Stand: 17.02.2017 16:29 Uhr

Holocaust-Leugnerin: Trotz Haftstrafen in Freiheit

Ein Kommentar von Robert Bongen

Die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck stand wieder mal wieder vor Gericht. In Detmold, dort bereits zum zweiten Mal. Und mal wieder einmal wurde sie verurteilt: Zehn Monate Haft, wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.

Ursuala Haverbeck © NDR Foto: Julian Feldmann
Ursula Haverbeck wurde erneut zu einer Haftstrafe verurteilt.

Es ist die fünfte Freiheitsstrafe für Haverbeck. Insgesamt hat sie nun fünf Jahre und neun Monate ohne Bewährung angehäuft. Ins Gefängnis muss sie trotzdem nicht. Denn keines der fünf Urteile ist bisher rechtskräftig. Haverbeck legt immer wieder Berufung ein - und über keine der Berufungen ist bisher entschieden. "Immer noch kein Termin in Aussicht", teilte der Sprecher des Landgerichts Hamburg jetzt mit - nach eineinviertel Jahren. Das ist beschämend.

In Hamburg kassierte Haverbeck die erste ihrer Freiheitsstrafen, im November 2015. Grund: Sie hatte in Panorama behauptet, Auschwitz sei kein Vernichtungslager gewesen, den millionenfachen Judenmord durch die Nationalsozialisten habe es nicht gegeben. Seitdem tingelt Haverbeck fröhlich durch die Lande und lässt keine Gelegenheit aus, den Holocaust als "die größte und nachhaltigste Lüge der Geschichte" zu bezeichnen. Das ist nicht mehr vermittelbar.

Erst recht nicht den Überlebenden des Holocausts und den Angehörigen der Opfer. "Was ist da los bei euch in Deutschland?" schrieb mir unlängst Eva Mozes Kor. Sie meinte den Umgang mit Haverbeck. Mozes Kor hat Auschwitz überlebt, war dort mit ihrer Zwillingsschwester Miriam von KZ-Arzt Josef Mengele für grausame medizinische Experimente missbraucht worden.

Das Phlegma der Gerichte hat fatale Folgen

Ich habe sie 2015 beim Prozess gegen den "Buchhalter von Auschwitz" Oskar Gröning in Lüneburg kennengelernt; sie war extra aus den USA angereist, um dort als Zeugin auszusagen. Dort hatte sie auch Ursula Haverbeck erlebt, die vor dem Gerichtsgebäude mit braunen Gesinnungsgenossen ihre kruden Thesen verbreitete.

Ja, was ist da los bei uns in Deutschland? Das Phlegma der Gerichte hat fatale Folgen. Um es klar zu sagen: Der Volksverhetzungs-Paragraf, der eigentlich mal zum Schutz der Holocaust-Überlebenden gedacht war, wird so zu einer Geißel. Er verkehrt sich quasi in sein Gegenteil. Denn Haverbeck hat eine Mission. Sie will den Paragrafen 130 StGB aushöhlen, ihn abschaffen. Sie nutzt jeden Gerichtstermin als Bühne, um erneut die Existenz der Gaskammern zu bestreiten.

So auch in Detmold. Dafür wird sie von ihren Anhängern gefeiert. Mehr als 80 Unterstützer aus ganz Deutschland waren zum Gerichtstermin extra angereist. Wie lange soll dieses unwürdige Spiel noch weitergehen? Wie lange will sich unser Rechtsstaat das gefallen lassen? In Untersuchungshaft kann Haverbeck nicht genommen werden, das ist bei dieser Art von Delikten rechtlich nicht möglich. Und ja, die Frau ist 88. Jeder kann sich seinen Teil denken.

Videos
Eva Mozes Kor, eine Überlebende von Auschwitz im Portrait.
1 Min

"Wie soll man Leute überzeugen, die keine Fakten akzeptieren wollen?"

Eva Mozes Kor hat Auschwitz überlebt, ihre Eltern und ihre älteren Schwestern starben in den Gaskammern. Im laufenden Prozess gegen Oskar Gröning tritt sie als Nebenklägerin auf. 1 Min

Aber es wäre ein längst überfälliges Signal, wenn die Gerichte nun schnell rechtskräftige Urteile fällen. Immerhin: Im Juni soll nun vor dem Detmolder Landgericht der erste Berufungs-Termin verhandelt werden. Eva Mozes Kor schlägt im Übrigen eine andere Lösung vor: "Warum verurteilt man Haverbeck nicht dazu, mindestens zehn Stunden lang den Berichten von Überlebenden zuzuhören?" Dann würde sie erfahren, was wirklich während ihres geliebten Nazi-Regimes passiert sei.

Weitere Informationen
Ursula Haverbeck © Screenshot

Plattform für Holocaust-Leugner?

Für Ursula Haverbeck hat die Massenvernichtung der Juden nicht stattgefunden. Panorama dokumentiert hier umfangreich die Weltsicht einer Holocaust-Leugnerin. Warum? mehr

Norbert Frei

"Da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln"

Wie kommen Rechtsextremisten dazu, eine seriöse Quellenedition als Beleg für die Nichtexistenz des Holocaust zu nehmen? Historiker und Herausgeber Norbert Frei im Gespräch mit Panorama. mehr

Die Rechtsextremistin Ursula Haverbeck © NDR Foto: Julian Feldmann

Haverbeck: Dritte Haftstrafe seit November 2015

Unter dem Applaus von Neonazis ist Ursula Haverbeck wegen Leugnung des Holocaust verurteilt worden - zum dritten Mal seit November 2015. Trotzdem ist sie noch immer auf freiem Fuß. mehr

Die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Hamburger Amtsgericht. © NDR

Holocaust-Leugnerin Haverbeck verurteilt

Die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck muss wegen Volksverhetzung ins Gefängnis. Das Hamburger Amtsgericht verurteilte die 87-Jährige zu zehn Monaten Freiheitsentzug ohne Bewährung. mehr

NPD und Holocaust-Lüge: Peinlicher Auftritt vor Auschwitz-Prozess

NPD-Chef Franz geht auf Distanz zu Holocaust-Leugnern wie Haverbeck. Doch nun trat ein Mitglied des Parteivorstands gemeinsam mit ihr auf - wegen des NPD-Verbotsverfahrens eine peinliche Angelegenheit. mehr

Ursula Haverbeck © Screenshot

Holocaust-Leugner: Justiz läuft hinterher

Das Verbot der "Holocaust-Lüge" gehört in Deutschland zu den wenigen Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Doch deutsche Justizbehörden sind keine besonders guten Zensoren. mehr

Ursula Haverbeck © Screenshot
2 Min

Die verqueren Gedanken der Ursula Haverbeck

Vernichtungslager? Holocaust? Gaskammern? "Man kann doch nicht erwähnen, was es nicht gab", sagt Ursula Haverbeck, mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt. 2 Min

Hans Püschel und Ursula Haverbeck
10 Min

Wohltäter Hitler: Besuch bei Auschwitz-Leugnern

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und NPD-Politiker Hans Püschel versuchen die Massenvernichtung der Juden zu negieren. 10 Min

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 23.04.2015 | 21:45 Uhr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr