Stand: 27.11.2017 16:16 Uhr

Knast für die Kinder des Drogeriekönigs

Anton Schlecker © dpa-Bildfunk Foto: Marijan Murat
Anton Schlecker vor dem Stuttgarter Landgericht.

Anton Schlecker war nicht müde geworden zu betonen, dass er sich nichts vorzuwerfen habe. Eine Insolvenz sei für ihn "völlig unvorstellbar" gewesen, sagte der frühere Drogerie-Mogul im Prozess. "Ich war bis zuletzt vom Erfolg überzeugt, es war mein Lebenswerk."

Das Stuttgarter Landgericht sieht das anders: Schlecker und seine Kinder hätten von der drohenden Pleite früh gewusst und Millionen beiseite geschafft. Angesichts dessen wirkt der Auftritt des Firmengründers im Gerichtssaal rückblickend wie Hohn. Es war eine Ohrfeige vor allem für die vielen Schlecker-Frauen, die durch die Insolvenz in die Arbeitslosigkeit gefallen sind und bis heute einen Job suchen. 23.000 Menschen hatten vor fünf Jahren ihre Kündigung erhalten.

Kinder sollen ins Gefängnis

Wegen Bankrotts wurde Anton Schlecker heute zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 150 Euro zahlen. Unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs sollen seine Kinder Lars und Meike Schlecker sogar ins Gefängnis: Im Fall von Lars beschlossen die Richter zwei Jahre und neun Monate Haft, im Fall von Meike zwei Jahre und acht Monate. Die Haft für seine Kinder ist für Anton Schlecker wohl die härteste Strafe.

Schlecker, einst größte Drogeriemarktkette Europas, hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Um die Pleite an sich ging es nicht vor Gericht - sondern um die Frage, wann Schlecker die drohende Zahlungsunfähigkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Als sogenannter Einzelkaufmann haftete er mit seinem privaten Vermögen für das Unternehmen. Von diesem Zeitpunkt an hätte er daher kein Geld mehr aus dem Konzern ziehen oder privat an andere übertragen dürfen.

Frühzeitige Berichterstattung durch Panorama

Panorama hatte bereits 2009 über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens berichtet - und die miese Masche aufgedeckt, wie Schlecker versucht hatte, auf Kosten der Mitarbeiter Geld zu sparen. Märkte mit wenig Umsatz wurden geschlossen und im Gegenzug größere, schönere Filialen eröffnet - sogenannte Schlecker-XL-Märkte, oft direkt nebenan. Den Mitarbeitern der "alten" Filialen wurde gekündigt, denn offiziell gehörten die neuen Filialen zu einem neuen Betrieb. Für die XL-Filialen gab es neue Arbeitsverträge, mit deutlich schlechterer Bezahlung und ohne Tarifbindung.

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Laut Manager waren Probleme lange bekannt

Vor dem Stuttgarter Landgericht hatte auch ein früherer Manager des Unternehmens ausgesagt, dass sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten schon damals tatsächlich abgezeichnet hätten. Bei dem Unternehmen sei über lange Zeit nur sehr wenig investiert worden, sagte er. Laut Staatsanwaltschaft hatte dem Unternehmen spätestens Ende 2009 die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Es hatte aber erst Anfang 2012 Insolvenz angemeldet.

Vermögen beiseite geschafft

Eine Filiale der ehemaligen Drogeriekette Schlecker. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
Eine Filiale der ehemaligen Drogeriekette Schlecker.

"Alles deutet darauf hin, dass sie ab 2009 bereits damit gerechnet hatten und Vermögen gesichert haben", sagte der Vorsitzende Richter Roderich Martis in seiner Urteilsbegründung. Die Schleckers ließen sich demnach zweistellige Millionenbeträge auszahlen, obwohl die Drogeriemarktkette zu diesem Zeitpunkt nur noch Verluste schrieb. Zudem übertrug Anton Schlecker seine Villa an seine Frau, mit der er Gütertrennung vereinbart hatte. Den Schlecker-Kindern hatte die Tochterfirma LDG gehört, über die Schlecker die gesamte Logistik der Drogeriefilialen abwickelte.

Das Gericht sah in ihrem Fall nicht nur den Vorwurf des Bankrotts als erwiesen an, sondern darüber hinaus Beihilfe zum Bankrott, Insolvenzverschleppung und Untreue. Wenige Tage vor dem Insolvenzantrag sicherten sich Meike und Lars Schlecker etwa per Blitzüberweisung sieben Millionen Euro aus dem Vermögen ihrer Firma, obwohl ihnen laut Gericht klar sein musste, dass sie den Betrieb damit überschuldeten. Das Geld bezahlte die Familie erst 2013 im Rahmen eines Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter wieder zurück. Weitere vier Millionen überwies sie Anfang November - zur vermeintlichen Wiedergutmachung des Schadens.

Weitere Verfahren sind anhängig

In zwei Wochen beginnt im österreichischen Linz ein Zivilverfahren gegen Schleckers Ehefrau Christa und die beiden Kinder, in dem es um Schadenersatz-Forderungen des Insolvenzverwalters der ehemaligen Schlecker-Tochterfirma Dayli geht. Im sächsischen Zwickau läuft bereits ein Verfahren, wie das dortige Landgericht der "Wirtschaftswoche" bestätigte. Der Insolvenzverwalter eines früheren Schlecker-Personaldienstleisters verlangt ebenfalls Geld zurück. Christa Schlecker war anfangs auch im Stuttgarter Strafprozess angeklagt, das Verfahren wurde aber eingestellt.

Vor den Urteilen in diesen Verfahren fürchtet sich die Familie wohl mindestens genauso wie vor dem Stuttgarter Urteil. Denn hier geht es im Zweifel um richtig viel Geld.

 

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Dieses Thema im Programm:

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