Gutachten: Hamburgs Steuergeschenk an Warburg war eine verbotene Beihilfe
Mit dem Verzicht auf Rückforderungen von Cum-Ex-Millionen der Privatbank M.M. Warburg könnten die Hamburger Behörden gegen EU-Recht verstoßen haben.
Mit dem Verzicht auf Rückforderungen von Cum-Ex-Millionen der Privatbank M.M. Warburg könnten die Hamburger Behörden gegen EU-Recht verstoßen haben. Die "Nicht-Unterbindung der steuerrechtlichen Verjährung" sei eine nach EU-Recht verbotene Beihilfe, resümiert der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten im Auftrag des Linken-Abgeordneten Fabio de Masi. Der Warburg-Bank sei durch die Unterlassung der Rückforderung ein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Privatbanken entstanden, heißt es in dem 13-seitigen Papier, das der ZEIT und Panorama vorliegt. Mit der Maßnahme hätte die Finanzverwaltung unzulässig in den Markt eingegriffen und den Wettbewerb verzerrt.
Im März dieses Jahres entschied das Landgericht Bonn, Warburg müsse die Cum-Ex-Millionen komplett zurückzahlen, inklusive der verjährten 47 Millionen Euro. Warburg hat Revision eingelegt. Wenig später, einen Tag vor Beginn der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg, wurde bekannt, dass auch die Hamburger Finanzverwaltung das Geld nun vollständig zurückfordert. Die Bank wehrt sich dagegen. Ihr wichtigstes Argument: Die Forderungen seien teilweise verjährt.
"Das wäre peinlich für Olaf Scholz"
Ob tatsächlich eine verbotene Beihilfe vorliegt, entscheidet die EU-Kommission. Eine Anfrage des EU-Abgeordneten Martin Schirdewan (Linkspartei) bearbeitet die Kommission noch. Wenn die EU die Verjährung als Beihilfe einstufen würde, müsste die Bank die 47 Millionen Euro unabhängig von der Verjährung in Deutschland zurückzahlen, heißt es in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne die Kommission Deutschland zur Geltendmachung des Anspruchs zwingen, selbst wenn die Gerichte in Deutschland entscheiden, dass weder das Bonner Gericht noch das Finanzamt die bereits verjährten Millionen einfordern dürfen. "Die zuständigen deutschen Behörden wären bei entsprechender Aufforderung der Kommission, trotz nationaler Verjährung, zur Rückforderung der 47 Millionen Euro samt Zinsen gegen die Warburg Bank verpflichtet."
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, sieht darin einen weiteren Beleg für das Versagen der Hamburger Behörden in dem Fall. "In der Hamburger Finanzverwaltung und im Hamburger Rathaus hat man sich um EU-Recht offenbar nicht geschert." Er erwarte, dass Brüssel notfalls eingreife, um das verjährte Geld wiederzuholen. "Das wäre peinlich für Olaf Scholz."
Opposition will Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
Warum Finanzbehörde und Steuerverwaltung bereit waren, Steueransprüche in Millionenhöhe mit Blick auf sogenannte Cum-Ex-Geschäfte verjähren zu lassen, während in anderen Bundesländern entsprechende Steueransprüche durchgesetzt wurden, soll im kommenden Jahr ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Hamburg klären. Einen entsprechenden Antrag wollen CDU und Linke in der kommenden Woche gemeinsam verabschieden.
Dabei soll es auch um die Rolle des damaligen Bürgermeisters und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gehen. Scholz traf sich 2016 innerhalb weniger Wochen zwei Mal mit Olearius - zu jener Zeit, als im Finanzamt über die Verjährung der 47 Millionen Euro entschieden wurde. Erst nachdem Panorama und "Die Zeit" die Treffen von Scholz mit dem Privatbankier Anfang September enthüllt hatten, räumte sie Scholz weniger später dem Bundestag gegenüber ein. An konkrete Inhalte der Gespräche mit Olearius konnte er sich jedoch nicht erinnern. Eine Einflussnahme auf die Entscheidung der Finanzverwaltung bestreitet Scholz jedenfalls.