Bundestag bis heute nicht hinbekommen.
Zumutbare Alternativen?
Und nun? Wie hat das Gericht heute begründet, das Gegenteil von damals entschieden zu haben? Es sagt: Weil es jetzt ja zumutbare Alternativen gäbe, etwa Sterbehilfevereine erlaubt seien, brauche Harald Mayer nicht mehr das - viel sicherere - Mittel vom Staat!
Der Rollstuhlfahrer Harald Mayer, den wir über fünf Jahre begleitet haben, fragte mich heute: Ist eine zumutbare Alternative, auch ins Wasser zu fahren? Für mich ist das organisierte Verantwortungslosigkeit des Staates auf Kosten von Schwerkranken.
Der Bundestag sollte mit der Neuregelung nicht länger warten! Dort war man eigentlich ja schon soweit, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern, damit Menschen wie Harald Natrium-Pentobarbital bekommen. Es ist ein Hin und Her zwischen Justiz und Staat.
Dazwischen sitzt Harald Mayer, der einfach nur selbstbestimmt - mit dem Mittel seiner Wahl - sterben können will. Dann, wenn für ihn das Leben nicht mehr erträglich ist.