Rechte Hooligan-Gruppe: Nach acht Jahren kein Prozess in Sicht
2012 gelang der Polizei ein Schlag gegen die rechte Hooligan-Gruppierung "Faust des Ostens". Doch das Landgericht Dresden konnte den Prozess gegen die Hooligans immer noch nicht terminieren.
Es war ein wichtiger Schlag gegen die rechtsextremistische Szene: Im Mai 2012 hatten rund 130 Beamte der sächsischen Polizei die Wohnungen von mehreren Mitgliedern der Hooligan-Gruppierung "Faust des Ostens" durchsucht. Sie stellten Schlagstöcke, illegale Böller, Anabolika und Datenträger sicher. Ein Jahr später erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen fünf mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe. Die Vorwürfe: Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Bandendiebstahl, gefährliche Körperverletzung. Doch auch acht Jahre nach der Razzia ist nach Panorama-Informationen noch kein Prozess gegen die Hooligans in Sicht: Die zuständige Staatschutzkammer am Landgericht Dresden konnte die Hauptverhandlung "wegen vorrangig zu behandelnder Haftsachen" immer noch nicht terminieren.
Verjährung droht im nächsten Jahr
Die ersten Taten drohen nun im April 2021 zu verjähren. Das geht aus der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Sächsischen Landtag hervor. "Dass der Prozessbeginn seit Jahren verschleppt wird, halte ich für ein extrem bedenkliches Zeichen: Der rechten Szene signalisiert man einmal mehr, dass man trotz der harten Tatvorwürfe offenbar nur genügend Geduld mitbringen muss, um einer Verhandlung zu entgehen", so Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Fraktion, gegenüber Panorama.
Den fünf Anführen von "Faust des Ostens", kurz FdO, wird konkret etwa vorgeworfen, vor einer Dresdner Diskothek eine Gruppe Ausländer angegriffen und zusammengeschlagen haben. Laut Zeugen riefen sie dabei mehrmals "Sieg Heil!". Und in Supermärkten sollen sie mehrmals ganze Alkohol-Regale leergeräumt haben, ohne zu bezahlen. So fanden die Ermittler kistenweise gestohlenen Champagner. In Untersuchungshaft mussten die Hooligans damals nicht. Das scheint ihr Glück zu sein.
Angeklagte begehen weitere Straftaten
Denn seit der Anklageerhebung 2013 ist nicht viel passiert: Mehrere große Umzugskisten mit 160 Aktenbänden stehen seitdem im Landgericht in einer Abstellkammer und wurden jahrelang nicht angefasst. Währenddessen wüteten die Hooligans weiter. Mindestens zwölf Mal sind die fünf Angeklagten straffällig geworden, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Hausfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Betrugs.
Schon 2017 erläuterte der damalige Landgerichtspräsident Gilbert Häfner im Panorama-Interview mit Bezug auf die umfangreichen Asservate, dass es sich um eine aufwändiges "Kistenverfahren" handele, für das man keine Zeit finde. Immer wieder kämen Fälle dazwischen, bei denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen. Fälle, die bevorzugt behandelt werden müssten. "Es ist Außenstehenden nur schwer zu vermitteln, dass hier Täter angeklagt sind, die weiter frei herumlaufen, weiter Straftaten begehen und nicht von der Justiz abgeurteilt werden. Das bleibt eine absolut unerfreuliche Tatsache und ich hoffe sehr, dass dieser Zustand nicht mehr allzu lange andauert." Häfner spekulierte damals darauf, sich mit neuen Richtern und der Einrichtung einer neuen Strafkammer um die "Faust des Ostens" kümmern zu können. Doch daraus wurde nichts.
Zumindest ließ man im August 2018 die Anklage zur Hauptverhandlung zu, in letzter Minute, um die Vorwürfe nicht verjähren zu lassen. Nun sind erneut fast zwei Jahre vergangen - und erneut heißt es: Keine Zeit, die zuständige Kammer verhandele durchgängig mehrere Haftsachen nebeneinander. Es sei aber zum 1. Januar 2020 eine weitere Große Strafkammer am Landgericht Dresden eingerichtet worden.
Es winkt Strafrabatt
Es stellt sich die Frage ist: Auch wenn es noch zur Verhandlung kommen sollte, was erwartet die Angeklagten dann - so viele Jahre nach der Razzia? "Viele Zeuginnen und Zeugen werden sich womöglich nicht mehr präzise erinnern können", befürchtet die Linken-Abgeordnete Köditz. "Selbst wenn es am Ende Schuldsprüche geben sollte, winkt durch die lange Verfahrensdauer ein Strafrabatt. Das ganze 'Faust des Ostens'-Verfahren zeigt aus meiner Sicht lediglich, wie man rechte Strukturen nicht bekämpft."
Aus ihrer rechten Gesinnung hatten die Hooligans nie einen Hehl gemacht. Gegründet wurde die "Faust des Ostens" im Jahr 2010, ausgerechnet am 20. April, Hitlers Geburtstag. Die mehr als 100 Mitglieder kamen vor allem aus der Fanszene von Dynamo Dresden. Auch nach der Razzia 2012 und der inoffiziellen Auflösung der Gruppierung fielen FdO-Mitglieder immer wieder auf, etwa bei den flüchtlingsfeindlichen Übergriffen in Heidenau und den Ausschreitungen im Leipziger Stadtteil Connewitz. Im letzten Jahr nahmen Hooligans am rechtsextremen Marsch "Ausbruch 60" in Ungarn teil. Auch aktuell laufen Strafverfahren gegen Personen aus dem FdO-Umfeld, unter anderem wegen Zeigens des Hitlergrußes.