Gericht bestätigt: Polizeieinsatz durfte gefilmt werden
Drei Freunde geraten wegen des Filmens einer Polizeikontrolle in einen Konflikt mit den Beamten. Doch sie durften die Aufnahmen machen, so urteilte in zweiter Instanz das Landgericht Essen.
Sie hätten mit ihrem Handy den Polizeieinsatz filmen dürfen, so urteilte nun auch das Essener Landgericht im Berufungsverfahren über einen in Panorama dargestellten Fall. Begründung: Es bestand eine faktische Öffentlichkeit, und somit war das Wort der Polizisten nicht im Sinne des §201 StGB "nicht-öffentlich".
Was war passiert? Drei Freunde geraten bei einer Polizeikontrolle in Konflikt mit den Beamten. Ein Streit entzündet sich, weil die Männer - Mattes und Daniel (Namen geändert) - den Einsatz filmen wollen. Die Beamten aber wollen das nicht und begründen die Wegnahme des Handys mit dem Schutz der Vertraulichkeit des Wortes (§201 StGB). Es kommt zu wüsten Beleidigungen und zu Schlägen durch Polizeibeamte. Auch wird Pfefferspray gegen Mattes eingesetzt.
Aufnahmen dokumentieren Vorfälle
All das wird wortgenau dokumentiert, weil auch der Fahrer des Wagens sein Handy zückte. Das Handy wird ihm zwar von einem Polizisten abgenommen und in die Jacke gesteckt, doch der vergisst offenbar, die Aufnahme zu stoppen, sodass die gesamte Polizei-Maßnahme akustisch aufgenommen wird.
Für Margrit Lichtinghagen, Richterin in der ersten Instanz am Amtsgericht Essen, war die Tonbandaufnahme legal und vor Gericht auch verwertbar. Sie hatte die Tonaufnahme sogar zu einer wesentlichen Grundlage ihres Urteils gemacht. Mit Hilfe der Tonbandaufnahme wurden die Beamten der Falschaussage überführt. Abschließend legte die Richterin den Freigesprochenen nahe, ihrerseits die Beamten anzuzeigen: "Nach alledem ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass den Angeklagten der Vorwurf der Widerstandshandlung nicht gemacht werden kann. Vielmehr bietet das vorliegende Verfahren Anhaltspunkte dafür, die massiven Übergriffe der vor Ort befindlichen Polizeibeamten auf die Angeklagten (...) zu überprüfen."
"Ohne die Tonaufnahme wäre es sehr schwer geworden, einen Freispruch zu bekommen, denn es hat sich ja trotz der Tonaufnahme gezeigt, dass die Beamten etwas gesagt haben, was sich mit der Realität nicht übereinbringen ließ. Was wir zum Glück belegen konnten durch die Tonaufnahme", so Rechtsanwalt Christian Hemmer.
Staatsanwaltschaft ging in Berufung
Doch trotz des Freispruchs ging die Staatsanwaltschaft in Berufung und begründete sie damit, dass noch nicht alle Zeugen gehört worden seien. Insbesondere ein unbeteiligter Zeuge, der am Tatort angehalten und von sich aus dann die Polizei angerufen haben soll, war in Erster Instanz trotz Ladung nicht erschienen. Deshalb bestand die Staatsanwaltschaft darauf, dass in der zweiten Instanz dieser Zeuge in jedem Fall noch gehört werden sollte, da dieser sich angeblich bei der Polizei telefonisch gemeldet und gesagt haben soll, dass Polizeibeamten angegriffen worden wären.
Dieser Zeuge wurde dann tatsächlich auch im Rahmen des Berufungsverfahrens gehört, wobei dieser ebenfalls aussagte, dass es die Angeklagten waren, die angegriffen worden seien. Insbesondere in Bezug auf den Mitangeklagten konnte der Zeuge bestätigen, dass er gesehen habe, wie dieser "bereits fixiert gewesen sei und dann trotzdem von Polizeibeamten angegriffen und geschlagen worden wäre", erklärt Rechtsanwalt Christian Hemmer.
Aussagen widersprechen der Aufnahme
Im Berufungsverfahren bestätigen Zeugen den Ablauf, wie er durch die Tonaufnahme dokumentiert wurde. Die Polizeibeamten dagegen verstricken sich offenbar in widersprüchliche Aussagen: "Die Polizeikräfte konnten sich an sämtliche Details erinnern, die ihrer persönlichen Entlastung dienen sollten, ansonsten haben sie entweder wissentlich falsch ausgesagt oder in Teilen sogar gelogen", so Daniel.
"Nach alldem hat dann auch die Staatsanwaltschaft selbst beantragt, die eigene Berufung zu verwerfen. Dies ist durchaus ungewöhnlich, weil normalerweise in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Berufungsverfahrens zu dem Entschluss kommt, dass die Entscheidung in der ersten Instanz korrekt war, dann die Berufung schlichtweg zurücknimmt. Dies geschah hier allerdings nicht. Offensichtlich wollte die Staatsanwaltschaft auch noch eine zweitinstanzliche gerichtliche Entscheidung haben", so Rechtsanwalt Hemmer.
Verfahren gegen Beamte laufen weiter
Die Verfahren gegen die Polizeibeamten laufen weiter. Auch stellte das Landgericht Essen - wie auch schon das Amtsgericht - erneut fest: Mattes und Daniel hätten filmen dürfen, da die Situation auf der Straße mit vielen Zeugen öffentlich war und somit nicht, seitens der Polizei, von der Vertraulichkeit des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes ausgegangen werden durfte.
Es sei sogar, so Rechtsanwalt Hemmer, extrem wichtig, solche Aufnahmen zu haben: "Das Landgericht hat in seiner Urteilsbegründung auch ausdrücklich ausgeführt, dass es sich hier nicht um ein nicht-öffentlich gesprochenes Wort gehandelt hätte, sondern um eine öffentliche Maßnahme, die hier unter freiem Himmel in Anwesenheit auch dritter Personen stattgefunden hat, so dass auch gar kein Anspruch bestanden hätte, dass Filmen zu unterbinden."
Sein Mandant, Bundeswehrsoldat Mattes, zeigt sich über das Ende der jahrelangen Ermittlungen und Prozesse gegen ihn erleichtert: "Das waren zwei lange und harte Jahre der beruflichen Ungewissheit für mich, da sämtliche Personalmaßnahmen während der Ermittlungen ruhten: keine Beförderung, kein Laufbahn- oder Statuswechsel vom Zeitsoldaten zum Berufssoldaten und auch keine Verlängerung der Dienstzeit. Stattdessen hing immer das Damoklesschwert der doppelten Verurteilung über meinem Kopf. Natürlich hinterlässt so ein Erlebnis Spuren. Ein enormer Vertrauensverlust in die Polizei oder ein Unbehagen in Gegenwart von Polizisten lässt sich nicht leugnen. Das wiederholte Anhören der Aufnahmen, das wiederholte Wiedererleben der gefühlten Ohnmacht, nichts für seinen Freund tun zu können, mit anhören zu müssen, wie er verprügelt, man selbst bedroht und verspottet wird, all das sind Dinge, die sich schwer vergessen lassen. Leider glaube ich, dass es in Deutschland zu oft ähnlich geartete Fälle wie den unseren gibt, mit dem Unterschied, dass es keine filmischen Aufzeichnungen gibt."
Ohne Aufnahme hätten die Polizisten wohl recht bekommen
Schlecht für Polizeiopfer: Rechtsanwalt Hemmer bestärkt, dass es ohne die Tonaufnahmen ganz anders hätte kommen können: "Nach meiner Meinung hat das ganze Verfahren in aller Deutlichkeit gezeigt, wie wichtig es ist, die Möglichkeit zu haben, von einer solchen Maßnahme Aufnahmen zu fertigen, um dann ein objektives Beweismittel in der Hand zu haben. Denn hätte dieses objektive Beweismittel nicht zur Verfügung gestanden, hätte es also die Tonaufnahme nicht gegeben, dann erscheint es zumindest doch sehr fraglich, ob ein Freispruch hier hätte erzielt werden können. Denn auch wenn es noch weitere Zeugen gegeben hat, hätte es dann jedenfalls eine Vielzahl von Polizeibeamten gegeben, die gegen die Angeklagten ausgesagt hätten. Bei realistischer Betrachtung wäre es daher zumindest unwahrscheinlich gewesen, dass unter Berücksichtigung dieser Aussagen tatsächlich ein Freispruch erfolgt wäre."