Fehlurteil: 7 Jahre unschuldig im Gefängnis
Es ist ein spektakulärer Einzelfall, der wie kaum ein anderer zeigt, dass Richter und Staatsanwälte fehlbar sind: Mehr als sieben Jahre saß Herbert B. unschuldig im Gefängnis. Ein einfacher Mann, der weder lesen noch schreiben kann. Jetzt wurde der 72-jährige in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen, "nachträglich" sozusagen.
2004 hatte seine Tochter ihn beschuldigt, sie mehrfach vergewaltigt zu haben. Es kommt zum Prozess am Landgericht Halle, in dem sich die 21-jährige als Opfer eines ständig alkoholisierten Vaters darstellt - begleitet von ihren Ärzten, die ihr eine schwere Traumatisierung durch die angeblichen Vergewaltigungen bescheinigen. Für das Gericht scheint der Fall klar, obwohl die anderen Familienmitglieder alle zugunsten des Vaters aussagen. Es vertraut auf die eigene Fachkompetenz, verzichtet auf eine aussagepsychologische Begutachtung des Mädchens und verurteilt Herbert B. zu zehn Jahren Gefängnis.
Ein folgenschwerer Fehler: Der wird spätestens deutlich, als die Tochter weitere Männer beschuldigt und die Anschuldigungen immer abstruser werden. Erst jetzt lässt die Staatsanwaltschaft die Frau begutachten. Das Ergebnis: Der Psychologe vermutet eine Persönlichkeitsstörung und hält sie für nicht glaubwürdig. In seinem Gutachten aus dem Jahre 2009 hält Prof. Max Steller fest, dass dies seiner Meinung nach auch zwingend Auswirkungen auf den Prozess gegen den Vater haben müsste. Doch nichts passiert. Herbert B. bleibt weiter in Haft.
Es wird noch zwei weitere lange Jahre dauern, bis der Strafverteidiger Johann Schwenn auf den Fall aufmerksam wird und die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Mit Erfolg: Vom Landgericht Magdeburg wurde Herbert B. jetzt freigesprochen. Die vorgeworfenen Taten hat es nach Auffassung des Gerichts nie gegeben. Siebeneinhalb Jahre saß Herbert B. unschuldig im Gefängnis. Und was sagen die "Schuldigen" - die Richter und die Staatsanwaltschaft? Zusammengefasst kann man es so formulieren: Zum jeweiligen Zeitpunkt habe man alles richtig gemacht. Panorama über einen besonders drastischen Justizirrtum, in dem sich die Verantwortlichen offensichtlich wegducken.